Evang.-Luth. Kirchengemeinde Bayreuth-Auferstehungskirche

Die Predigt vom 12. September 1999: »Gutes tun tut gut«


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Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

  Die evangelische Kirche beging am Sonntag den 15. Sonntag nach Trinitatis. Thema war vom Evangelium her die Aufforderung, sich nicht unnötig zu sorgen. Im Predigttext speziell will Jesus die Sorge nehmen, daß, wer sich christlich engagiert, darüber selbst zu kurz kommen könnte. Lukasevangelium Kapitel 18:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
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Glaube und Leben.)

  28 Petrus sprach zu Jesus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. 29 Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verläßt um des Reiches Gottes willen, 30 der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Predigt

  Gutes tun tut gut Mit dem gleichnamigen Artikel in der 36. Ausgabe des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts in der Hand habe ich die Predigt eröffnet:

"Gutes tun tut gut!" Unter dieser Überschrift stand ein Artikel im vorletzten Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt. (Das ist eine evangelische deutsche Wochenzeitung.) "Gutes tun tut gut". In diesem Artikel ging es um das Ehrenamt, um den ehrenamtlichen, unbezahlten Einsatz von Menschen für die Allgemeinheit. Mit anderen Worten wurde der Inhalt noch einmal zusammengefaßt: "Die neuen Ehrenamtlichen wissen, dass sie mehr bekommen als geben." Die neuen Ehrenamtlichen

Die "neuen Ehrenamtlichen". Was ist damit gemeint? Es gibt, was das Ehrenamt betrifft, auseinandergehende Meldungen: Der Einsatz in den typischen, den "alten" Ehrenämtern in den Kirchen, in den Vereinen, bei den Wohlfahrtsorganisationen scheint weniger zu werden. Manche Vereine klagen, daß sie ihre Posten nur noch schwer besetzen können. Immer weniger wollen sich fest an eine Gemeinschaft binden und die damit verbundenen Verpflichtungen eingehen.

Auf der anderen Seite wächst nach Umfragen und Beobachtungen seit den 90er Jahren die Bereitschaft, sich für einzelne einzusetzen, die in Not sind. Für einzelne, weil man da auch die Früchte seiner Arbeit sehen kann. Für einzelne, weil da auch etwas zurückkommt, wenn man hilft. Zwei Beispiele

Zwei verschiedene Menschen werden in diesem Zeitungsartikel als Beispiele vorgestellt. Sie gehören zu den 170, die sich bisher beim sog. "Treffpunkt Ehrenamt" der Münchner Diakonie gemeldet haben: Ein gutsituierter 62jähriger pensionierter Versicherungsdirektor. Er übernimmt gesetzliche Betreuungen für verwirrte alte Menschen oder für geistig Behinderte. Eine junge Frau Ende 20 im Erziehungsurlaub. Sie kümmert sich in einer Art Jugendzentrum um Freizeitgestaltung für Kinder aus schwierigen Verhältnissen, die sonst nur rumhängen würden. Ehrenamt "für Gotteslohn"

Beide tun sie das, wie man sagt, für Gotteslohn. Sie wollen kein Geld, sie brauchen auch keins. Den gutsituierten Direktor, der selber ausgesorgt hat, hat das menschliche Elend bedrückt. Die größte Bereicherung ist es nach seinen Worten für ihn, für die behinderten Männer, die so freundlich und herzlich auf ihn zukommen, da zu sein. Die junge Frau plagte ihr soziales Gewissen. Sie wollte nicht immer nur von Nächstenliebe reden. Und nun freut sie sich über die Dankbarkeit, die ihr die Kinder entgegenbringen.

Für den sprichwörtlichen Gotteslohn tun sie, was sie tun. Sie setzen ihre Zeit ein, ihre Kraft und auch Geld. Sie müssen auch einmal Enttäuschungen erleben. Wie sieht ihr Gotteslohn aus? Für die beiden Genannten ist es die Freude und die Dankbarkeit, die sie von den Menschen zurückerhalten. Deswegen: "Gutes tun tut gut". Jesus und der "Gotteslohn"

An solchen ehrenamtlichen Einsatz für den sprichwörtlichen Gotteslohn bin ich erinnert worden beim Lesen des Textes für heute. Hören Sie, was bei Lukas im 18. Kapitel erzählt wird: 28 Petrus sprach zu Jesus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. 29 Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verläßt um des Reiches Gottes willen, 30 der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Was haben wir davon?

"Folge mir nach!" hatte Jesus damals dem Petrus und seinem Bruder mitten über der Arbeit gesagt. Uns sie lassen ihre Fischerboote, ihr Geschäft, ihre Familie, also ihre ganze gesicherte Existenz zurück, um mit dem Wanderprediger von Ort zu Ort zu ziehen. Eine ganze Schar hat er im Laufe der Zeit um sich gesammelt. Einige werden nur aus Begeisterung und weniger aus Überlegung dabei gewesen sein. Wir wissen aus den verschiedenen Nachfolgeerzählungen, daß Jesus kein Rattenfänger war. Eindringlich hat er alle, die von sich aus mit ihm kommen wollten, gefragt, ob sie wissen, was sie tun und worauf sie sich einlassen.

Und dann reift offenbar in der Mitte dieser Jüngerschar die besorgte Frage: Was bringt's? Was haben wir davon? Was bekommen wir dafür, daß wir alles aufgeben und uns an deiner Seite für Gott und die Gerechtigkeit einsetzen? Vielleicht ist ihre Enttäuschung gewachsen, daß das mit der Gottesherrschaft und der Gerechtigkeit so langsam voran geht. Vielleicht haben sie sich bei Nacht im Freien nach ihrem früheren Bett gesehnt.

