Evang.-Luth. Kirchengemeinde Bayreuth-Auferstehungskirche

Die Predigt vom 6. Februar 2000: »Gott kann auch auf krummen Zeilen gerade schreiben«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

  Die Evangelische Kirche beging den 5. Sonntag nach Epiphanias. Er hat zum Thema, daß Gott Licht in die dunklen Geschäfte der Menschen bringt, und sich keiner vor ihm verstecken kann. Da dieser Sonntag nur selten (nur bei einem sehr späten Ostertermin) vorkommt, existieren nur wenige Predigttextvorschläge. Ich habe das Evangelium aus Matthäus 13 ausgewählt:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
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Glaube und Leben.)

  24 (Jesus) legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. 26 Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. 27 Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? 28 Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, daß wir hingehen und es ausjäten? 29 Er sprach: Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. 30 Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune.

Predigt

  Ein überraschender Brief ...

Es ist schon einige Jahre her: Da habe ich von einem Bekannten einen Brief bekommen, von dem ich seit längerer Zeit nichts mehr gehört hatte. Der Brief hat mich sehr gefreut. Wir hatten Jahre davor manches gute und tiefe Gespräch miteinander geführt, weil wir beide je auf unsere Art auf der Suche nach dem Sinn des Lebens waren. Dann haben wir verschiedene Wege eingeschlagen: Ich hatte angefangen, Theologie zu studieren. Er interessierte sich vor allem für geheimnisvolle Dinge wie Parapsychologie und auch für fremde, nichtchristliche Religionen.

Daß wir auf verschiedenen Wegen waren, lag in erster Linie daran, daß er im Gegensatz zu mir als Kind und Jugendlicher mit seiner Kirche schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Daß das bei ihm die katholische Kirche war, tut nichts zur Sache, denn enttäuschende Erfahrungen kann man, gerade als Jugendlicher, auch in unserer Kirche machen. So konnte er bei den Fragen, die ihn umgetrieben haben, mit der Sprache seiner Kirche nichts anfangen. Sie war ihm altmodisch und fremd. Er sah auch deutlich die Schwächen seiner Kirche und mancher Priester und Gemeindeglieder. Das alles hinderte ihn zu dieser Zeit daran, auf dem Weg des christlichen Glaubens den Sinn für sein Leben zu finden. Er akzeptierte meinen Weg zwar, aber er konnte ihn eigentlich doch nicht so recht verstehen.

Abgeschrieben?

Seitdem hatte ich ihn, auch bedingt durch das Studium, aus den Augen verloren. Und im Rückblick hatte ich wohl auch gar keine rechte Hoffnung, daß wir einmal auf einen gemeinsamen Weg zurückfinden könnten. Und dann kam dieser Brief.

Er schrieb, er habe bei seiner Suche nun auf vielen Umwegen Kontakt zu einer Gruppe von Christen gefunden. Und diese Begegnung habe bei ihm sehr viel verändert. Sie habe ihm zu seiner Kirche zurückgeholfen. Wie diese Menschen in seinem Alter ihren Glauben in ihrem täglichen Leben praktizierten, das hatte auf ihn einen tiefen Eindruck gemacht und ihn überzeugt. Er hatte das Gefühl, daß da nicht nur von christlicher Liebe geredet wird, sondern daß sie auch gelebt wird.

Jesus und das „Himmelreich“

Warum erzähle ich Ihnen das? Ich bin der Meinung, daß dieses vergangene Erlebnis etwas mit dem heutigen Predigttext zu tun hat. Der Text erzählt davon, daß man niemals für einen Menschen die Hoffnung aufgeben darf, was seinen Glauben und was Gott angeht. Er warnt uns davor, einen Menschen vorschnell zu abzuschreiben.

