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Die Predigt |
Fromm oder politisch?
„Auf dem Weg der Gerechtigkeit.“ So lautet das Jahresmotto
der Evangelischen Männerarbeit in Deutschland im Jahr 2007. Und
gemeint ist in erster Linie die Gerechtigkeit, also die gerechte Verteilung
in der Gesellschaft. Ein politisches Thema. Die Themen der letzten
Jahren waren äußerlich gesehen eher „fromm“
als politisch, z.B. im vorletzten Jahr „Was Männern Sinn
gibt.“ Oder im vergangenen Jahr, wenn gefragt wurde, wo für
Männer die Quellen ihrer Kraft sind.
Aber das ist nur scheinbar ein Gegensatz, denn Glauben und Handeln
dürfen nicht auseinandergerissen werden: aus persönlicher
Frömmigkeit heraus folgen automatisch auch Taten. Wirklich fromme
Menschen reden nicht nur fromm daher. Und andersherum: Man kann nur
dann in einem guten Sinne politisch handeln und reden, wenn man weiß,
was einen von innen her antreibt und trägt. Sonst wird ein blinder
Aktionismus daraus oder ein Politiker schielt nur noch auf das nächste
Wahldatum.
Denkschrift zur Armut in Deutschland
Ausgangspunkt für dieses Jahresthema wird wohl auch gewesen sein,
dass die Evangelische Kirche im vergangenen Jahr eine Denkschrift
zu diesem Thema verfasst hat. Ausführlich heißt sie: „Gerechte
Teilhabe – Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität.
Eine Denkschrift des Rates der EKD zur Armut in Deutschland.“
(Wer mehr darüber wissen will, kann Herrn Dr. Wolff danach fragen.)
Internet: http://www.ekd.de/EKD-Texte/denkschrift_gerechte_teilhabe.html
Verteilungsgerechtigkeit
Die biblische Grundlage für dieses Jahresthema ist ein Vers aus
dem alttestamentlichen Buch der Sprüche:
„Auf dem Wege der Gerechtigkeit ist Leben; aber böser
Weg führt zum Tode.“ (Spr 12,28)
Das Buch der Sprüche ist ein Weisheitsbuch, eine große
Sammlung von Lebensweisheiten. Die Lebenserfahrung der Menschen der
alttestamentlichen Zeit aus vielen Jahren und Generationen ist gebündelt
und zusammengefasst.
Eine Gemeinschaft, angefangen von der kleinsten Gemeinschaft Ehe über
die Familie, das Dorf bis hin zum Land, bleibt nur am Leben, wenn
immer wieder neu Gerechtigkeit angestrebt und geschaffen wird. Wenn
aber die Unterschiede wachsen, wenn gleiche Arbeit nicht mehr zum
gleichen Lohn führt, wenn Arbeitgeber das zig-Fache ihrer Arbeitnehmer
verdienen, wenn jemand unverschuldet seine Arbeit verliert, dann wächst
der Spaltpilz, dann folgen Neid und Misstrauen. Und am Ende fängt
mancher an, sich in der Politik nach dem starken Mann zu sehnen, der
alles wieder gleich macht.
Von den Alten, die das Werden unserer Siedlung, die nächstes
Jahr 75 Jahre alt wird, noch miterlebt haben, wird immer wieder wehmütig
erzählt, wie gut das Zusammensein damals gewesen sei, weil alle
gleich wenig hatten. Ob das wirklich immer so war, kann ich nicht
beurteilen. Doch normalerweise schönt unsere Erinnerung die vergangenen
Zeiten. Und mancher Hinweise deutet darauf hin, dass z.B. aus politischen
Gründen doch mancher ein weniger gleicher war als andere, oder
auch dass findige Menschen sich damals schon ein größeres
Stück vom gemeinsamen Kuchen geholt haben.
Gerechtigkeit im Alten Testament
Die Verteilungsgerechtigkeit hat tiefe und alte Wurzeln im Alten Testament:
Weil es keine Sozialversicherung, keine Arbeitslosen- und keine Rentenversicherung
gab, war die Sorge für die Armen und v.a. für die unversorgten
Witwen und Waisen Glaubenspflicht. Der zehnte Teil des Einkommens
kam ihnen zugute.
Im Hintergrund stand die Überzeugung: Alles ist von Gott geschenkt.
Und es ist allen geschenkt. Wenn also jemand von Geburt an bessere
Chancen hatte, wenn jemand mehr geglückt ist, dann sollte er
das nicht einfach seinem eigenen Können zuschreiben und die Früchte
allein für sich behalten. Wenn in unserem Grundgesetz steht „Eigentum
verpflichtet.“, dann geht das in eine ähnliche Richtung.
