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Die Predigt |
Strafen als Erziehungsmittel?
Wie stehts's, liebe Gemeinde: Kann man mit Strafen einen Menschen
ändern? Oder genauer gefragt: ändert sich jemand wirklich,
ändert sich jemand in seinem Herzen durch Strafen? Sind Strafen
ein Erziehungsmittel?
Wie war das bei Ihnen selbst als Kind? Haben Sie Strafen, körperliche
Strafen oder auch seelische Strafen erfahren? Und wenn ja, was haben
Sie dabei gefühlt? Einsicht und Reue? Oder auch Angst, Hilflosigkeit,
Zorn, Rachegefühle? ...
Oder wie haben Sie es als Eltern und Erzieher erlebt? Haben Sie selber
gestraft? Wie ging es Ihnen hinterher? Wie ging es Ihnen, wenn Ihnen
einmal die Hand ausgerutscht ist? ... Wie schafft man es, dass ein
Kind ohne Strafen von sich aus und aus eigener Einsicht erkennt, dass
etwas nicht recht war?
Vor kurzem sagte einmal ein Lehrer im Gespräch - und es ging
mir noch einmal ganz neu auf, obwohl es eigentlich eine alte Wahrheit
ist: Ein Lob hilft bei einem Schüler mehr als tausend Strafen.
Die Sintflut als Erziehungsmittel Gottes?
Warum sage ich das? Es gibt eine biblische Geschichte - sie ist vielen
bekannt -, wo ich genau diese menschliche Wahrheit entdecken kann.
Aber nun übertragen auf Gott und den Menschen:
Wie geht Gott mit uns um, wenn wir Strafe verdient hätten? Was
macht Gott mit uns Unverbesserlichen? Die Bibel sagt: Gott erträgt
uns, Gott hält uns aus. Strafen haben den Menschen nicht gescheiter
gemacht. Ich lese vom Ende der Sintflutgeschichte im 1. Buch Mose,
Kapitel 8:
18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau
und den Frauen seiner Söhne, 19 dazu alle wilden Tiere, alles
Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht;
das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. 20 Noah aber
baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von
allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. 21
Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen:
Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen;
denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse
von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was
da lebt, wie ich getan habe. 22 Solange die Erde steht, soll nicht
aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter,
Tag und Nacht.
Gott ganz menschlich
Auf einen Nenner gebracht: Der Mensch bleibt böse, doch Gott
bleibt gnädig.
Menschlich, ganz menschlich, allzu menschlich wird hier geredet in
dieser Sintflutgeschichte, die vor nahezu 3000 Jahren ein Unbekannter
zur Zeit des König David niederschrieb: Gott ist enttäuscht.
Gott straft. Gott wandelt sich. Gott hat Geduld.
Gott ist enttäuscht. So heißt es zu Beginn der Sintflutgeschichte:
5 Als aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß
war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse
war immerdar, 6 da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte
auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen. (1. Mose
6)
Sogleich nach der Schöpfung bricht sich der Egoismus des Menschen
Bahn und der Mensch wendet sich gegen Gott und gegen seinen Mitmenschen.
Der enttäuschte und zornige Gott straft den Menschen durch die
Katastrophe der Sintflut, um dann nach der Sintflut festzustellen:
Es hat doch keinen Wert. Nach der Sintflut bleibt sein Urteil genau
dasselbe wie zuvor:
Das Dichten und Trachten des Menschen ist böse von Jugend
auf.
Darf man so menschlich von Gott reden oder ist es schon die Grenze
der Gotteslästerung, wenn hier steht: Gott scheitert. Seine Erziehungsbemühungen
an dem unverbesserlichen Geschöpf Mensch scheitern. Er besinnt
sich auch durch Strafen nicht. Ja, noch mehr: Den Menschen wollte
er strafen, und die ganze Erde musste darunter leiden.
Der ganz andere Gott
Und nun, wo mancher Mensch vielleicht sagen würde: Aus! Schluss!
Ende! Da versucht es Gott mit einem neuen Anfang, er versucht es mit
Geduld und Liebe:
Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen
willen. Ich will nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan
habe.
Auf diese Gnade Gottes, auf dieses Geschenk eines immer wieder neuen
Anfangs hat der unverbesserliche und in der Tiefe seines Herzens egoistische
Mensch kein Anrecht. Es wäre zu billig und vordergründig,
wenn man sagen würde, das Opfer des Noah hätte Gott umgestimmt.
