Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 9. Oktober 2005 (20. Sonntag nach Trinitatis):
»Die Unverbesserlichen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 20. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema sind die guten Ordnungen Gottes. Evangelium (1. Lesung) war Jesu Wort zur Frage der Ehescheidung und Epistel (2. Lesung) Worte des Apostels Paulus zur Lebensführung. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war das Ende der Sintflutgeschichte nach 1. Mose 8:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, 19 dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. 20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. 21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. 22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Strafen als Erziehungsmittel?

Wie stehts's, liebe Gemeinde: Kann man mit Strafen einen Menschen ändern? Oder genauer gefragt: ändert sich jemand wirklich, ändert sich jemand in seinem Herzen durch Strafen? Sind Strafen ein Erziehungsmittel?
Wie war das bei Ihnen selbst als Kind? Haben Sie Strafen, körperliche Strafen oder auch seelische Strafen erfahren? Und wenn ja, was haben Sie dabei gefühlt? Einsicht und Reue? Oder auch Angst, Hilflosigkeit, Zorn, Rachegefühle? ...
Oder wie haben Sie es als Eltern und Erzieher erlebt? Haben Sie selber gestraft? Wie ging es Ihnen hinterher? Wie ging es Ihnen, wenn Ihnen einmal die Hand ausgerutscht ist? ... Wie schafft man es, dass ein Kind ohne Strafen von sich aus und aus eigener Einsicht erkennt, dass etwas nicht recht war?
Vor kurzem sagte einmal ein Lehrer im Gespräch - und es ging mir noch einmal ganz neu auf, obwohl es eigentlich eine alte Wahrheit ist: Ein Lob hilft bei einem Schüler mehr als tausend Strafen.

Die Sintflut als Erziehungsmittel Gottes?

Warum sage ich das? Es gibt eine biblische Geschichte - sie ist vielen bekannt -, wo ich genau diese menschliche Wahrheit entdecken kann. Aber nun übertragen auf Gott und den Menschen:
Wie geht Gott mit uns um, wenn wir Strafe verdient hätten? Was macht Gott mit uns Unverbesserlichen? Die Bibel sagt: Gott erträgt uns, Gott hält uns aus. Strafen haben den Menschen nicht gescheiter gemacht. Ich lese vom Ende der Sintflutgeschichte im 1. Buch Mose, Kapitel 8:

18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, 19 dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. 20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. 21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. 22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Gott ganz menschlich

Auf einen Nenner gebracht: Der Mensch bleibt böse, doch Gott bleibt gnädig.
Menschlich, ganz menschlich, allzu menschlich wird hier geredet in dieser Sintflutgeschichte, die vor nahezu 3000 Jahren ein Unbekannter zur Zeit des König David niederschrieb: Gott ist enttäuscht. Gott straft. Gott wandelt sich. Gott hat Geduld.
Gott ist enttäuscht. So heißt es zu Beginn der Sintflutgeschichte:
5 Als aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, 6 da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen. (1. Mose 6)
Sogleich nach der Schöpfung bricht sich der Egoismus des Menschen Bahn und der Mensch wendet sich gegen Gott und gegen seinen Mitmenschen.
Der enttäuschte und zornige Gott straft den Menschen durch die Katastrophe der Sintflut, um dann nach der Sintflut festzustellen: Es hat doch keinen Wert. Nach der Sintflut bleibt sein Urteil genau dasselbe wie zuvor:
Das Dichten und Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf.
Darf man so menschlich von Gott reden oder ist es schon die Grenze der Gotteslästerung, wenn hier steht: Gott scheitert. Seine Erziehungsbemühungen an dem unverbesserlichen Geschöpf Mensch scheitern. Er besinnt sich auch durch Strafen nicht. Ja, noch mehr: Den Menschen wollte er strafen, und die ganze Erde musste darunter leiden.

Der ganz andere Gott

Und nun, wo mancher Mensch vielleicht sagen würde: Aus! Schluss! Ende! Da versucht es Gott mit einem neuen Anfang, er versucht es mit Geduld und Liebe:
Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen. Ich will nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.

