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predigt[e].de

Die Predigt vom 3. Dezember 2006 (1. Advent):
»Besuch kommt«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag im Advent. Sein Thema ist das Kommen Gottes: damals und auch heute. Evangelium (1. Lesung) war Jesu Einzug in Jerusalem und Epistel (2. Lesung) die Überzeugung des Paulus, dass Gott nahe ist. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war der Lobgesang des Zacharias in Lukas 1:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
67 Und sein Vater Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: 68 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk 69 und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David 70 - wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten -, 71 dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, 72 und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund 73 und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, 74 dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, 75 ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.
76 Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest, 77 und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, 78 durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
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Die Predigt
Besuch kommt!

Stellt euch vor, Kinder, jemand hat angekündigt, dass er euch besuchen will. Ein Onkel, eine Tante, eine Patin, eine Oma, ein Opa, eine Freundin, ein Freund ...
Ich habe mich als Kind immer gefreut, wenn Besuch gekommen ist. Ich will ehrlich sein: Meistens habe ich mich gefreut, denn manchen Besuch habe ich nicht so gerne gehabt.
Und: Kinder, die nicht gerne ihr Zimmer aufräumen, freuen sich manchmal auch nicht so sehr über Besuch. Denn wenn Besuch kommt, muss in den meisten Familien alles aufgeräumt und in Ordnung sein. Das meinen zumindest die Eltern. Ihr vielleicht nicht unbedingt.

Aber normalerweise ist es so: Wir freuen uns, wenn Besuch kommt. Kinder freuen sich und Erwachsene eigentlich auch. Wir sind gespannt. Wir können es nicht erwarten.
Und warum freuen wir uns? Was ist das Schöne daran, wenn Besuch kommt? Wir freuen uns über den Menschen, der kommt, weil wir ihn mögen. Wir freuen uns, dass er da ist, dass er Zeit für uns hat, dass er erzählt und wir erzählen können.
Und – seien wir ehrlich: Wir freuen uns auch über das, was der Besuch uns mitbringt. Stellt euch vor: Besuch ist da. Ihr könnt gar nicht erwarten, bis er endlich Jacke oder Mantel ausgezogen hat, bis er alle begrüßt hat, bis er sich hingesetzt hat. Und wenn ihr ganz ungeduldig seid, dann fragt ihr mit ganz großen Augen: „Hast du mir auch etwas mitgebracht?“ Und – stellt euch vor – der Besuch sagt: „Nein, ich hab dir heute nichts mitgebracht. ...“
Wir freuen uns, wenn jemand an uns denkt. Wir freuen uns, wenn wir nicht vergessen werden.

Vergessen werden, ist nicht schön

Besuch bekommen ist etwas Schönes. Vor allem für Kinder. Was meint ihr: Wer könnte sich über Besuch noch viel mehr freuen als ihr?
Ich glaube, kranke Menschen freuen sich sehr über einen Besuch. Alte Menschen freuen sich sehr. Einsame Menschen freuen sich sehr. Vor allem sie wollen hören und erleben: Ich bin nicht vergessen. Jemand denkt an mich.

Vergessen werden ist nicht schön: Erwachsene schauen in den Briefkasten. Keine Post da? Denkt niemand an mich?
Andere schauen in ihren E-Mail-Briefkasten: Niemand hat mit geschrieben? Will niemand etwas von mir?
Jugendliche schauen auf ihr Handy: Kein Anruf in Abwesenheit. Keine SMS. Interessiert sich niemand für mich?

