Beerdigung
mit Pauken und Trompeten Vielleicht haben Sie schon
einmal einen Bericht gesehen oder gehört, wie
bei den Christen in Schwarzafrika oder auch bei
den schwarzen Christen in Nordamerika eine
Beerdigung begangen wird: Nachdem man viel
intensiver und öffentlicher als bei uns in
Westeuropa seinen Schmerz und seine Trauer
hinausgeschrien hat, feiert man die Beerdigung
geradezu mit Pauken und Trompeten, mit Blasmusik
im Leichenzug, mit Feststimmung, ja oft auch mit
weißen, festlichen Kleidern.
Was geschieht da?
Nur am Anfang schaut man auf den eigenen Verlust.
Auf das, was nun nicht mehr ist und was man nie
mehr zurückholen kann. Und man tut es ganz
intensiv. Schmerz und Trauer brauchen ein Ventil.
Weinen ist erlösend. Wenn zu viel nur nach innen
geht, richtet es Schaden an. Doch dann richtet
sich bei der Beerdigung der Blick ganz auf die
Verstorbene oder den Verstorbenen und wie es ihr
oder ihm nun geht: Ein Mensch ist zu Gott
zurückgekehrt. Er ist zu Hause. Er ist erlöst.
Mühe und Arbeit, Krankheit und Tränen zählen
für ihn nicht mehr. Ganz egal, wie es ihm auf
der Erde gegangen sein mag, bei Gott geht es ihm
gut, unvorstellbar gut. Wer wollte es ihm nicht
gönnen? Wer wollte sich nicht darüber freuen,
dass er das nun erreicht hat? Müsste das nicht
wichtiger sein als der eigene Schmerz und
Verlust?
Der Tod
als Freudenfest?
Ähnlich redet
Jesus in seinem Gleichnis von den Zehn
Brautjungfern. Er erzählt bildhaft davon, wie es
ist, wenn Gott kommt, wenn Gott und Mensch sich
begegnen und sich Auge in Auge gegenüber stehen.
Natürlich meint Jesus hier Gottes Kommen am Ende
der Zeiten. Aber gilt dasselbe nicht auch für
einen Menschen, dessen irdische Zeit zu Ende
geht? Wenn seine Zeit zu Ende ist, dann ist für
ihn auch die Welt zu Ende, die Welt, die nur für
uns Zurückbleibende noch weitergeht. Das Ende
des eigenen Lebens und das Ende der Welt
sie fallen für einen Verstorbenen zusammen.
Wenn nun ein
Mensch Gott begegnet, so sagt Jesus, dann ist das
wie eine Hochzeitsfeier, wie ein Freudenfest. Tod
ist Begegnung, Begegnung mit dem liebenden Gott.
Dann wird irdisches Leid in Freude verwandelt,
Ungerechtigkeit in Gerechtigkeit. Und wo hier auf
der Erde nur ungelöste Fragen geblieben sind,
wird es dort Auge in Auge mit Gott Antworten
geben.
Die
sogenannten Nahtod-Erfahrungen
Viele Menschen,
die schon einmal klinisch tot an der Schwelle des
Todes standen, und mit den Mitteln der heutigen
Medizin wieder ins Leben zurückgeholt wurden,
erzählen übereinstimmend von dem tiefen Frieden
und dem überirdischen Glanz, den sie für einige
Momente erfahren durften. Manche sagen ihren
Rettern auch, dass sie ihnen geradezu böse
waren, dass sie sie wieder ins Leben
zurückholten. Gerne wären sie geblieben, wo sie
waren.
Doch anders als
uns das manche Zeitschriften und Fernsehsendungen
weismachen wollen, sind das noch keine Berichte
von dem Leben nach dem Tod. Einer, der klinisch
tot gewesen ist, erzählt nicht von dem, was
hinterher kommt, sondern nur von der Schwelle,
auf der er stand. Er hat, so könnte man es
bildlich sagen, nur ein wenig durch das
weihnachtliche Schlüsselloch blinzeln dürfen.
