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Die Predigt |
Das Geschenk der
körperlichen Liebe
Der Pfarrer der Bayreuther Schlosskirche, Siegbert Keiling, hat vor
einer Woche viel Aufmerksamkeit erfahren für seine Predigt über
die Liebe. Eigentlich hat er nicht viel Neues gesagt. Doch für
viele waren es ungewohnte Worte aus dem Mund eines katholischen Geistlichen,
weil er auch sehr offen über das Geschenk der körperlichen
Liebe gesprochen hat. Ausgangspunkt war die Enzyklika, also das Lehrschreiben
von Papst Benedikt XVI. über die Liebe. Dort ging es natürlich
nicht nur um die körperliche Liebe, sondern über die Liebe
Gottes zu uns Menschen, und wie wir eingeladen sind, diese Liebe an
andere weiterzugeben. Das ist von der Epistellesung her das Thema
dieses Sonntags.
Diese Nächstenliebe hält unsere Welt zusammen: die kleine
Welt unserer Ehen und Familien, und auch unsere Gemeinschaft in der
Kirchengemeinde und in der Siedlung mit ihrer Nachbarschaft. „Herr,
gib du uns Augen, die den Nachbarn sehn“. So habe ich Sie vorhin
ganz bewusst singen lassen.
Von dieser Liebe, die die Welt zusammenhält, singt das Wochenlied,
das ich in Form einer Liedpredigt auslegen möchte:
Ein Lied von der Nächstenliebe
„Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt.“ Nr. 413 in unserem
Gesangbuch, gedichtet von Nikolaus Hermann, einem böhmischen
Lehrer und Kantor, der ungefähr zur Zeit Martin Luthers lebte.
Vielleicht erinnern Sie sich: Zu Weihnachten habe ich Ihnen in einer
Predigt sein Lied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“
vorgestellt.
1. Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt, / daraus ein schönes
Brünnlein quillt, / die brüderliche Lieb genannt, / daran
ein Christ recht wird erkannt.
Negativ scheint das Lied zu beginnen. Was hat die Liebe mit dem Zorn
Gottes zu tun? Warum und wann ist Gott zornig, zornig über die
Menschen? Die Bibel erzählt uns nicht von einem ruhigen, gefühllosen
Gott, sondern von einem eifernden Gott mit Herz. Wer weiß, wie
oft er die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, wenn
wir uns unserem Nächsten verweigern.
Jede aktive Tat der Liebe stillt diesen Zorn des Schöpfers gegen
sein Geschöpf. Jede aktive Tat der Liebe zeigt Gott, dass es
kein Fehlschlag war, die Menschen zu erschaffen.
Genauer steht da: Nicht die Liebe besänftigt Gott, sondern ein
wahrer, echter Glauben, dessen Ergebnis die Liebe ist. Aus einem echten
Glauben quillt, sprudelt die Liebe heraus wie eine Quelle. Echter
Glaube ist lebendig. Toter Glaube ist wie eine Quelle, die versiegt.
Christsein ohne Glaube und Liebe ist undenkbar. Eine brüderliche
Liebe, so sagte Nikolaus Hermann nach dem Sprachgebrauch seiner Zeit.
Eine geschwisterliche, so würde man vielleicht heute sagen. Ob
einer ein Christ ist, ist nicht so sehr an seinem Reden, Singen oder
Beten abzulesen, sondern an seinem Tun.
Wir singen die erste Strophe des Liedes miteinander.
Liebe sind Worte und Taten
2. Christus sie selbst das Zeichen nennt, / daran man seine Jünger
kennt; / in niemands Herz man sehen kann, / an Werken wird erkannt
ein Mann.
Es ist ein durch und durch biblisches Lied, das Nikolaus Hermann da
gedichtet hat. Auf Schritt und Tritt nimmt er biblische Worte auf.
Unter den Versen ist das z.T. abgedruckt, aber es wären noch
viel mehr zu nennen:
Dass Liebe das Zeichen für einen Jünger ist, sagt Jesus
im Johannesevangelium:
„Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger
seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh 13,35)
Oder, wenn es darum geht, dass Taten das christliche Leben ausmachen:
„Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe
ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.
20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der
ist ein Lügner.“ (1. Joh 4)
„Was hilft's, liebe Brüder, wenn jemand sagt, er habe
Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig
machen?“ (Jak 2,14)
Mit den Werken sind Werke der Liebe, heute würden wir sagen,
Taten der Liebe gemeint wie auch in dem neuen Kirchenlied „Liebe
ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten.“
Wir singen die zweite Strophe des Liedes.
Liebe ist nicht immer nur lieb
3. Die Lieb nimmt sich des Nächsten an, / sie hilft und dienet
jedermann; / gutwillig ist sie allezeit, / sie lehrt, sie straft,
sie gibt und leiht.
