Evang.-Luth. Kirchengemeinde Bayreuth-Auferstehungskirche

Die Predigt vom 23. November 2003 (Ewigkeitssonntag):
»Ich würde sie hereinlassen«

Kirchenjahr
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Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Letzten Sonntag des Kirchenjahrs (Ewigkeitssonntag). Er wird in unserer Gemeinde auch als Gedenktag der Entschlafenen (Totensonntag) begangen. Sein Thema ist das Ende unseres persönlichen Lebens und die Zukunft der Welt. Evangelium und Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war Jesu Gleichnis von den klugen und törichten Brautjungfern in Matthäus 25:
Predigttext
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Der Predigttext
25 1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst. 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wißt weder Tag noch Stunde.
Predigt
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Die Predigt
Beerdigung mit Pauken und Trompeten

Vielleicht haben Sie schon einmal einen Bericht gesehen oder gehört, wie bei den Christen in Schwarzafrika oder auch bei den schwarzen Christen in Nordamerika eine Beerdigung begangen wird: Nachdem man viel intensiver und öffentlicher als bei uns in Westeuropa seinen Schmerz und seine Trauer hinausgeschrien hat, feiert man die Beerdigung geradezu mit Pauken und Trompeten, mit Blasmusik im Leichenzug, mit Feststimmung, ja oft auch mit weißen, festlichen Kleidern.

Was geschieht da? Nur am Anfang schaut man auf den eigenen Verlust. Auf das, was nun nicht mehr ist und was man nie mehr zurückholen kann. Und man tut es ganz intensiv. Schmerz und Trauer brauchen ein Ventil. Weinen ist erlösend. Wenn zu viel nur nach innen geht, richtet es Schaden an. Doch dann richtet sich bei der Beerdigung der Blick ganz auf die Verstorbene oder den Verstorbenen und wie es ihr oder ihm nun geht: Ein Mensch ist zu Gott zurückgekehrt. Er ist zu Hause. Er ist erlöst. Mühe und Arbeit, Krankheit und Tränen zählen für ihn nicht mehr. Ganz egal, wie es ihm auf der Erde gegangen sein mag, bei Gott geht es ihm gut, unvorstellbar gut. Wer wollte es ihm nicht gönnen? Wer wollte sich nicht darüber freuen, dass er das nun erreicht hat? Müsste das nicht wichtiger sein als der eigene Schmerz und Verlust?

Der Tod als Freudenfest?

Ähnlich redet Jesus in seinem Gleichnis von den Zehn Brautjungfern. Er erzählt bildhaft davon, wie es ist, wenn Gott kommt, wenn Gott und Mensch sich begegnen und sich Auge in Auge gegenüber stehen. Natürlich meint Jesus hier Gottes Kommen am Ende der Zeiten. Aber gilt dasselbe nicht auch für einen Menschen, dessen irdische Zeit zu Ende geht? Wenn seine Zeit zu Ende ist, dann ist für ihn auch die Welt zu Ende, die Welt, die nur für uns Zurückbleibende noch weitergeht. Das Ende des eigenen Lebens und das Ende der Welt – sie fallen für einen Verstorbenen zusammen.

Wenn nun ein Mensch Gott begegnet, so sagt Jesus, dann ist das wie eine Hochzeitsfeier, wie ein Freudenfest. Tod ist Begegnung, Begegnung mit dem liebenden Gott. Dann wird irdisches Leid in Freude verwandelt, Ungerechtigkeit in Gerechtigkeit. Und wo hier auf der Erde nur ungelöste Fragen geblieben sind, wird es dort Auge in Auge mit Gott Antworten geben.

Die sogenannten Nahtod-Erfahrungen

Viele Menschen, die schon einmal klinisch tot an der Schwelle des Todes standen, und mit den Mitteln der heutigen Medizin wieder ins Leben zurückgeholt wurden, erzählen übereinstimmend von dem tiefen Frieden und dem überirdischen Glanz, den sie für einige Momente erfahren durften. Manche sagen ihren Rettern auch, dass sie ihnen geradezu böse waren, dass sie sie wieder ins Leben zurückholten. Gerne wären sie geblieben, wo sie waren.

