Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 26. Februar 2006 (Estomihi):
»Liebe ist nicht nur ein Wort«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag vor der Passionsheit (Estomihi). Sein Thema ist der Weg Jesu in die Passions aus Liebe zu den Menschen. Evangelium (1. Lesung) war die Leidesankündigung Jesu und Epistel (2. Lesung) das sog. Hohelied der Liebe des Apostels Paulus. Der Predigt lag das Wochenlied dieses Sonntags (s.u.) zugrunde:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
Text des Liedes in der Predigt
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Das Geschenk der körperlichen Liebe

Der Pfarrer der Bayreuther Schlosskirche, Siegbert Keiling, hat vor einer Woche viel Aufmerksamkeit erfahren für seine Predigt über die Liebe. Eigentlich hat er nicht viel Neues gesagt. Doch für viele waren es ungewohnte Worte aus dem Mund eines katholischen Geistlichen, weil er auch sehr offen über das Geschenk der körperlichen Liebe gesprochen hat. Ausgangspunkt war die Enzyklika, also das Lehrschreiben von Papst Benedikt XVI. über die Liebe. Dort ging es natürlich nicht nur um die körperliche Liebe, sondern über die Liebe Gottes zu uns Menschen, und wie wir eingeladen sind, diese Liebe an andere weiterzugeben. Das ist von der Epistellesung her das Thema dieses Sonntags.
Diese Nächstenliebe hält unsere Welt zusammen: die kleine Welt unserer Ehen und Familien, und auch unsere Gemeinschaft in der Kirchengemeinde und in der Siedlung mit ihrer Nachbarschaft. „Herr, gib du uns Augen, die den Nachbarn sehn“. So habe ich Sie vorhin ganz bewusst singen lassen.
Von dieser Liebe, die die Welt zusammenhält, singt das Wochenlied, das ich in Form einer Liedpredigt auslegen möchte:

Ein Lied von der Nächstenliebe

„Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt.“ Nr. 413 in unserem Gesangbuch, gedichtet von Nikolaus Hermann, einem böhmischen Lehrer und Kantor, der ungefähr zur Zeit Martin Luthers lebte. Vielleicht erinnern Sie sich: Zu Weihnachten habe ich Ihnen in einer Predigt sein Lied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ vorgestellt.

1. Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt, / daraus ein schönes Brünnlein quillt, / die brüderliche Lieb genannt, / daran ein Christ recht wird erkannt.

Negativ scheint das Lied zu beginnen. Was hat die Liebe mit dem Zorn Gottes zu tun? Warum und wann ist Gott zornig, zornig über die Menschen? Die Bibel erzählt uns nicht von einem ruhigen, gefühllosen Gott, sondern von einem eifernden Gott mit Herz. Wer weiß, wie oft er die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, wenn wir uns unserem Nächsten verweigern.
Jede aktive Tat der Liebe stillt diesen Zorn des Schöpfers gegen sein Geschöpf. Jede aktive Tat der Liebe zeigt Gott, dass es kein Fehlschlag war, die Menschen zu erschaffen.
Genauer steht da: Nicht die Liebe besänftigt Gott, sondern ein wahrer, echter Glauben, dessen Ergebnis die Liebe ist. Aus einem echten Glauben quillt, sprudelt die Liebe heraus wie eine Quelle. Echter Glaube ist lebendig. Toter Glaube ist wie eine Quelle, die versiegt.
Christsein ohne Glaube und Liebe ist undenkbar. Eine brüderliche Liebe, so sagte Nikolaus Hermann nach dem Sprachgebrauch seiner Zeit. Eine geschwisterliche, so würde man vielleicht heute sagen. Ob einer ein Christ ist, ist nicht so sehr an seinem Reden, Singen oder Beten abzulesen, sondern an seinem Tun.

Wir singen die erste Strophe des Liedes miteinander.

Liebe sind Worte und Taten

2. Christus sie selbst das Zeichen nennt, / daran man seine Jünger kennt; / in niemands Herz man sehen kann, / an Werken wird erkannt ein Mann.

Es ist ein durch und durch biblisches Lied, das Nikolaus Hermann da gedichtet hat. Auf Schritt und Tritt nimmt er biblische Worte auf. Unter den Versen ist das z.T. abgedruckt, aber es wären noch viel mehr zu nennen:
Dass Liebe das Zeichen für einen Jünger ist, sagt Jesus im Johannesevangelium:
„Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh 13,35)
Oder, wenn es darum geht, dass Taten das christliche Leben ausmachen:
„Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. 8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. 20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner.“ (1. Joh 4)
„Was hilft's, liebe Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen?“ (Jak 2,14)

Mit den Werken sind Werke der Liebe, heute würden wir sagen, Taten der Liebe gemeint wie auch in dem neuen Kirchenlied „Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten.“

Wir singen die zweite Strophe des Liedes.

Liebe ist nicht immer nur lieb

3. Die Lieb nimmt sich des Nächsten an, / sie hilft und dienet jedermann; / gutwillig ist sie allezeit, / sie lehrt, sie straft, sie gibt und leiht.