Die meisten dieser Weisheitsworte im Buch der Sprüche sind in
der gebildeten Oberschicht von König David und Salomo entstanden.
Sie waren sich also ihrer Verantwortung durchaus bewusst. Aber wie
es im Leben so ist: In der Praxis sah es dann in der späteren
Königszeit anders aus, sonst hätten die Propheten nicht
so heftig gegen die Ungerechtigkeit der Oberschicht gewettert.
Eine gerechtere Verteilung, die damals über die Abgabe des Zehnten
geschehen ist, übernimmt heute im Prinzip der Sozialstaat über
die Steuern. Doch der Staat kann nicht alles leisten. Er braucht die
Mithilfe seiner Bürger. Und er muss von seinen Bürgern auch
immer wieder auf seine Verantwortung hingewiesen werden. Und die schauen
natürlich genau hin, welche Beschlüsse zu den Diäten
der Politiker gefasst werden oder wer mit einem goldenen Handschlag
in den Ruhstand weggelobt wird. Und die Bürger würden auch
gerne sehen, dass der Staat die Wirtschaft nicht einfach gewähren
lässt, wenn eine Erhöhung der Managergehälter mit Arbeitsplatzabbau
einhergeht und Strom- und Gaspreiserhöhungen gar nicht recht
nachzuvollziehen sind.
Gerechtigkeit beginnt vor der Haustür
Wichtig ist nur, dass wir beim Klagen über „die Politiker“
selber sachlich und ehrlich bleiben und uns auch an die eigene Nase
fassen. Alle, die Verantwortung tragen oder getragen haben, wissen,
wie schwer es ist, wirklich gerecht zu sein. Wie steht’s mit
der Erziehung der Kinder? Behandeln wir wirklich alle gleich? Haben
wir allen das gleiche Maß an Liebe, Zeit und Aufmerksamkeit
zukommen lassen?
Und vor allem: Gerechtigkeit beginnt vor der eigenen Haustür.
Das sagt mir das Beispiel des barmherzigen Samariters, das für
diesen Männersonntag natürlich ganz bewusst ausgesucht worden
ist. Eine reine Männergeschichte: Männer treiben Handel.
Männer tun anderen Gewalt an. Männer machen einen großen
Bogen um das Problem, das da auf dem Weg liegt. Und doch gibt es Männer,
die sich erbarmen und ohne viel Diskussion und ohne Angst zupacken.
„Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben.“ sagen die Sprüche.
Gerechte Verteilung ist ein Weg, ein Prozess. Gerechtigkeit geschieht
unterwegs: zu Hause in der Familie, auf dem Weg zur Arbeit, am Arbeitsplatz,
beim Einkaufen, in der Freizeit, im Wirtshaus. Wie Gerechtigkeit immer
genau aussieht, kann man nicht so einfach sagen. Aber auf keinen Fall
geschieht Gerechtigkeit, wenn jemand vorbei geht oder einen großen
Bogen macht.
Die Männer und die Frömmigkeit
Auch der Wochenspruch ist hilfreich: „Es ist dir gesagt, Mensch,
was gut ist, und was der Herr von dir fordert: Gottes Wort halten
und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“
Er wehr dem Missverständnis, dass v.a. der ein guter Christ ist,
der Gottes Wort hält, dass Christsein sich im stillen Kämmerlein
abspielt. „Und Liebe üben.“ Das gehört dazu.
Die Frömmigkeit im stillen Kämmerlein allein macht den Christen
nicht.
Für Männer könnte das durchaus hilfreich sein, denn
sie haben’s im Allgemeinen mit der Frömmigkeit nicht so.
Aber sie packen gerne an.
Bewusst als Christen anpacken ohne viele Worte zu machen. Wie könnte
das aussehen? Bei der Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau etwa, wenn
einmal ein Mann anstelle seiner Frau im Beruf nach hinten tritt. Bei
der Nachbarschaftshilfe, die in unserer Gemeinde Gott sei Dank noch
eine gute Tradition hat. Beim vorsichtigen Reden: Am Stammtisch und
beim Kaffeekränzchen sind oft alle Arbeitslosen faul und alle
Verschuldeten selbst schuld.
Oder ein schönes Beispiel vor kurzen in der Zeitung: Da nehmen
sich Rentner ganz persönlich eines arbeitslosen Jugendlichen
an. Sie helfen ihm auf den Ämtern. Sie gehen mit ihm in die Betriebe.
Sie ermutigen ihn, früh aufzustehen und ordentlich aufzutreten.
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