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Die Predigt vom 21. Oktober 2007 (Männersonntag):
»Auf dem Weg der Gerechtigkeit«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 20. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema sind Gottes gute Ordnungen. In der Gemeinde wurde jedoch wie an jedem 3. Sonntag im Oktober der Männersonntag begangen. Der Predigttext war das Jahresmotto der Männerarbeit in der Evangelischen Kirche: „Auf dem Weg der Gerechtigkeit“ zusammen mit einem Bibelwort aus dem Buch der Sprüche:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
„Auf dem Wege der Gerechtigkeit ist Leben; aber böser Weg führt zum Tode.“ (Sprüche 12,28)
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Die Predigt
Fromm oder politisch?

„Auf dem Weg der Gerechtigkeit.“ So lautet das Jahresmotto der Evangelischen Männerarbeit in Deutschland im Jahr 2007. Und gemeint ist in erster Linie die Gerechtigkeit, also die gerechte Verteilung in der Gesellschaft. Ein politisches Thema. Die Themen der letzten Jahren waren äußerlich gesehen eher „fromm“ als politisch, z.B. im vorletzten Jahr „Was Männern Sinn gibt.“ Oder im vergangenen Jahr, wenn gefragt wurde, wo für Männer die Quellen ihrer Kraft sind.
Aber das ist nur scheinbar ein Gegensatz, denn Glauben und Handeln dürfen nicht auseinandergerissen werden: aus persönlicher Frömmigkeit heraus folgen automatisch auch Taten. Wirklich fromme Menschen reden nicht nur fromm daher. Und andersherum: Man kann nur dann in einem guten Sinne politisch handeln und reden, wenn man weiß, was einen von innen her antreibt und trägt. Sonst wird ein blinder Aktionismus daraus oder ein Politiker schielt nur noch auf das nächste Wahldatum.

Denkschrift zur Armut in Deutschland

Ausgangspunkt für dieses Jahresthema wird wohl auch gewesen sein, dass die Evangelische Kirche im vergangenen Jahr eine Denkschrift zu diesem Thema verfasst hat. Ausführlich heißt sie: „Gerechte Teilhabe – Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität. Eine Denkschrift des Rates der EKD zur Armut in Deutschland.“ (Wer mehr darüber wissen will, kann Herrn Dr. Wolff danach fragen.)
Internet: http://www.ekd.de/EKD-Texte/denkschrift_gerechte_teilhabe.html

Verteilungsgerechtigkeit

Die biblische Grundlage für dieses Jahresthema ist ein Vers aus dem alttestamentlichen Buch der Sprüche:
„Auf dem Wege der Gerechtigkeit ist Leben; aber böser Weg führt zum Tode.“ (Spr 12,28)
Das Buch der Sprüche ist ein Weisheitsbuch, eine große Sammlung von Lebensweisheiten. Die Lebenserfahrung der Menschen der alttestamentlichen Zeit aus vielen Jahren und Generationen ist gebündelt und zusammengefasst.
Eine Gemeinschaft, angefangen von der kleinsten Gemeinschaft Ehe über die Familie, das Dorf bis hin zum Land, bleibt nur am Leben, wenn immer wieder neu Gerechtigkeit angestrebt und geschaffen wird. Wenn aber die Unterschiede wachsen, wenn gleiche Arbeit nicht mehr zum gleichen Lohn führt, wenn Arbeitgeber das zig-Fache ihrer Arbeitnehmer verdienen, wenn jemand unverschuldet seine Arbeit verliert, dann wächst der Spaltpilz, dann folgen Neid und Misstrauen. Und am Ende fängt mancher an, sich in der Politik nach dem starken Mann zu sehnen, der alles wieder gleich macht.
Von den Alten, die das Werden unserer Siedlung, die nächstes Jahr 75 Jahre alt wird, noch miterlebt haben, wird immer wieder wehmütig erzählt, wie gut das Zusammensein damals gewesen sei, weil alle gleich wenig hatten. Ob das wirklich immer so war, kann ich nicht beurteilen. Doch normalerweise schönt unsere Erinnerung die vergangenen Zeiten. Und mancher Hinweise deutet darauf hin, dass z.B. aus politischen Gründen doch mancher ein weniger gleicher war als andere, oder auch dass findige Menschen sich damals schon ein größeres Stück vom gemeinsamen Kuchen geholt haben.