Doch anders als uns das manche Zeitschriften und Fernsehsendungen weismachen wollen, sind das noch keine Berichte von dem Leben nach dem Tod. Einer, der klinisch tot gewesen ist, erzählt nicht von dem, was hinterher kommt, sondern nur von der Schwelle, auf der er stand. Er hat, so könnte man es bildlich sagen, nur ein wenig durch das weihnachtliche Schlüsselloch blinzeln dürfen. Der Schritt hinüber wäre dann endgültig gewesen. Aber – so darf man zumindest vorsichtig fragen: Wenn schon die letzten Eindrücke vor der Tür so friedvoll sind, was mag dann hinter der Tür kommen? Einen Verstorbenen bei Gott aufgehoben wissen, geborgen in seiner Nähe, befreit von Leid und Schmerz. Vielleicht helfen solche Gedanken beim Loslassen.

Es kann auch zu spät sein

Doch da ist noch etwas anderes in der Geschichte, die Jesus erzählt von der Hochzeit und den Brautjungfern. Es zeigt das doppelte Gesicht des heutigen Tages: Als Gedenktag der Entschlafenen richtet er unsere Augen auf die, die gegangen sind. Als Ewigkeitssonntag richtet er unsere Augen auf unser Ziel, das noch nicht erreicht ist.

Dass in der Geschichte nicht Frieden am Ende steht, sondern die Tür ins Schloss fällt und jemand draußen bleiben muss, das ist kein versöhnliches Ende und passt auch so gar nicht zu einer orientalischen Hochzeitsfeier, wo man alle mit offenen Armen empfangen hat.

... oder doch nicht?

Ein griechischer Schriftsteller hat die Geschichte anders zu Ende erzählt: "'Was würdest du tun, wenn du der Bräutigam wärst, Nathanael?", fragte Jesus und richtete seine großen dunklen Augen auf ihn. Nathanael schwieg. Er sah noch nicht ganz klar, was er tun sollte. Teils wollte er sie fortjagen, das Tor war ja verschlossen, so gebot es das Gesetz, teils taten sie ihm Leid und er wollte ihnen öffnen... 'Ich würde öffnen,' sagte er leise. 'Recht getan, Nathanael', sagte Jesus froh und streckte seine Hand aus, als ob er ihn segnete. 'In dieser Stunde bist du lebendigen Leibes ins Paradies eingegangen.' - Das gleiche tat auch der Bräutigam. Er rief den Dienern zu: 'Öffnet das Tor, dies ist eine Hochzeit. Alle sollen etwas trinken und fröhlich sein! Lasst die gedankenlosen Jungfrauen herein kommen und sich die Füße waschen, denn sie sind weit gelaufen.'"
(N.Kazantzakis, Die letzte Versuchung, 1988, S. 215f)

Dieser Ausgang der Geschichte würde mir besser gefallen. Auch dieser Jesus würde mir besser gefallen. Doch ich muss damit leben, dass es anders da steht: Von einer Hochzeitsfeier erzählt Jesus. Die Braut ist zuhause, umgeben von ihren Freundinnen. Die jungen Frauen machen sich fertig für die Ankunft des jungen Bräutigams. Vor dem Dorf schon wollen sie ihn empfangen, wenn er kommt, um die Braut zur Hochzeitsfeier in sein Haus abzuholen. Doch der Bräutigam verspätet sich unerwartet. Es wird dunkel und die Brautjungfern schlafen ein. Mitten in der Nacht ein Geschrei: Er kommt! Die jungen Frauen schrecken aus dem Schlaf hoch. Sie machen sich zurecht. Sie richten die abgebrannten Dochte ihrer Öllämpchen. (Andere Ausleger sagen, im Freien hätte man wohl eher Fackeln mit ölgetränkten Tüchern verwendet.) Doch erst jetzt merken einige, dass ihr Öl bald zu Ende geht. So bitten sie die anderen, ihnen etwas abzugeben. Doch sie müssen hören: Wenn wir jetzt teilen, reicht es für niemand, und wir stünden am Ende alle ohne Licht da. Und während die Unvorbereiteten neues Öl kaufen, kommt der Bräutigam, und die anderen geleiten ihn mit ihren Lampen ins Haus. Die Tür wird zu gemacht. Das Fest beginnt. Die Unvorbereiteten kommen zu spät.

