Evang.-Luth. Kirchengemeinde Bayreuth-Auferstehungskirche

Die Lied-Predigt vom 13. Februar: »Gott redet zu mir«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

  Die Evangelische Kirche beging am Sonntag den Letzten Sonntag nach Epiphanias, mit dem die Weihnachtszeit endgültig abschließt. Er handelt vom Licht Gottes, das in die Dunkelheit des menschlichen Lebens hinein scheint. Dieses Thema prägt auch das Morgenlied „Er weckt mich alle Morgen“. Es wurde vom Chor gesungen und in der Predigt ausgelegt.

Predigttext

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Glaube und Leben.)

  1. Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor, daß ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht. Schon an der Dämmrung Pforte ist er mir nah und spricht.

2. Er spricht wie an dem Tage, da er die Welt erschuf. Da schweigen Angst und Klage; nichts gilt mehr als sein Ruf. Das Wort der ewgen Treue, die Gott uns Menschen schwört, erfahre ich aufs neue so, wie ein Jünger hört.

3. Er will, daß ich mich füge. Ich gehe nicht zurück. Hab nur in ihm Genüge, in seinem Wort mein Glück. Ich werde nicht zuschanden, wenn ich nur ihn vernehm. Gott löst mich aus den Banden. Gott macht mich ihm genehm.

4. Er ist mir täglich nahe und spricht mich selbst gerecht. Was ich von ihm empfahe, gibt sonst kein Herr dem Knecht. Wie wohl hat's hier der Sklave, der Herr hält sich bereit, daß er ihn aus dem Schlafe zu seinem Dienst geleit.

5. Er will mich früh umhüllen mit seinem Wort und Licht, verheißen und erfüllen, damit mir nichts gebricht; will vollen Lohn mir zahlen, fragt nicht, ob ich versag. Sein Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.

Predigt

  Die entscheidende Stunde des Tages

„Die großen Lehrer der Meditation und des geistlichen Lebens weisen uns immer wieder auf die erste Morgenstunde hin und sagen: Nimm den Anfang des Tages wahr, er ist die Stelle, an der du die Ewigkeit berührst. In der Tat wäre uns in vielen Nöten und Krankheiten des Leibes und der Seele geholfen, wenn es uns gelänge, die erste Morgenröte von Eile, von Lärm und Ärger freizuhalten. Der Lauf des Tages hängt im allgemeinen nicht von unseren persönlichen Vorstellungen ab. Er wird uns aufgezwungen. Aber der Anfang sollte uns gehören.“ (Jörg Zink, Gesangbuch Nr. 841)

Worte von Jörg Zink in unserem Gesangbuch unter dem Abschnitt "Am Morgen". Den ersten Moment des Tages um der eigenen Seele willen freihalten für die Stille: Mit einem Gebet beginnen oder einem Bibelwort. Der Liederdichter Jochen Klepper hat so gelebt. Sein Morgenlied "Er weckt mich alle Morgen" hat der Chor zu Beginn gesungen. Jochen Klepper erzählt darin, wie sein Morgen aussieht.

Jochen Klepper und das Lied

Am Dienstag der Karwoche 1938 ist dieses Lied entstanden. Ein schweres Jahr für Jochen Klepper. Die Anfeindungen gegen ihn werden immer größer. Erst hat er als Journalist und dann als Schriftsteller Arbeitsverbot erhalten. Die beiden Töchter, die seine jüdische Frau Hanna verwitwet mit in die Ehe gebracht hat, sollen in ein Lager kommen. Ein Jahr später kann die ältere ins Ausland fliehen. Als für die andere endgültig keine Rettung mehr in Sicht ist, geht die Familie im Jahr 1942 gemeinsam in den Tod.

Das alles muß man wissen, wenn man von dem Dunkel liest, das in den zwölf Klepperliedern unseres Gesangbuchs auf Schritt und Tritt begegnet. Doch wie Gott und sein Wort immer auch wieder Licht in dieses Dunkel bringen, davon singt dieses Morgenlied. Entstanden ist es nach Worten des Propheten Jesaja im 50. Kapitel. In diesen Worten hat Klepper sich offenbar selbst wiederentdeckt:

4 ... Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, daß ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, daß ich höre, wie Jünger hören. 5 Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. ... 7 Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. ... 8 Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? (Jesaja 50,4-8)

Erst einmal hören

1. Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor, daß ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht. Schon an der Dämmrung Pforte ist er mir nah und spricht.

Alle Morgen, nachdem ihn Gott geweckt hat, hat Jochen Klepper - so lesen wir es in seinem Tagebuch - auf die Losungen gehört. Da hat er sich Gottes Zusage geholt für den Tag, der vor ihm lag. Mit "er" beginnen alle Strophen dieses Liedes. Gott ist am Morgen des Tages der Handelnde. Der Mensch kann sich nur beschenken lassen. Gott läßt es Morgen werden. Er führt den Tag empor und läßt die Sonne aufgehen. Mit der frechen Zuversicht beginnt Klepper den Tag, als seien Gott und der neue Tag nur für ihn da. Gott dient ihm. Das ist der Tenor dieses Liedes. Gott dient ihm, indem er ihm "an der Dämmrung Pforte", auf der Schwelle zum neuen Tag, sein ermutigendes Wort schenkt. Und weil das Hören am Morgen nicht von alleine geht, öffnet Gott ihm sogar das müde Ohr. Wer den Tag so beginnt, wer hinhört, vor dem hält sich Gott nicht verborgen. Genauso wollen die Losungen oder ein anderes Bibelwort gelesen werden: als persönliches Wort an mich. Gott hat mir etwas zu sagen.