Jesus erzählt ein Gleichnis vom "Himmelreich". Was bedeutet das: Himmelreich? Damit ist nicht ein fernes Land über den Wolken gemeint, in dem weit weg von uns der liebe Gott wohnt. "Reich der Himmel", so steht wörtlich da, ist nur ein anderer Ausdruck für "Reich Gottes", besser übersetzt "Herrschaft Gottes". Reich Gottes, Himmelreich, ist also dort, wo ein Mensch mit Gott in Berührung kommt und ihn seinen Herrn sein läßt. Gott seinen Herrn und Vater sein lassen, das bedeutet: Sich darauf verlassen, daß er es gut mit einem meint; ihm die Sorgen und Ängste anvertrauen. Das bedeutet aber auch: danach zu fragen, was sein Wille ist. Hören Sie Worte aus dem Matthäusevangelium, wie das ist mit dieser Gottesherrschaft:

24 (Jesus) legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. 26 Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. 27 Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? 28 Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, daß wir hingehen und es ausjäten? 29 Er sprach: Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. 30 Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune.

Wie Glaube entsteht - oder auch nicht

Ein Mensch begegnet Gott und Gott begegnet einem Menschen. Das ist so ähnlich, sagt Jesus, wie wenn ein Bauer Samenkörner ausstreut. Sie fallen ohne Unterschied überall hin. Gott bietet sich jedem Menschen ohne Unterschied an. Gott lädt jeden Menschen ein, es mit ihm auszuprobieren. Das kann einem auf verschiedene Weise begegnen.

Wie war das bei Ihnen? Sind Sie Gott schon als Kind im Kindergottesdienst oder im Religionsunterricht begegnet? War es das Vorbild der Eltern oder einer frommen Großmutter? Das Vorbild von glaubwürdigen Menschen, denen Sie begegnet sind? Waren es vielleicht Erlebnisse im Krieg oder auf der Flucht? Erlebnisse mit einer schweren Krankheit? Mit Sterben oder Tod? Erlebnisse der Erschütterung oder der Bewahrung?

Gottes Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen - im Bild: Samenkörner des Glaubens auszustreuen - gibt es wohl so viele, wie es Menschen gibt. Aber eines steht fest: Jedem wird immer wieder neu dieses Angebot gemacht. Aus diesem Grund bringen wir auch guten Gewissens kleine Kinder zur Taufe, auch wenn wir wissen, daß sie selber noch nichts begreifen können. Gottes Angebot ist erst einmal unabhängig von unserer Entscheidung. Und wichtig ist nicht so sehr, wann es angenommen wird, sondern ob überhaupt.

Was den Glauben hindern kann

Wie kommt es aber nun, daß diese Gute Botschaft so verschieden bei den Menschen ankommt - im Bild: daß die Saat des Glaubens so verschieden aufgeht? Jesus sagt es wieder in einem Bild: Es kommt ein Feind Gottes, der zwischen dem Weizen Unkraut sät. Das heißt doch: Es gibt Gegenkräfte gegen die Einladung zum Glauben. Es gibt viele Dinge, die den Schritt zum Glauben ernsthaft behindern oder gar versperren können.

Im allgemeinen sieht das so aus, daß Menschen sich weniger an Gott, sondern mehr an der Gestalt der Kirche stoßen. Sie haben, wie man manchmal ein wenig spaßig sagt, Schwierigkeiten mit Gottes Bodenpersonal, und die werden dann auf das Ganze übertragen. Den Parteien geht es im Moment ja ganz genauso. Weil einzelne Fehler gemacht haben, weil Einzelne Vertrauen verspielt haben, weil Einzelne sich offenbar bereichert haben, wächst zu Unrecht die Parteienverdrossenheit insgesamt. Politiker ist schon bald pauschal ein Schimpfwort geworden.

Wenn der Glaube versickert

In der Kirche können Jugendliche schlechte Erfahrungen mit einem Pfarrer oder Religionslehrer machen. Erlebnisse, die sie lange Zeit von der Gemeinde wegbringen. Oder es kommt vor, daß man eine Enttäuschung erlebt mit einem Menschen, der sich als Christ versteht und das auch betont. Das kann dann lange vorhalten. Da müssen dann viele positive Erlebnisse mit anderen Christen hinzukommen, um dieses eine wieder aufzuwiegen.

Oder der Glaube versickert ganz einfach unmerklich, weil man zwar keine Enttäuschung erlebt, aber auch kein gutes, einladendes Beispiel. Irgendwie geht es auch ohne. Und es geht ganz gut.

Grenzen ziehen!?

