Evang.-Luth. Kirchengemeinde Bayreuth-Auferstehungskirche

Die Predigt vom Bibelsonntag 30. Januar 2000: »Was zählt am Ende?«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

  Nach der Ordnung des Kirchenjahres zählte der vergangene Sonntag als 4. Sonntag nach Epiphanias. Die Evangelische Kirche lädt jedoch ein, den letzten Sonntag im Januar außer der Reihe als „Bibelsonntag“ zu begehen. Als Text dazu wurde der Psalm 1 vorgeschlagen:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
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Glaube und Leben.)

  1 Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, 2 sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! 3 Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl. 4 Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. 5 Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. 6 Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht.

Predigt

  Die Welt ein Supermarkt

"Was bringt's?" wird heute gerne gefragt bei der Riesenauswahl, die ein Mensch hat. Die Welt ist zum Supermarkt geworden: Nicht nur Waren wie im Supermarkt. Sondern auch: Fernsehprogramme wie im Supermarkt. Freizeitangebote wie im Supermarkt. Sekten und Religionen wie im Supermarkt. Und am Ende sogar menschliche Beziehungen wie im Supermarkt. Heute hier, morgen dort. "Was davon bringt's?"

"Was bringt's?" Die Frage gehört zu Recht in die heutige Zeit. Man kann ja um seiner Seele willen nicht alles konsumieren und nicht alles probieren. "Was bringt'?" Mit biblischen Worten würde man die Frage vielleicht ein wenig anders formulieren: Worauf kann man sich wirklich verlassen? Was trägt? Was gibt festen Boden unter die Füße? Was macht wirklich glücklich?

Der Psalm 1 vom „wahrhaft glücklichen Menschen“

"Der wahrhaft glückliche Mensch." So wird in einer Bibelübersetzung dieser Psalm 1 überschrieben. Er antwortet auf seine Weise auf diese Frage "Was bringt's?":

3 Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.

Das wäre doch was: Leben wie ein Baum. Fest stehen wie ein Baum. Seine Wurzeln halten ihn. Kein Wintersturm, ob er nun Lothar, Florian oder Kerstin heißt, kann ihm etwas anhaben. Er steht in der Nähe eines Baches. Seine Wurzeln finden Wasser. Und auch in trockenen Zeiten findet er so viel davon, daß seine Blätter nicht welken. Und mit dem Wasser bekommt er alles, was er braucht. Wenn es Zeit ist, trägt er Früchte. Er lebt nicht umsonst. Sein Dasein hat Sinn.

Was trägt mich? Wo sind meine Wurzeln?

"Und was er macht, das gerät wohl." Der Baum? Kann man so von einem Baum reden? "Was er macht, das gerät wohl." Auch der letzte merkt: Es geht nicht um einen Baum. Es geht um den Menschen. Es geht um mich. Was ich anfange, das gerät wohl. Was ich anfange, gelingt. Was ich anfange, trägt Früchte und hat ein gutes Ende. Das wäre schön, oder?

Und vor allem: Das Gegenteil wünsche ich mir nicht: "Wie Spreu sein, die der Wind verstreut." Die Spelzen, die man damals nach dem Dreschen zusammen mit den Getreidekörner hochwarf, damit der Wind "die Spreu vom Weizen trennt". Wie Spreu sein im Wind: haltlos, ruhelos, flüchtig, trocken, nur äußere Schale, ohne Inhalt. Kommt uns nicht mancher Mensch so vor?

Leben wie ein Baum

Dagegen das andere: Leben wie ein Baum: Sinn, Kraft und Zufriedenheit finden, so wie der Baum mit seinen Wurzeln das Wasser. Leben wie ein Baum: Fest stehen, fest verwurzelt sein, daß einen die Stürme des Lebens nicht umwerfen und entwurzeln können. Die Krankheit, das Mißlingen, die Frustration, die Angriffe von außen.

Leben wie ein Baum: Nicht welk und müde werden. Im Saft bleiben und grünen.

Leben wie ein Baum: Frucht bringen. Am Ende einmal sagen können: "Ich habe nicht umsonst gelebt." Am Ende nicht fragen müssen: "Wozu jetzt das alles? Für wen habe ich mich geplagt?"

Wer ist wie ein solcher Baum? 1 Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, 2 sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!

Bibel: Gesetz oder Weisung?

"Lust haben am Gesetz des Herrn." Da hat Martin Luther aus unserer heutigen Sicht ein wenig unglücklich übersetzt. "Freude finden an den Weisungen des Herrn." so schreibt die sog. "Gute Nachricht", die Bibel im heutigen Deutsch. "Gesetz" hat für viele so einen negativen Klang. Wenn einer die Bibel einseitig als Gesetz empfindet, das ihn nur einschränkt und gängelt, dann ist der Weg nicht weit zum bekannten 11. Gebot: "Du sollst dich nicht erwischen lassen."

Die Worte der Bibel sind Einladung, Weisung, Wegweisung in einem guten Sinn. Wer ein Ziel erreichen will, braucht Wegweiser. Und wenn er wirklich dorthin kommen will, wird er den Wegweisern auch gerne folgen.

Das ist die erste Voraussetzung, wenn jemand wirklich mit Gewinn die Bibel lesen will: Die Worte nicht als Muß und Zwang verstehen, sondern als Einladung. Nicht mit Druck herangehen, sondern mit Lust. Denn wer mit Druck an etwas herangeht, der wird auch sehen, wie er sich drücken kann. Wer mit Freude und Lust herangeht, der entdeckt auch etwas. Aber das ist ja im ganzen Leben so: Wenn ich von Haus aus an eine Sache oder an einen Menschen mit Unlust, oder mit Ablehnung oder aus reinem Pflichtgefühl herangehe, dann brauche ich mit nicht zu wundern, wenn nichts zurückkommt, wenn kein Gespräch entsteht, wenn ich nicht bereichert werde.