Der überraschende Tod

Soweit Jesus. Er erzählt vom Leben. Er erzählt vom Ernst des Lebens. Er erzählt davon, dass alle einmal zu dieser himmlischen Hochzeitsfeier eingeladen sind, dass jeder einmal früher oder später Gott begegnen wird, der ihn zum Fest heimholen will, und davon, dass man darauf vorbereitet sein kann oder auch nicht. Wie überraschend und unverhofft Gott einem Menschen in seinen Lebensweg treten kann, haben manche von Ihnen im vergangenen Jahr erleben müssen. Oder zumindest unverhofft für Sie als Angehörige. Es heißt ja, dass die meisten Sterbenden mehr von ihrem bevorstehenden Ende wissen, als sie preisgeben. Doch sie wollen niemanden beunruhigen. Oder sie sagen es in Worten, deren Sinn einem erst hinterher aufgeht. Oder sie sagen es zwar sehr deutlich, doch, die es hören, spielen es herunter und beschwichtigen, weil ihnen die Botschaft zu sehr an die Nieren geht.

Ob unter den vorhin Verlesenen auch welche waren, die dieses Kommen Gottes unvorbereitet getroffen hat, vergleichbar den unklugen Brautjungfern, das wissen wir nicht. Wir wollen auch vorsichtig sein mit Spekulationen. Es ist nicht unsere Sache: Gott und der Verstorbene - sie werden es miteinander ausmachen.

Seine Dinge in Ordnung bringen

Doch durchaus unsere Sache ist, sagt Jesus, wie und ob wir vorbereitet sind. Die Schläfrigkeit der Brautjungfern im Gleichnis ist charakteristisch für uns Menschen: Wir wissen in der Theorie, dass der Tod früher oder später kommt, aber wir gehen doch recht sorglos damit um. Eingeschlafen sind sie im Gleichnis alle. Richtig wach geblieben ist niemand. Wer kann schon stündlich auf Gott vorbereitet sein? Doch als es so weit war, hat es sich bei den einen erwiesen, dass sie rechtzeitig darüber nachgedacht haben, dass sie sich rechtzeitig diesem Gedanken gestellt haben, und die anderen nicht.

Das Versäumte dann noch auf die Schnelle in Ordnung bringen zu wollen, so sagt Jesus, ist gefährlich: Es könnte sein, dass die Zeit nicht mehr reicht. Es könnte sein, dass die Tür zur Hochzeitsfeier vor mir ins Schloss fällt. Eine harte und unbequeme Botschaft, ganz gewiss. Doch, wenn ich es recht verstehe, erzählt sie Jesus nicht, um uns weh zu tun oder um Angst zu machen, sondern um aufzurütteln und zu mahnen.

Diesen beiden unbequemen Wahrheiten sollen wir uns stellen: Der Wahrheit, dass es überraschend gehen kann. Dann können auf einmal hinausgeschobene Gespräche nicht mehr geführt, böse Worte nicht mehr vergeben und unerledigte finanzielle oder rechtliche Dinge nicht mehr geregelt werden.

Und auch diese unbequeme Wahrheit, dass jeder sich selber vorbereiten muss, dass es keiner für den anderen stellvertretend tun kann. So wie die unvorbereiteten Brautjungfern nicht profitieren konnten von der Vorbereitung der Klugen und Weitsichtigen. Jeder wird seinen Tod sterben und jeder wird seine Vorbereitung darauf treffen müssen. Seine Vorbereitungen treffen und seine Angelegenheiten ordnen, das hat viele Aspekte, vordergründige und tiefgründige: Seine Papiere so ordnen, dass man etwas findet. Seine rechtlichen und finanziellen Dinge so ordnen, dass man Streit vermeidet. Sein Verhältnis zu anderen Menschen so ordnen, dass möglichst wenig Unausgesprochenes und Unvergebenes zurückbleibt. Und zuletzt auch: sein Verhältnis zu Gott ordnen, dass man der Begegnung mit ihm gelassen entgegengehen kann.

Denn diese Verheißung haben wir allemal: Wenn einer hier mit Gott im Reinen ist, dann braucht er keine Sorge zu haben, dass die Tür zur Hochzeitsfeier vor ihm ins Schloss fallen könnte.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de