Da ist das Alte und das Neue Testament sehr deutlich in seinem Urteil:
„Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“
lässt Gott den Propheten Hosea sagen (Hos 6,6), und Jesus wiederholt
es noch einmal (Mt 9,13)
Eine souveräne und freiwillige Entscheidung Gottes ist es. Er
findet sich mit der Bosheit der Menschen nicht einfach ab, aber er
erträgt sie. Oder besser: Er erträgt uns Menschen mitsamt
unserer Bosheit.
Die Unverbesserlichen
Aber entscheidend wird es erst, wenn ich statt „der Mensch“
einmal „ich“ sage: Ich bin nach Gottes Urteil von Grund
auf böse. Ich bin dieser Egoist. Und Gott bleibt mir trotzdem
gnädig. Mich unverbesserlichen Menschen will Gott nicht durch
Strafen, sondern durch Liebe auf einen neuen Weg bringen. Mir gibt
Gott Tag für Tag nach meinen eigenen Katastrophen die Chance
zu einem Neuanfang.
Diese Geschichte nimmt bei der Frage „Ist der Mensch nun von
Grund auf gut und wird nur durch die Verhältnisse verdorben,
oder ist er von Grund auf böse?“ eine Art Mittelstellung
ein: „Und siehe, es war sehr gut.“ heißt es am Ende
der Schöpfung. Und dann doch: Der Mensch ist böse von Jugend
auf.
Aber was bedeutet es nun: Ich bin von Jugend auf, von Grund auf böse?
Was ist Sünde?
Heißt das, wir sind den ganzen Tag über nur liederliche
und verbrecherische Subjekte? Nein. Beim Wort Sünde müssen
wir unterscheiden zwischen der inneren Haltung tief in uns drinnen
und dem, was dann daraus wird. Wir müssen entscheiden zwischen
der Grundhaltung und den einzelnen Taten. Manche Theologen fassen
das in die Worte: Grund- und Tatsünde:
Die Grundsünde, das ist der Egoismus, der ganz tief in mir drin
steckt und sich immer wieder einmal Bahn bricht. Grundsünde,
das ist das heimliche: „Erst komme ich und dann die anderen.“
Grundsünde, das ist das Lebenwollen, als ob es Gott nicht gäbe.
Die perfide Frage der Schlange: „Will dir Gott vielleicht eifersüchtig
etwas vorenthalten durch die Grenze, die er dir setzt?“ Das
steckt nach der Bibel unausrottbar in jedem von uns, unausrottbar
auch in den Christen.
Ob und wann aus dieser meiner Grundsünde dann auch eine Tat wird,
da habe ich als Mensch, dem Gott einen freien Willen zum Tun und zum
Lassen gegeben hat, meine Verantwortung, die mir niemand abnehmen
kann.
Christen sind keine besseren Menschen
Christen sind keine besseren Menschen als andere, indem sie sündlos
wären. Doch Christen wissen um das, was in ihnen steckt, sie
streiten es nicht ab, sie nehmen es ernst. Gerade, weil ich weiß,
wie es tief drinnen in mir aussieht, will ich die Chancen ergreifen,
die Gott mir gibt. Weil er trotzdem geduldig ja zu mir sagt, kann
ich Tag für Tag an mir arbeiten, oder besser: Ich kann Gott an
mir arbeiten lassen.
Das verspricht die Bibel nämlich: Gott arbeitet an mir durch
seinen Heiligen Geist. Er kann mich Stück für Stück
dem Bild ähnlicher machen, das er von mir hat. Ich muss nicht
bleiben, der ich bin. Mit meiner Taufe hat das Böse keine endgültige
Macht mehr über mir und ich muss ihm nicht wie eine Marionette
unterliegen. Auch jedes Abendmahl sagt mir das neu.
Und am Ende: Gnade
Und die Moral von der Geschicht? Es steht keine da. Die Geschichte
endet einfach nur gut. Sie endet nicht, wie wir Menschen es oft tun,
mit einem erhobenen Zeigefinger. Sie endet einfach nur gnädig:
Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich
getan habe. 22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat
und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Aber diese Gnade, wenn man sie einmal richtig gehört und begriffen
hat, die kann Menschen wirklich von Grund auf ändern. Ganz allein.
Und ganz ohne Strafen. |
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