Wer nicht weiß oder wer nicht wahrhaben will, daß es solche unverschuldete Hindernisse auf dem Weg zum Glauben gibt, der wird leicht solche Forderungen aufstellen wie die Knecht des Hausvaters im Gleichnis: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? ... Willst du denn, daß wir hingehen und es ausjäten?

Es gibt Gruppen und Gemeinschaften innerhalb und außerhalb unserer Kirche, die am liebsten solche Grenzlinien ziehen würden: Saubere Grenzlinien zwischen wahren Christen und falschen Christen. Zwischen denen, die es ernst meinen, und denen, die doch ehe nur aus Gewohnheit in die Kirche kommen. Am besten eine eigene Gemeinschaft aufmachen, und nur die hereinlassen, die man sich aussucht.

Im Grunde genommen ist ja etwas Wahres dran. Es gibt Unkraut in dem vielfältigen Garten der christlichen Kirche. Es gibt Unkraut auch in unserer Gemeinde. Wie viele sind getauft, wie viele sind konfirmiert, wie viele halten sich im Alltag und am Sonntag zu Gott? Da kann einem schon manchmal die Frage kommen: Wäre es nicht ehrlicher, deutliche und klare Grenzen zu ziehen?

Sag niemals nie ...

Der Hausherr im Gleichnis sagt: Nein, wie wollt Ihr, solange beides noch grün ist, wirklich genau unterscheiden? Oder wir wollt Ihr das, was so eng verschlungen miteinander wächst, wirklich trennen? Würdet Ihr nicht, wenn Ihr wie die Elefanten durch das Feld trampelt, mit jedem Unkraut auch zwei Weizenhalme zertreten? Jesus untersagt in Gottes Namen, solche Grenzziehungen in der Gemeinde vorzunehmen. Er möchte nicht, daß Menschen sich das Recht anmaßen, zu beurteilen, wer ein rechter Christ ist und wer nicht. Allzu schnell stellt man sich dann automatisch auf die Seite der Guten und ganz bestimmte andere auf die Seite der Bösen. Vor allem aber möchte Gott nicht, daß wir Menschen vorschnell abschreiben und meinen, sie könnten nie mehr den Weg oder Rückweg zur Gemeinde oder zu Gott finden. Es darf für einen Menschen niemals ein "nie" geben. Gott kann auch auf krummen Zeilen gerade schreiben, so sagt einmal ein christlicher Denker.

... auch nicht zu dir

Und vor allem: Wer sagt uns, daß es uns nicht auf einmal persönlich betrifft? Wer kann schon von sich sagen, daß sein Glaube so gefestigt ist, daß er jede denkbare Erschütterung ertragen wird? Vielleicht wird Gott uns einmal fremd werden, z.B. durch einen unerwarteten Schicksalsschlag.

Zuletzt: Wenn es uns auch nicht zusteht, ein Urteil darüber zu fällen, wie ein Mensch zu Gott steht, dann heißt das aber noch lange nicht, daß es egal wäre. Es kommt einmal der Zeitpunkt der Ernte, sagt Jesus in dem Gleichnis. Es kommt einmal der Zeitpunkt, wo Gott sich anschauen wird, was gewachsen ist. Es kommt der Zeitpunkt, wo Gott Weizen und Unkraut voneinander trennt. Wir würden nur das halbe Evangelium verkündigen, wenn wir das weglassen würden. Aber ich bin heilfroh, daß ich darüber nicht nachzusinnen habe, und daß ich diese letzte Entscheidung Gott überlassen darf. Und so lange halte ich für andere und für mich fest an dem Glauben, daß Gott für jeden Menschen und auch für mich einen Weg weiß, der zu ihm hinführt.

1. Ich möchte Glauben haben, der über Zweifel siegt, der Antwort weiß auf Fragen und Halt im Leben gibt.

2. Ich möchte Hoffnung haben für mich und meine Welt, die auch in dunklen Tagen die Zukunft offenhält.

3. Ich möchte Liebe haben, die mir die Freiheit gibt, zum andern ja zu sagen, die vorbehaltlos liebt.

4. Herr, du kannst alles geben: daß Glauben in mir reift, daß Hoffnung wächst zum Leben und Liebe mich ergreift.

( Evangelisches Gesangbuch Lied Nr. 622)

Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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