Tag und Nacht die Bibel lesen?

Und die zweite Voraussetzung, wenn jemand mit Gewinn Bibel lesen will: (Er) hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! Tag und Nacht die Bibel lesen? Nicht einmal die Mönche lesen Tag und Nacht. Und gibt's der Herr deine Seinen nach der Bibel nicht im Schlaf?

Es ist nicht wörtlich gemeint. "Tag und Nacht", das kann ein Bild sein für "immer". "Tag und Nacht", das kann ein Bild sein für die hellen und dunklen Stunden des Lebens: daß man nicht nur nach der Bibel greift, wenn man sie als den letzten Strohhalm braucht.

"Tag und Nacht". Das kann auch heißen: Mit einzelnen, wenigen Bibelworten ganz vertraut werden, sich auf sie konzentrieren, sie verinnerlichen, daß sie dann im Unterbewußtsein von alleine weiterwirken. Der eigene Konfirmationsspruch vielleicht, oder auch eine Jahreslosung oder überhaupt ein Lieblingswort.

Das Geheimnis des „guten Wortes“

Kennen Sie das? Sie wachen früh auf. Und da ist gleich ein Vers oder eine Melodie, die innerlich erklingt. So könnte es hier gemeint sein. Über einem Wort "sinnen Tag und Nacht." "Murmelnd lesen" steht im Alten Testament wörtlich. Ein gutes Wort so lange vor sich her murmeln, daß es ganz von alleine in einem weitermurmelt. Und deswegen ist es um dieser inneren Hygiene willen nicht gleichgültig, wie jemand's Tag endet: Wer Hektik, Gedröhne, Mord und Totschlag, oder auch nur Seichtes und Schlüpfriges in seinen Schlaf hineinnimmt, der braucht sich nicht wundern, wie es im Unterbewußtsein weiterrumort, und wenn dann vielleicht der nächste Tag vom Aufwachen an unter einem schlechten Stern steht.

Wer keine Wurzeln hat, ist haltlos

Und um zu sagen, wie ernst es ist, beschreibt der Psalm 1 auch, wohin es führen kann, wenn jemand diese innere, die seelische Hygiene mit Füßen tritt, wenn jemand keinen Halt und keine Grundsätze hat. 4 Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut.

Die Gottlosen: Das sind in einem vordergründigen Sinn zum einen die Bösen, die Unmoralischen, die meinen, für sie gelten die Gesetze nicht, die sie selbst gemacht haben. Und das sind in einem tieferen Sinne auch die, die Gott-los sind, die ohne Gott zurechtkommen, aus eigener Kraft leben und nach ihren eigenen Gesetzen. "Spreu, die der Wind zerstreut." Das ist das Gegenteil des Baumes, der fest verwurzelt steht. Die Spreu bläst schon der kleinste Wind davon. Der Baum steht auch noch im Sturm. Ortsfest und prinzipientreu ist der Baum, haltlos und flüchtig die Spreu. Gelb, trocken und leblos ist sie, der Baum aber grün, saftig und lebendig. Und wenn der Wind die Spreu vom Weizen trennt, wird offenbar, was bleibt, und was davonfliegt.

Die Politiker und die Zehn Gebote

"Spreu, die der Wind verstreut." Ich will mich nicht zum Richter erheben, aber ich kann nicht umhin, daß mich dieser Satz auch erinnert an die, die sich in ihrem politischen Handeln vom 11. Gebot haben leiten lassen: "Du sollst dich nicht erwischen lassen." ist ihnen wichtiger gewesen als "Du sollst nicht stehlen." "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden." "Du sollst nicht ehebrechen." Und nun fährt auf einmal ein Wind hinein und trennt Spreu vom Weizen. Und aus Ehrenmännern werden Menschen, an deren Seite man sich nicht mehr sehen lassen will. Der politische Aussatz geht um. Menschen müssen sich verstecken. Ihre Taten holen sie ein, noch lange, bevor ein Gericht sie eingeholt hat. Sie mögen ihr Schäfchen im Trockenen haben. Doch was hilft Geld, wenn Ehre und Reputation verweht sind "wie Spreu, die der Wind verstreut".

Vor der eigenen Tür kehren

5 Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. 6 Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht.

Aber noch einmal allen Ernstes: Nicht richten, denn Gott richtet. Und vor allem auch: Nicht nach diesem Psalm vorschnell die Welt in Gute und Böse einteilen. Die Gefahr ist groß, daß man sich selbst automatisch auf der Seite der Guten und ganz bestimmte andere auf der Seite der Bösen wiederfindet. Die Größenordnungen mögen gewiß unterschiedlich sein. Aber sollte auf dem Geld, das der kleine Mann dem Finanzamt verschweigt, oder das er durch Schwarzarbeit verdient oder erspart hat, mehr Segen liegen als auf den Millionen der Großen?

Am Ende wieder zurück zum Beginn, damit das Bild zurecht gerückt wird: Auch wenn der Psalm 1 so warnend endet, ist er doch insgesamt ein Psalm, der Mut macht und einlädt, andere Wege zu beschreiten, Wege, auf denen Segen liegt. Und darauf soll mehr Gewicht liegen als auf dem Mißlingen.

(Wer) Lust (hat) am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! 3 Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.

"Mach in mir deinem Geiste Raum, daß ich dir werd ein guter Baum, und laßt mich Wurzel treiben. Verleihe, daß zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben." (Paul Gerhardt, Geh aus mein Herz) Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de