Der Schritt hinüber wäre dann endgültig
gewesen. Aber so darf man zumindest
vorsichtig fragen: Wenn schon die letzten
Eindrücke vor der Tür so friedvoll sind, was
mag dann hinter der Tür kommen? Einen
Verstorbenen bei Gott aufgehoben wissen, geborgen
in seiner Nähe, befreit von Leid und Schmerz.
Vielleicht helfen solche Gedanken beim Loslassen.
Es kann
auch zu spät sein
Doch da ist noch
etwas anderes in der Geschichte, die Jesus
erzählt von der Hochzeit und den Brautjungfern.
Es zeigt das doppelte Gesicht des heutigen Tages:
Als Gedenktag der Entschlafenen richtet er unsere
Augen auf die, die gegangen sind. Als
Ewigkeitssonntag richtet er unsere Augen auf
unser Ziel, das noch nicht erreicht ist.
Dass in der
Geschichte nicht Frieden am Ende steht, sondern
die Tür ins Schloss fällt und jemand draußen
bleiben muss, das ist kein versöhnliches Ende
und passt auch so gar nicht zu einer
orientalischen Hochzeitsfeier, wo man alle mit
offenen Armen empfangen hat.
... oder
doch nicht?
Ein griechischer
Schriftsteller hat die Geschichte anders zu Ende
erzählt: "'Was würdest du tun, wenn du
der Bräutigam wärst, Nathanael?", fragte
Jesus und richtete seine großen dunklen Augen
auf ihn. Nathanael schwieg. Er sah noch nicht
ganz klar, was er tun sollte. Teils wollte er sie
fortjagen, das Tor war ja verschlossen, so gebot
es das Gesetz, teils taten sie ihm Leid und er
wollte ihnen öffnen... 'Ich würde öffnen,'
sagte er leise. 'Recht getan, Nathanael', sagte
Jesus froh und streckte seine Hand aus, als ob er
ihn segnete. 'In dieser Stunde bist du lebendigen
Leibes ins Paradies eingegangen.' - Das gleiche
tat auch der Bräutigam. Er rief den Dienern zu:
'Öffnet das Tor, dies ist eine Hochzeit. Alle
sollen etwas trinken und fröhlich sein! Lasst
die gedankenlosen Jungfrauen herein kommen und
sich die Füße waschen, denn sie sind weit
gelaufen.'"
(N.Kazantzakis, Die letzte Versuchung, 1988,
S. 215f)
Dieser Ausgang der
Geschichte würde mir besser gefallen. Auch
dieser Jesus würde mir besser gefallen. Doch ich
muss damit leben, dass es anders da steht: Von
einer Hochzeitsfeier erzählt Jesus. Die Braut
ist zuhause, umgeben von ihren Freundinnen. Die
jungen Frauen machen sich fertig für die Ankunft
des jungen Bräutigams. Vor dem Dorf schon wollen
sie ihn empfangen, wenn er kommt, um die Braut
zur Hochzeitsfeier in sein Haus abzuholen. Doch
der Bräutigam verspätet sich unerwartet. Es
wird dunkel und die Brautjungfern schlafen ein.
Mitten in der Nacht ein Geschrei: Er kommt! Die
jungen Frauen schrecken aus dem Schlaf hoch. Sie
machen sich zurecht. Sie richten die abgebrannten
Dochte ihrer Öllämpchen. (Andere Ausleger
sagen, im Freien hätte man wohl eher Fackeln mit
ölgetränkten Tüchern verwendet.) Doch erst
jetzt merken einige, dass ihr Öl bald zu Ende
geht. So bitten sie die anderen, ihnen etwas
abzugeben. Doch sie müssen hören: Wenn wir
jetzt teilen, reicht es für niemand, und wir
stünden am Ende alle ohne Licht da. Und während
die Unvorbereiteten neues Öl kaufen, kommt der
Bräutigam, und die anderen geleiten ihn mit
ihren Lampen ins Haus. Die Tür wird zu gemacht.
Das Fest beginnt. Die Unvorbereiteten kommen zu
spät.