Nach der Einführung, dass Glaube ohne tätige Liebe kein
Glaube ist, nun die nächste Frage: Wie sehen solche Taten der
Liebe aus? Lieben ist, sagt Nikolaus Hermann, Helfen und Dienen. So
hat es Jesus vorgelebt:
„Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu
ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von
allen und aller Diener. (Mk 9,35)
Aber tätige Liebe ist nicht immer nur lieb. Liebe schmiert dem
anderen nicht einfach nur Honig ums Maul. Liebe, die sich wirklich
des Nächsten annimmt, schaut, was der andere braucht: Sie gibt
und schenkt, wenn es nötig ist. Sie leiht aber auch nur. Ja,
manchmal belehrt Liebe vielleicht auch, wenn jemand auf dem falschen
Weg ist. Ja, im Zweifelsfall kann und muss Liebe auch einmal strafen.
Das ist ein ganz schwieriges Thema, weil man auch leicht die Grenzen
überschreiten kann, aber verantwortliche Eltern und Erzieher
werden verantwortlich damit umgehen.
Wir singen die dritte Strophe des Liedes.
Sich selber auf die Schulter klopfen
4. Ein Christ seim Nächsten hilft aus Not, / tut solchs zu
Ehren seinem Gott. / Was seine rechte Hand reicht dar, / des wird
die linke nicht gewahr.
Aus der Not helfen, das macht einen Christen aus. Und doch sind mit
der besten Tat auch gleich Gefahren und Versuchungen verbunden: Wenn
ich habe helfen können, fühle ich mich gut. Ich bin zufrieden
und glücklich, aber auch der Weg zum Stolz ist nicht weit: Wenn
mir der andere schon nicht auf die Schulter klopft, dann tue ich es
halt selber. Und schon habe ich das Gute nicht so sehr für den
anderen getan oder Gott zu Ehren, sondern zu meiner Ehre.
Aufgrund von Erfahrungen seiner Zeit sagt es Jesus in der Bergpredigt
so:
„Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht
wissen, was die rechte tut.“ (Mt 6,3)
Das ist ein hartes Wort, weil man es unmöglich einhalten kann:
Ich kann mich nicht innerlich zerreißen oder aufteilen. Die
linke Hand, die vom Herzen kommt, wird immer auch wissen, was die
rechte Hand, die tätige Hand, gerade getan hat. Aber die Richtung
ist klar.
Ein Lob also allen in unserer Gemeinde und Siedlung, die so helfen:
unaufdringlich, im Hintergrund, ohne große Worte, wenn es z.B.
um die Nachbarschaftshilfe geht oder wenn eine Generation ganz selbstverständlich
und ohne Aufhebens für die andere da ist.
Wir singen die vierte Strophe des Liedes.
Ein Beispiel neuen Handelns
5. Wie Gott lässt scheinen seine Sonn / und regnen über
Bös und Fromm, / so solln wir nicht allein dem Freund / dienen,
sondern auch unserm Feind.
Das ist die zweite Versuchung bei der Liebe, die aus dem Glauben kommt:
Die Versuchung, dass das Hemd einem näher ist als der Rock, die
Versuchung, nur dem Freund zu helfen. Auch hier nimmt Nikolaus Hermann
bekannte Worte Jesu aus der Bergpredigt auf. Bekannt, aber ebenso
schwer in die Tat umzusetzen:
„Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für
die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder seid eures Vaters im
Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse
und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
46 Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn
haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur
zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun
nicht dasselbe auch die Heiden? 48 Darum sollt ihr vollkommen sein,
wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt 5)
Nein, wir sind nicht vollkommen. Und deswegen sind auch unser Glaube
und unsere Liebe nicht vollkommen. Die sog. Bergpredigt Jesu war damals
an seine Jünger gerichtet. Sie sollten und konnten die Welt nicht
in einer Art christlicher Revolution auf den Kopf stellen, aber Zeichen
setzen, wie es auch anders gehen kann. Darum geht es.
Wir singen die fünfte Strophe des Liedes.
Wir schaffen es nicht
Weil unser Glaube und unsere Liebe auf dieser Welt nicht vollkommen
sind, endet das Lied mit einem Gebet: mit einer Bitte um Vergebung
und mit einer Bitte um Gelingen. Vorher stehen noch zwei Strophen
mit Worten aus dem Hohelied der Liebe, das wir vorhin als Epistel
gehört haben. Wir singen diese drei Strophen zum Abschluss und
sammeln dazu das Dankopfer ein, das heute für das Diakonische
Werk in Deutschland bestimmt ist, und hier ganz speziell für
die Telefonseelsorge und die Bahnhofsmission. In beiden Fällen
wird eher still und unauffällig im Hintergrund geholfen.
Und der Friede Gottes ...
6. Die Lieb ist freundlich, langmütig, / sie eifert nicht
noch bläht sie sich, / glaubt, hofft, verträgt alls mit
Geduld, / verzeiht gutwillig alle Schuld.
7. Sie wird nicht müd, fährt immer fort, / kein' sauren
Blick, kein bitter Wort / gibt sie. Was man sag oder sing, / zum Besten
deut' sie alle Ding.
8. O Herr Christ, deck zu unsre Sünd / und solche Lieb in uns
anzünd, / dass wir mit Lust dem Nächsten tun, / wie du uns
tust, o Gottes Sohn. |
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