Gerechtigkeit im Alten Testament

Die Verteilungsgerechtigkeit hat tiefe und alte Wurzeln im Alten Testament: Weil es keine Sozialversicherung, keine Arbeitslosen- und keine Rentenversicherung gab, war die Sorge für die Armen und v.a. für die unversorgten Witwen und Waisen Glaubenspflicht. Der zehnte Teil des Einkommens kam ihnen zugute.
Im Hintergrund stand die Überzeugung: Alles ist von Gott geschenkt. Und es ist allen geschenkt. Wenn also jemand von Geburt an bessere Chancen hatte, wenn jemand mehr geglückt ist, dann sollte er das nicht einfach seinem eigenen Können zuschreiben und die Früchte allein für sich behalten. Wenn in unserem Grundgesetz steht „Eigentum verpflichtet.“, dann geht das in eine ähnliche Richtung.

Die meisten dieser Weisheitsworte im Buch der Sprüche sind in der gebildeten Oberschicht von König David und Salomo entstanden. Sie waren sich also ihrer Verantwortung durchaus bewusst. Aber wie es im Leben so ist: In der Praxis sah es dann in der späteren Königszeit anders aus, sonst hätten die Propheten nicht so heftig gegen die Ungerechtigkeit der Oberschicht gewettert.
Eine gerechtere Verteilung, die damals über die Abgabe des Zehnten geschehen ist, übernimmt heute im Prinzip der Sozialstaat über die Steuern. Doch der Staat kann nicht alles leisten. Er braucht die Mithilfe seiner Bürger. Und er muss von seinen Bürgern auch immer wieder auf seine Verantwortung hingewiesen werden. Und die schauen natürlich genau hin, welche Beschlüsse zu den Diäten der Politiker gefasst werden oder wer mit einem goldenen Handschlag in den Ruhstand weggelobt wird. Und die Bürger würden auch gerne sehen, dass der Staat die Wirtschaft nicht einfach gewähren lässt, wenn eine Erhöhung der Managergehälter mit Arbeitsplatzabbau einhergeht und Strom- und Gaspreiserhöhungen gar nicht recht nachzuvollziehen sind.

Gerechtigkeit beginnt vor der Haustür

Wichtig ist nur, dass wir beim Klagen über „die Politiker“ selber sachlich und ehrlich bleiben und uns auch an die eigene Nase fassen. Alle, die Verantwortung tragen oder getragen haben, wissen, wie schwer es ist, wirklich gerecht zu sein. Wie steht’s mit der Erziehung der Kinder? Behandeln wir wirklich alle gleich? Haben wir allen das gleiche Maß an Liebe, Zeit und Aufmerksamkeit zukommen lassen?

Und vor allem: Gerechtigkeit beginnt vor der eigenen Haustür. Das sagt mir das Beispiel des barmherzigen Samariters, das für diesen Männersonntag natürlich ganz bewusst ausgesucht worden ist. Eine reine Männergeschichte: Männer treiben Handel. Männer tun anderen Gewalt an. Männer machen einen großen Bogen um das Problem, das da auf dem Weg liegt. Und doch gibt es Männer, die sich erbarmen und ohne viel Diskussion und ohne Angst zupacken.
„Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben.“ sagen die Sprüche. Gerechte Verteilung ist ein Weg, ein Prozess. Gerechtigkeit geschieht unterwegs: zu Hause in der Familie, auf dem Weg zur Arbeit, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen, in der Freizeit, im Wirtshaus. Wie Gerechtigkeit immer genau aussieht, kann man nicht so einfach sagen. Aber auf keinen Fall geschieht Gerechtigkeit, wenn jemand vorbei geht oder einen großen Bogen macht.

Die Männer und die Frömmigkeit

Auch der Wochenspruch ist hilfreich: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert: Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Er wehr dem Missverständnis, dass v.a. der ein guter Christ ist, der Gottes Wort hält, dass Christsein sich im stillen Kämmerlein abspielt. „Und Liebe üben.“ Das gehört dazu. Die Frömmigkeit im stillen Kämmerlein allein macht den Christen nicht.
Für Männer könnte das durchaus hilfreich sein, denn sie haben’s im Allgemeinen mit der Frömmigkeit nicht so. Aber sie packen gerne an.
Bewusst als Christen anpacken ohne viele Worte zu machen. Wie könnte das aussehen? Bei der Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau etwa, wenn einmal ein Mann anstelle seiner Frau im Beruf nach hinten tritt. Bei der Nachbarschaftshilfe, die in unserer Gemeinde Gott sei Dank noch eine gute Tradition hat. Beim vorsichtigen Reden: Am Stammtisch und beim Kaffeekränzchen sind oft alle Arbeitslosen faul und alle Verschuldeten selbst schuld.
Oder ein schönes Beispiel vor kurzen in der Zeitung: Da nehmen sich Rentner ganz persönlich eines arbeitslosen Jugendlichen an. Sie helfen ihm auf den Ämtern. Sie gehen mit ihm in die Betriebe. Sie ermutigen ihn, früh aufzustehen und ordentlich aufzutreten.
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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de