Gott schaut bei uns zu Hause vorbei

Wir feiern heute den 1. Advent. Advent, das heißt auch deutsch: Ankunft, Ankommen. Also: Da kommt jemand. Besuch kommt.
Wer kommt? Gott kommt zu Besuch. Gott hat uns nicht vergessen. Gott schaut bei uns zu Hause vorbei.
So steht es in der Geschichte von Zacharias. Zacharias war ein Priester am Tempel in Jerusalem. Er und seine Frau Elisabeth sind alt. Und ihre größte Sorge ist: Sie haben kein Kind.
Da begegnet dem Zacharias im Tempel ein Engel und bringt ihm die Botschaft von Gott, dass er und seine Frau Elisabeth doch noch ein Kind bekommen sollen: Obwohl sie schon alt sind. In einem Alter, wo Frauen normalerweise keine Kinder mehr bekommen.
Also kann es der Zacharias nicht glauben. Der Engel sagt: Bei Gott ist nichts unmöglich. Und damit du weißt, dass es stimmt, und was Gott alles kann, wirst du nicht sprechen können, bis das Kind geboren ist.
Und so geschieht es: Der kleine Johannes wird geboren. Der, der später Johannes der Täufer heißen wird. Und da findet Zacharias seine Sprache wieder. Und als erstes sprudelt ein Lobgesang aus ihm heraus: Ja, Gott hat sie beide, ihn und seine Frau nicht vergessen. Ja, Gott hat alle seine Menschen nicht vergessen. Und so heißt das dann in der Sprache von Martin Luthers Bibelübersetzung: (siehe Text oben)

Gott weiß die Adresse und das Stockwerk

Ein langer Text. Man kann sich nicht viel merken, wenn man ihn nicht öfter liest. Zwei kleine Teile davon sind mir ganz wichtig geworden: Die, wo steht: Gott hat uns nicht vergessen. Er kommt uns besuchen:
67 Und Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: 68 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk.
78 Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.


Beides steht da: Gott hat uns besucht und er wird uns besuchen. Advent heißt also: Damals, als die Menschen in Israel Gott sehr gebraucht haben, damals, als sie nach einem Retter gerufen haben, hat Gott Jesus geschickt. Als kleines Kind, als Mensch ist Gott zu ihnen gekommen.
Und Advent heißt: Besuch kommt. Gott kommt auch zu uns. Gott hat uns nicht vergessen. Gott besucht uns zu Hause.
So steht es für die Erwachsenen im Gesangbuch. Es ist ein Wort von Friedrich Walz, der mein Studentenpfarrer in Erlangen war:
„Heimsuchung heißt heute: ein Schicksalsschlag oder eine Krankheit, ein Trauerfall. Gemeint war ursprünglich: Gott sucht uns daheim. Er sucht uns zu Hause auf. Er weiß unsere Adresse und das Stockwerk, in dem wir wohnen.“ (Evangelisches Gesangbuch S. 987)

Gott kennt unsere Dunkelheit

68 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk.
Advent heißt: Gott besucht und erlöst uns. Was ist mit Erlösung gemeint? Wovon müssen wir erlöst werden?
Erlöst werden, losgemacht, befreit werden muss jemand, der wie gefangen ist, der eingesperrt ist: Gefangen in seiner Einsamkeit. Gefangen in seiner Krankheit. Gefangen in seiner Angst. Gefangen in seiner Trauer. Gefangen in seinen Sorgen.
Gerade zu den Menschen will Gott zu Besuch kommen. Er will persönlich vorbei kommen. Er kennt die Straße und die Hausnummer. Er sagt: Ich habe dich nicht vergessen.
78 Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes.
Advent heißt: Gott will als Licht zu denen kommen, die im Finstern und im Todesschatten sitzen.
Wer sitzt im Finstern? Wer einsam ist. Wer nicht geliebt wird. Wer allein gelassen ist. Wer vergessen ist. Wer von den anderen auf die Seite geschoben wird.

Mehr Besuche machen

78 Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Und das ist zum Schluss wichtig: Wenn Gott zu uns kommt, dann will er unsere Füße richten. Das heißt: Er will unsere Füße ausrichten. Er will unseren Füßen den Weg zeigen. Er will uns zeigen, wo wir hingehen sollen. Er will uns in Bewegung setzen in Richtung Frieden.
Wie könnten wir im Advent ein wenig mehr Frieden bringen? Vielleicht genauso, wie Gott Frieden in die Welt gebracht hat:
Wenn Gott zu Besuch kommt, wenn Besuchen, seine Eigenart, seine Spezialität ist, müssten wir dann nicht mehr Besuche machen?
Wer weiß, wer alles auf uns wartet in diesen Tagen? Ja, braucht Gott sogar Helfer, damit er alle besuchen kann, die auf ihn warten?

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de