Nach der Einführung, dass Glaube ohne tätige Liebe kein Glaube ist, nun die nächste Frage: Wie sehen solche Taten der Liebe aus? Lieben ist, sagt Nikolaus Hermann, Helfen und Dienen. So hat es Jesus vorgelebt:
„Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener. (Mk 9,35)

Aber tätige Liebe ist nicht immer nur lieb. Liebe schmiert dem anderen nicht einfach nur Honig ums Maul. Liebe, die sich wirklich des Nächsten annimmt, schaut, was der andere braucht: Sie gibt und schenkt, wenn es nötig ist. Sie leiht aber auch nur. Ja, manchmal belehrt Liebe vielleicht auch, wenn jemand auf dem falschen Weg ist. Ja, im Zweifelsfall kann und muss Liebe auch einmal strafen. Das ist ein ganz schwieriges Thema, weil man auch leicht die Grenzen überschreiten kann, aber verantwortliche Eltern und Erzieher werden verantwortlich damit umgehen.

Wir singen die dritte Strophe des Liedes.

Sich selber auf die Schulter klopfen

4. Ein Christ seim Nächsten hilft aus Not, / tut solchs zu Ehren seinem Gott. / Was seine rechte Hand reicht dar, / des wird die linke nicht gewahr.

Aus der Not helfen, das macht einen Christen aus. Und doch sind mit der besten Tat auch gleich Gefahren und Versuchungen verbunden: Wenn ich habe helfen können, fühle ich mich gut. Ich bin zufrieden und glücklich, aber auch der Weg zum Stolz ist nicht weit: Wenn mir der andere schon nicht auf die Schulter klopft, dann tue ich es halt selber. Und schon habe ich das Gute nicht so sehr für den anderen getan oder Gott zu Ehren, sondern zu meiner Ehre.
Aufgrund von Erfahrungen seiner Zeit sagt es Jesus in der Bergpredigt so:
„Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut.“ (Mt 6,3)
Das ist ein hartes Wort, weil man es unmöglich einhalten kann: Ich kann mich nicht innerlich zerreißen oder aufteilen. Die linke Hand, die vom Herzen kommt, wird immer auch wissen, was die rechte Hand, die tätige Hand, gerade getan hat. Aber die Richtung ist klar.
Ein Lob also allen in unserer Gemeinde und Siedlung, die so helfen: unaufdringlich, im Hintergrund, ohne große Worte, wenn es z.B. um die Nachbarschaftshilfe geht oder wenn eine Generation ganz selbstverständlich und ohne Aufhebens für die andere da ist.

Wir singen die vierte Strophe des Liedes.

Ein Beispiel neuen Handelns

5. Wie Gott lässt scheinen seine Sonn / und regnen über Bös und Fromm, / so solln wir nicht allein dem Freund / dienen, sondern auch unserm Feind.

Das ist die zweite Versuchung bei der Liebe, die aus dem Glauben kommt: Die Versuchung, dass das Hemd einem näher ist als der Rock, die Versuchung, nur dem Freund zu helfen. Auch hier nimmt Nikolaus Hermann bekannte Worte Jesu aus der Bergpredigt auf. Bekannt, aber ebenso schwer in die Tat umzusetzen:
„Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? 48 Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt 5)
Nein, wir sind nicht vollkommen. Und deswegen sind auch unser Glaube und unsere Liebe nicht vollkommen. Die sog. Bergpredigt Jesu war damals an seine Jünger gerichtet. Sie sollten und konnten die Welt nicht in einer Art christlicher Revolution auf den Kopf stellen, aber Zeichen setzen, wie es auch anders gehen kann. Darum geht es.

Wir singen die fünfte Strophe des Liedes.

Wir schaffen es nicht

Weil unser Glaube und unsere Liebe auf dieser Welt nicht vollkommen sind, endet das Lied mit einem Gebet: mit einer Bitte um Vergebung und mit einer Bitte um Gelingen. Vorher stehen noch zwei Strophen mit Worten aus dem Hohelied der Liebe, das wir vorhin als Epistel gehört haben. Wir singen diese drei Strophen zum Abschluss und sammeln dazu das Dankopfer ein, das heute für das Diakonische Werk in Deutschland bestimmt ist, und hier ganz speziell für die Telefonseelsorge und die Bahnhofsmission. In beiden Fällen wird eher still und unauffällig im Hintergrund geholfen.

Und der Friede Gottes ...

6. Die Lieb ist freundlich, langmütig, / sie eifert nicht noch bläht sie sich, / glaubt, hofft, verträgt alls mit Geduld, / verzeiht gutwillig alle Schuld.

7. Sie wird nicht müd, fährt immer fort, / kein' sauren Blick, kein bitter Wort / gibt sie. Was man sag oder sing, / zum Besten deut' sie alle Ding.

8. O Herr Christ, deck zu unsre Sünd / und solche Lieb in uns anzünd, / dass wir mit Lust dem Nächsten tun, / wie du uns tust, o Gottes Sohn.

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de