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Die Predigt vom 30. Juli 2006 (7. Sonntag nach Trinitatis):
»Am Anfang steht das Lob«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 7. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die Gemeinschaft (des Abendmahls) in der Gemeinde. Evangelium (1. Lesung) war die Speisung der 5000 und Epistel (2. Lesung) die Beschreibung der ersten Gemeinde. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Philipperbrief Kapitel 2:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. 3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut, achte einer den andern höher als sich selbst, 4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.
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Die Predigt
Zeugnistag

Am Freitag gab es Zeugnisse und da und dort wohl auch die üblichen Tragödien und Tränen. Am Tag zuvor konnte man die genauso üblichen Ratschläge der Schulpsychologen lesen zum rechten Umgang mit den Kindern und den Überraschungen, die sie mitbringen. Dazu gehören so einfache Dinge wie, dass es eigentlich keine Überraschungen geben kann, wenn man sich schon während des Jahres für seine Kinder interessiert. Oder dass man, wenn man schon Grund zu Kritik oder Strafe hat, da schon früher hätte ansetzen müssen. Oder auch der kleine Hinweis, dass man, bevor man sich äußert, erst einmal seine eigene Schulzeit und seine eigenen Leistungen in der Stille bedenken sollte.
Aber dann auch die wirklich entscheidenden, ja die biblischen Ratschläge: Der Wert eines Kindes hängt nicht an seinen Leistungen. Die Liebe zu ihm darf davon nicht abhängig sein. Durch jede noch so berechtigte Kritik muss die Liebe hindurchscheinen. Eine Liebe auch, die nicht in erster Linie sieht, was fehlt, sondern was schon da ist. Wenn ein Weg zum Besseren nötig ist, dann stehen an seinem Anfang die Liebe und das Lob.

Am Anfang steht das Lob

„Am Anfang steht das Lob.“ So könnte man es in einem Slogan zusammenfassen. „Am Anfang steht das Lob.“ Das gilt auch für die Worte des Apostels Paulus, die Sie vorhin gehört haben. Sie sind gerichtet an seine Gemeinde in der griechischen Stadt Philippi, die erste Stadt, in die er gekommen ist, als er auf seiner Missionsreise den Sprung nach Europa gewagt hat. Sie war und blieb sozusagen seine erste Liebe. Das lässt sich aus vielen Zeilen herauslesen. (Phil 1,3; 4,15)
Paulus möchte, dass sich diese seine Lieblingsgemeinde zum Positiven ändert. Wie macht er es? Er beginnt mit einem Lob:

1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit ...
Das heißt: So ist es bei euch in Philippi. Das gibt es schon. Es gibt Ermahnung. Also: Ihr habt echtes Interesse aneinander. Einer weist den anderen in Liebe auf seine Fehler hin.
Es gibt Trost. Also: Ihr seid aufmerksam. Einer tröstet den anderen und richtet ihn auf.
Es gibt Gemeinschaft des Geistes, also geistliche Gemeinschaft, die mehr ist als nur zusammen essen und trinken.
Es gibt herzliche Liebe. Es gibt Barmherzigkeit.
Kann man einer christlichen Gemeinde ein größeres Lob aussprechen: Barmherzigkeit, Liebe, Gemeinschaft, Trost.

Auch ich werde manchmal von Gemeindegliedern und Außenstehenden gefragt, wie ich denn mit meiner Gemeinde zufrieden bin. Und dann zähle ich auf, worüber ich mich freue: Über die Vielfalt der Gruppen und Kreise. Über die Bereitschaft, sich zu engagieren. Über das Interesse der Neuzugezogenen, die sich so schnell in die Gemeinde integriert haben. Über den im Vergleich zu anderen guten Gottesdienst- und besonders den guten Kindergottesdienstbesuch. Über die Spendenbereitschaft.
Am Anfang steht das Lob. Ich müsste, du müsstest, wir müssten es eigentlich viel öfter tun: loben.

Loben, und dann?

1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, ...

Paulus freut sich und er zählt alles auf, worüber er sich freut, aber ... Und jetzt kommt nach dem Lob das große, freundliche aber, hinter dem halt doch der erhobene Zeigefinger noch ein wenig heraus schaut: Ich freue mich über euch, aber ich könnte mich noch viel mehr freuen, wenn Ihr ...