Auf diese Gnade Gottes, auf dieses Geschenk eines immer wieder neuen Anfangs hat der unverbesserliche und in der Tiefe seines Herzens egoistische Mensch kein Anrecht. Es wäre zu billig und vordergründig, wenn man sagen würde, das Opfer des Noah hätte Gott umgestimmt. Da ist das Alte und das Neue Testament sehr deutlich in seinem Urteil: „Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“ lässt Gott den Propheten Hosea sagen (Hos 6,6), und Jesus wiederholt es noch einmal (Mt 9,13)
Eine souveräne und freiwillige Entscheidung Gottes ist es. Er findet sich mit der Bosheit der Menschen nicht einfach ab, aber er erträgt sie. Oder besser: Er erträgt uns Menschen mitsamt unserer Bosheit.

Die Unverbesserlichen

Aber entscheidend wird es erst, wenn ich statt „der Mensch“ einmal „ich“ sage: Ich bin nach Gottes Urteil von Grund auf böse. Ich bin dieser Egoist. Und Gott bleibt mir trotzdem gnädig. Mich unverbesserlichen Menschen will Gott nicht durch Strafen, sondern durch Liebe auf einen neuen Weg bringen. Mir gibt Gott Tag für Tag nach meinen eigenen Katastrophen die Chance zu einem Neuanfang.

Diese Geschichte nimmt bei der Frage „Ist der Mensch nun von Grund auf gut und wird nur durch die Verhältnisse verdorben, oder ist er von Grund auf böse?“ eine Art Mittelstellung ein: „Und siehe, es war sehr gut.“ heißt es am Ende der Schöpfung. Und dann doch: Der Mensch ist böse von Jugend auf.
Aber was bedeutet es nun: Ich bin von Jugend auf, von Grund auf böse?

Was ist Sünde?

Heißt das, wir sind den ganzen Tag über nur liederliche und verbrecherische Subjekte? Nein. Beim Wort Sünde müssen wir unterscheiden zwischen der inneren Haltung tief in uns drinnen und dem, was dann daraus wird. Wir müssen entscheiden zwischen der Grundhaltung und den einzelnen Taten. Manche Theologen fassen das in die Worte: Grund- und Tatsünde:
Die Grundsünde, das ist der Egoismus, der ganz tief in mir drin steckt und sich immer wieder einmal Bahn bricht. Grundsünde, das ist das heimliche: „Erst komme ich und dann die anderen.“ Grundsünde, das ist das Lebenwollen, als ob es Gott nicht gäbe. Die perfide Frage der Schlange: „Will dir Gott vielleicht eifersüchtig etwas vorenthalten durch die Grenze, die er dir setzt?“ Das steckt nach der Bibel unausrottbar in jedem von uns, unausrottbar auch in den Christen.
Ob und wann aus dieser meiner Grundsünde dann auch eine Tat wird, da habe ich als Mensch, dem Gott einen freien Willen zum Tun und zum Lassen gegeben hat, meine Verantwortung, die mir niemand abnehmen kann.

Christen sind keine besseren Menschen

Christen sind keine besseren Menschen als andere, indem sie sündlos wären. Doch Christen wissen um das, was in ihnen steckt, sie streiten es nicht ab, sie nehmen es ernst. Gerade, weil ich weiß, wie es tief drinnen in mir aussieht, will ich die Chancen ergreifen, die Gott mir gibt. Weil er trotzdem geduldig ja zu mir sagt, kann ich Tag für Tag an mir arbeiten, oder besser: Ich kann Gott an mir arbeiten lassen.
Das verspricht die Bibel nämlich: Gott arbeitet an mir durch seinen Heiligen Geist. Er kann mich Stück für Stück dem Bild ähnlicher machen, das er von mir hat. Ich muss nicht bleiben, der ich bin. Mit meiner Taufe hat das Böse keine endgültige Macht mehr über mir und ich muss ihm nicht wie eine Marionette unterliegen. Auch jedes Abendmahl sagt mir das neu.

Und am Ende: Gnade

Und die Moral von der Geschicht? Es steht keine da. Die Geschichte endet einfach nur gut. Sie endet nicht, wie wir Menschen es oft tun, mit einem erhobenen Zeigefinger. Sie endet einfach nur gnädig:
Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. 22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Aber diese Gnade, wenn man sie einmal richtig gehört und begriffen hat, die kann Menschen wirklich von Grund auf ändern. Ganz allein. Und ganz ohne Strafen.

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de