Gott ist treu

2. Er spricht wie an dem Tage, da er die Welt erschuf. Da schweigen Angst und Klage; nichts gilt mehr als sein Ruf. Das Wort der ewgen Treue, die Gott uns Menschen schwört, erfahre ich aufs neue so, wie ein Jünger hört.

Jeder Morgen ist wie eine neue Schöpfung. Das Dunkel der Nacht muß dem Licht des Tages weichen. So hat Gott damals die Welt aus dem Dunkel, aus dem Nichts, aus dem Chaos ins Licht gerufen. Angst und Klage hat die Nacht mit sich gebracht. Vielleicht haben sie Jochen Klepper durch den Schlaf und die Träume begleitet. Doch jetzt müssen sie schweigen. Die Stimme Gottes, sein Ruf, ist wichtiger als die anderen Stimmen. Nur das hilft offenbar nach einer durchwachten Nacht, nach den Tränen, die still in das Kopfkissen geweint wurden: Neu hören, daß Gott sagt: Ich bin dir treu! Hören und es auf sich selbst beziehen. Seine Treue mag allen Menschen gelten. Doch jetzt ist wichtig, daß sie mir gilt. Den Tag beginnen, als wäre Gott in diesem Moment nur für mich da.

Hören und dann horchen

3. Er will, daß ich mich füge. Ich gehe nicht zurück. Hab nur in ihm Genüge, in seinem Wort mein Glück. Ich werde nicht zuschanden, wenn ich nur ihn vernehm. Gott löst mich aus den Banden. Gott macht mich ihm genehm.

Gott redet im ersten Moment des neuen Tages. Das ist nicht nur Trost und Treuezusage. Er will auch etwas von mir. Er hat an diesem Tag etwas mit mir vor. Wer weiß, was kommen mag. Wer weiß, welche Angriffe bevorstehen. Wer weiß, welche Zwänge und Bindungen da sein werden. Wenn ich auf ihn höre, kann es nicht danebengehen. So hieß es bei Jesaja, der angefeindet war:

5 Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. ... 7 Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden.

Entscheidend für den neuen Tag ist nicht, ob ich anderen Menschen genehm bin, sondern ob ich Gott genehm bin. Und dann dieser überraschende Gedanke Jochen Kleppers: Ich muß mich nicht Gott genehm machen. Ich kann es wohl auch gar nicht. Er macht es selbst.

Gott stellt die Welt auf den Kopf

4. Er ist mir täglich nahe und spricht mich selbst gerecht. Was ich von ihm empfahe, gibt sonst kein Herr dem Knecht. Wie wohl hat's hier der Sklave, der Herr hält sich bereit, daß er ihn aus dem Schlafe zu seinem Dienst geleit.

Wieder die Erinnerung an die Angriffe gegen ihn. Doch egal, was Menschen sagen mögen, Gott spricht ihn gerecht. Gott ist auf seiner Seite. Gegen alle menschliche Vernunft dient er ihm: Der Herr dient dem Knecht. Der Schöpfer dient seinem Geschöpf. Das erinnert an ein Wort Jesu aus dem Lukasevangelium:

Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. (Lukas 12,37)

So sagte einmal der ehemalige Bayerische Landesbischof Hermann Bezzel sinngemäß: "Ein Christ ist ein Mensch, der seine Abhängigkeit von Gott als Glück bezeichnen kann."

Das Licht siegt über die Dunkelheit

5. Er will mich früh umhüllen mit seinem Wort und Licht, verheißen und erfüllen, damit mir nichts gebricht; will vollen Lohn mir zahlen, fragt nicht, ob ich versag. Sein Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.

Das Wort Gottes, das einem am Morgen zugesprochen wird, ist wie ein Mantel, der einen umhüllt und den Tag über begleitet. Was ein Losungswort oder ein anderes Gotteswort verspricht, das wird Gott auch erfüllen. Ein Bibelwort will so gehört werden, als gelte es einem ganz persönlich. Jochen Klepper fühlt sich im Dienste Gottes. Vollen Lohn wird er ihm zahlen. Das erinnert an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, das Jesus erzählt. Da werden den ganzen Tag über Tagelöhner, die auf eine Arbeit warten, angestellt: Die einen schon von morgens an, die nächsten vormittags und mittags, die letzten erst eine Stunde vor Arbeitsschluß. Und beim Auszahlen des Lohns am Abend erhalten auch sie den ganzen Tageslohn, der damals nötig war, eine Familie zu ernähren. So großzügig ist Gott, sagt Jesus. So großzügig ist Gott auch zu mir. Darauf verläßt sich Jochen Klepper.

Und von daher, von dieser Morgenstunde her, kann der Tag noch so dunkel werden. Gottes Zusagen, sein Wort, seine Versprechen, sein Ja sind heller. Dieser Kerngedanke begegnet in vielen Klepperlieder.

Denken Sie an das Adventslied "Die Nacht ist vorgedrungen" (EG 16): 4. Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.

Oder aus seinem Abendlied "Ich liege, Herr, in deiner Hut" (EG 486): 10. Sind nun die dunklen Stunden da, soll hell vor mir erstehen, was du, als ich den Weg nicht sah, zu meinem Heil ersehen.

Oder aus einem weiteren Abendlied, das nicht in unserem Gesangbuch steht, mit dem Titel "Trostlied am Abend": 1. In jeder Nacht, die mich bedroht, ist immer noch dein Stern erschienen. Und fordert es, Herr, dein Gebot, so naht dein Engel, mir zu dienen. In welchen Nöten ich mich fand, du hast dein starkes Wort gesandt.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de