Gemeinsam Gemeinde sein

2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.
Anscheinend gab es in der Gemeinde in Philippi, die ja aus Menschen und nicht aus Engeln bestanden hat, Defizite in der Gemeinschaft. Sie waren nicht immer eines Sinnes. Sie haben ihre Liebe untereinander nicht gleich verteilt. Sie haben ihre Ziele nicht einmütig und einträchtig verfolgt.
Ich frage mich: Geht das überhaupt bei der Vielzahl verschiedener Menschen und Charaktere in einer Gemeinde? Ich frage mich: Geht das bei uns heute, wenn es schon bei den damaligen kleinen Gemeinden nicht so einfach war? Die Forscher sagen uns, dass wir uns die Christen damals in kleinen Hausgemeinden vorstellen müssen. Mit höchstens zweistelligen Mitgliederzahlen. Höchstens so viele wie in unseren heutigen Freikirchen, wo es familiär zugeht und einer den anderen kennt. Wir aber mit unseren fast 2.000?
Aber als Fernziel will ich es trotzdem nicht aus dem Auge verlieren: So viele wir auch sind und so verschieden, das Bewusstein muss wachsen, muss in allen Gemeinden wachsen: Wir sind nicht verschiedene begabte und engagierte Einzelne, sondern wir sind eine Gemeinde.
Es hilft nichts, über das Erstarken anderer Religionen zu jammern, gar das Schreckgespenst einer islamischen Gesellschaft an die Wand zu malen. Wir müssen uns unsererseits unseres Christseins und seiner verbindenden Kraft bewusster werden.

Den alten Adam ersäufen

Paulus weiter:
3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen.
Paulus lobt die Gemeinde für Barmherzigkeit, Liebe, Gemeinschaft, Trost und Ermahnung. Es ist gut, dass es das gibt. Aber die heimliche Gefahr ist da, dass es um seiner selbst willen geschieht: Ich ermahne, und es geht mir weniger um die Fortschritte, die der andere macht, sondern darum, dass ich recht behalte. Ich tue Gutes, aber ich will dabei gesehen und dafür gelobt werden.
Auch unter Christen gibt es den Egoismus. Unser alter Adam, der Egoist tief in uns, der theoretisch durch die Taufe überwunden ist, muss nach den Worten Martin Luthers täglich neu ersäuft werden.

Das Ziel wird nicht von heute auf morgen erreicht. Wie kann man praktische kleine Schritte tun zu mehr Gemeinschaft? Paulus sagt zwei Dinge: Es geht erst einmal um die innere Einstellung und dann um das richtige Sehen.

„Ich bin o.k. und du bist o.k.“

3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst.
Wie sehe ich mich und wie sehe ich den anderen? Wie viel bin ich wert und wie viel ist der andere wert? Bevor ich überhaupt auf einen anderen zugehe, habe ich eine innere Einstellung. Die Psychologen nennen uns die vier verschiedenen Möglichkeiten:
„Ich bin o.k.“ - „Du bist nicht o.k.“ Wer nur so auf jemand anders zugehen kann, der kann gleich aufhören. Schuld sind immer nur die andern. Ändern müssen sich immer nur die anderen.
„Ich bin nicht o.k.“ - „Du bist o.k.“ Wer das Leben so einseitig sieht, wer sich dauernd selbst klein macht, wer meint, er kann nichts und ist nichts und taugt nichts, der hat noch nicht wirklich erfahren, dass Gott ihn liebt, und dass er ein wertvoller Mensch ist – mit allen seinen Fehlern.
„Ich bin nicht o.k.“ - „Du bist nicht o.k.“ Die ganze Welt ist schlecht. Es hat ja doch alles keinen Wert. Depressiv und missmutig wurstelt ein jeder so vor sich hin. Es braucht keine Ziele und auch keine Anstrengungen. Es ändert sich ja sowieso nichts.
„Ich bin o.k.“ - „Du bist o.k.“ Das ist im Psychologendeutsch das christliche Wissen, dass Gott dich und mich gleichermaßen geschaffen hat. Das christliche Bekenntnis, dass Christus für dich und mich gleichermaßen gestorben ist. Dass wir vor Gott gleich, gleich bedürftig und gleich wertvoll sind.
Wer mit dieser Grundeinstellung auf den anderen zugeht, der kann eigentlich schon gar nichts mehr falsch machen.

Richtig sehen lernen

Und dann noch der praktische Hinweis des Paulus: Neben der Grundeinstellung geht es ums rechte Sehen.
4 ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.
Mit den Augen des anderen sehen lernen. Mit den Ohren des anderen hören lernen. Mit dem Herzen des anderen fühlen lernen.
Bevor ich etwas sage, überlegen: Wie könnten diese Worte beim anderen ankommen?
Bevor ich etwas tue oder unterlasse, mir bewusst machen: Wie könnte es auf den anderen wirken?
Ich weiß, und ich weiß es natürlich von mir selber: Leicht gesagt und schwer getan. Aber ohne solche Ziele und ohne kleine Schritte geht es gar nicht. Und Gott sei Dank: Es tut sich doch immer etwas. Es gibt doch die kleinen Schritte – oder nicht?

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de