Und da sie schicken offensichtlich den Petrus vor. Doch auch er traut sich nicht so recht fragen. Eher schüchtern, aber doch ein wenig vorwurfsvoll klingt's: "Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt." Ehrenamt und Frust

"Was bringt's? Wofür plage ich mich? Könnte ich's nicht viel einfacher haben?" So fragt vielleicht ein Vereinsvorstand auf einer schlecht besuchten Versammlung, bei der er sich auch noch anhören muß, daß andere es bestimmt besser gemacht hätten als er.

So fragt vielleicht auch einmal eine Sammlerin, die an einer Tür unfreundlich empfangen wird, als wolle sie das Geld für sich selber einstecken.

So fragt vielleicht der Mann, der treu seine Mutter im Altenheim besucht, und sich von der verwirrten Frau jedesmal anhören muß, wie undankbar er sei und wie selten er zu ihr komme.

So fragt sich vielleicht die Tochter, die ihre Mutter zu Hause pflegt und mittlerweile an den Rand ihrer eigenen seelischen und körperlichen Kraft gekommen ist. Für Gott alles aufgeben? 29 Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verläßt um des Reiches Gottes willen, 30 der es nicht vielfach wieder empfange ...

Kann man diese Geschichte überhaupt mit all dem ehrenamtlichen Tun für Gotteslohn heute vergleichen? Zählt unser Einsatz für das Reich Gottes, also für Gott, für den Menschen und für die Gerechtigkeit nur dann, wenn wir Haus und Hof, Familie und Beruf verlassen wie die Jünger damals? Dann würde höchstens noch ein Mönch oder Missionar Jesu Willen genügen. Sollen die anderen Lasten, die jemand freiwillig auf sich nimmt, nichts dagegen sein? Für viele eine weltfremde, ja fast ärgerliche Geschichte.

Sie beschreibt eine einmalige Situation. Wir können das, was die Menschen damals mit dem lebendigen Jesus erlebt haben, nicht einfach so auf die heutige Zeit übertragen. Und vor allem: Auch Jesus damals hat nicht von allen erwartet und gefordert, daß sie seine ungesicherte Wanderexistenz teilen, wenn sie sich für das Reich Gottes einsetzen wollen. Einen Geheilten, der ihm unbedingt nachfolgen wollte, schickt er in sein Dorf zurück, damit er dort bleibt und von Gottes guten Taten erzählt. (Lukas 8,39) Auch der Zöllner Zachäus bleibt, wo er ist, und tut mit seinem Geld Gutes dort, wo er arbeitet und lebt. (Lukas 19) Christsein - jeder an seinem Platz

Vor allem unser Reformator Martin Luther hat das in seiner damaligen Zeit betont. Die Kirche seiner Zeit predigte sehr mißverständlich, daß man am besten Mönch werden müßte, um vor Gott gerecht zu sein. Und Martin Luther kommt, auch aufgrund seiner eigenen Biographie, zu der Überzeugung, daß jeder gläubige Mensch Gott an dem Platz, wo er im Leben steht, dienen kann. Auch was die Magd im Stall und die Mutter an der Wiege ihres Kindes tun, ist nach seinen Worten Gottesdienst. Helfen – und doch nicht zu kurz kommen

Und so habe ich auch keine Skrupel, diesen unnötigen Stolperstein herauszunehmen und die Worte ein wenig umzuformen: 29 Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der sich für andere einsetzt um des Reiches Gottes willen, 30 der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Fast so, wie es heute im Evangelium hieß: "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen." Und mit "das alles" meinte Jesus die Sorge, was aus dem nächsten Tag und der Zukunft wird.

"Gutes tun tut gut." Jesus verspricht, daß nichts von dem Guten, das um Gottes, der Menschen und der Gerechtigkeit willen getan wird, umsonst getan ist. "Vielfach" soll nach seinen Worten es jemand schon "in dieser Zeit" zurückerhalten.

Gott sei Dank haben das Menschen so oft erlebt, daß es auch in die Sprichwörter und Lebensweisheiten der deutschen Sprache eingegangen ist: Daß alles, was man mit warmen Händen gibt, irgendwie auch wieder zu einem zurückkommt, wissen viele. Daß nichts Gutes umsonst getan ist, auch wenn es auf den ersten Blick so vielen Enttäuschungen gibt, kann man immer wieder hören. Und die Freude, die ins eigene Herz zurückkehrt, haben auch schon viele erleben dürfen.

Und auch davon wissen Menschen, daß der Einsatz für Gottes Reich auch in der zukünftigen, kommenden Welt nicht vergessen sein wird. Wir wissen nicht, wie das ist, wenn sich einmal jemand vor Gott verantworten muß. Wenn jemand z.B. einen Angehörigen gepflegt hat, soweit es die eigene Kraft zuließ, der darf in dieser Hinsicht auch einmal getrost und mit gutem Gewissen aus dieser Welt abtreten. Natürlich nicht so fordernd und mit stolz erhobenem Haupt wie der Pharisäer in jenem Gleichnis: "Schau hin, lieber Gott, was ich alles geleistet habe!" Sondern dankbar und beruhigt, daß man die Kraft dazu bekommen hat. "Gutes tun tut gut." Gutes tun tut gut

Sicher, Gutes soll nicht in erster Linie deswegen getan werden, damit man selber etwas zurückbekommt. Aber, daß man etwas zurückbekommt, das hat Gott gut eingerichtet. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de