Der
überraschende Tod
Soweit Jesus. Er
erzählt vom Leben. Er erzählt vom Ernst des
Lebens. Er erzählt davon, dass alle einmal zu
dieser himmlischen Hochzeitsfeier eingeladen
sind, dass jeder einmal früher oder später Gott
begegnen wird, der ihn zum Fest heimholen will,
und davon, dass man darauf vorbereitet sein kann
oder auch nicht. Wie überraschend und unverhofft
Gott einem Menschen in seinen Lebensweg treten
kann, haben manche von Ihnen im vergangenen Jahr
erleben müssen. Oder zumindest unverhofft für
Sie als Angehörige. Es heißt ja, dass die
meisten Sterbenden mehr von ihrem bevorstehenden
Ende wissen, als sie preisgeben. Doch sie wollen
niemanden beunruhigen. Oder sie sagen es in
Worten, deren Sinn einem erst hinterher aufgeht.
Oder sie sagen es zwar sehr deutlich, doch, die
es hören, spielen es herunter und
beschwichtigen, weil ihnen die Botschaft zu sehr
an die Nieren geht.
Ob unter den
vorhin Verlesenen auch welche waren, die dieses
Kommen Gottes unvorbereitet getroffen hat,
vergleichbar den unklugen Brautjungfern, das
wissen wir nicht. Wir wollen auch vorsichtig sein
mit Spekulationen. Es ist nicht unsere Sache:
Gott und der Verstorbene - sie werden es
miteinander ausmachen.
Seine
Dinge in Ordnung bringen
Doch durchaus
unsere Sache ist, sagt Jesus, wie und ob wir
vorbereitet sind. Die Schläfrigkeit der
Brautjungfern im Gleichnis ist charakteristisch
für uns Menschen: Wir wissen in der Theorie,
dass der Tod früher oder später kommt, aber wir
gehen doch recht sorglos damit um. Eingeschlafen
sind sie im Gleichnis alle. Richtig wach
geblieben ist niemand. Wer kann schon stündlich
auf Gott vorbereitet sein? Doch als es so weit
war, hat es sich bei den einen erwiesen, dass sie
rechtzeitig darüber nachgedacht haben, dass sie
sich rechtzeitig diesem Gedanken gestellt haben,
und die anderen nicht.
Das Versäumte
dann noch auf die Schnelle in Ordnung bringen zu
wollen, so sagt Jesus, ist gefährlich: Es
könnte sein, dass die Zeit nicht mehr reicht. Es
könnte sein, dass die Tür zur Hochzeitsfeier
vor mir ins Schloss fällt. Eine harte und
unbequeme Botschaft, ganz gewiss. Doch, wenn ich
es recht verstehe, erzählt sie Jesus nicht, um
uns weh zu tun oder um Angst zu machen, sondern
um aufzurütteln und zu mahnen.
Diesen beiden
unbequemen Wahrheiten sollen wir uns stellen: Der
Wahrheit, dass es überraschend gehen kann. Dann
können auf einmal hinausgeschobene Gespräche
nicht mehr geführt, böse Worte nicht mehr
vergeben und unerledigte finanzielle oder
rechtliche Dinge nicht mehr geregelt werden.
Und auch diese
unbequeme Wahrheit, dass jeder sich selber
vorbereiten muss, dass es keiner für den anderen
stellvertretend tun kann. So wie die
unvorbereiteten Brautjungfern nicht profitieren
konnten von der Vorbereitung der Klugen und
Weitsichtigen. Jeder wird seinen Tod sterben und
jeder wird seine Vorbereitung darauf treffen
müssen. Seine Vorbereitungen treffen und seine
Angelegenheiten ordnen, das hat viele Aspekte,
vordergründige und tiefgründige: Seine Papiere
so ordnen, dass man etwas findet. Seine
rechtlichen und finanziellen Dinge so ordnen,
dass man Streit vermeidet. Sein Verhältnis zu
anderen Menschen so ordnen, dass möglichst wenig
Unausgesprochenes und Unvergebenes zurückbleibt.
Und zuletzt auch: sein Verhältnis zu Gott
ordnen, dass man der Begegnung mit ihm gelassen
entgegengehen kann.
Denn diese
Verheißung haben wir allemal: Wenn einer hier
mit Gott im Reinen ist, dann braucht er keine
Sorge zu haben, dass die Tür zur Hochzeitsfeier
vor ihm ins Schloss fallen könnte.
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