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predigt[e].de

Die Predigt vom 11. November 2007(Martinstag):
»Teilen ist mehr als geben«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres. Vom Datum her stand jedoch der Martinstag im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Sein Thema ist das Teilen.
Predigttext
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Der Predigttext
Der Predigt lag ein Bild zugrunde. Aus Gründen des Urheberrechts wird es hier nicht abgedruckt. Die Postkarte gibt es beim Gottesdienstinstitut der Evang.-Luth. Kirche in Bayern > Onlinekatalog > Fest- und Gedenktage
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Die Predigt

St. Martin für Erwachsene?

11. November: Martinstag. Ein Tag für Kinder mit Laternenumzug und Beschenkt werden. Ein Tag auch für Erwachsene? Nachdenken über einen Heiligen im evangelischen Gottesdienst? Sind Heilige wie der Hl. Martin für uns als evangelische Christen wichtig? – Ja, sie sind auch für uns wichtig. Aber natürlich muss dieses Ja zu den Heiligen näher begründet werden:

Was bedeutet „heilig“?

Zuerst: Was sind überhaupt Heilige? In unserem alltäglichen Sprachgebrauch sind es übertrieben fromme und eher weltfremde Menschen. So möchte man lieber nicht sein. Oder es sind einmalige, herausragend gute Menschen. So können wir nicht sein.
Nach der Bibel aber sind wir alle Heilige. Alle sind wir Heilige, weil wir getauft sind und dadurch zu Gott gehören. Alles, was zu Gott gehört oder mit ihm in Verbindung bringt, wird in der Bibel heilig genannt.
Doch wer zu Gott gehört, soll auch entsprechend leben. Deswegen hat heilig sein auch etwas damit zu tun, dass Reden und Tun bei uns zusammenpassen. Jeder von uns muss seinen Weg finden, auf dem er vor sich selbst und vor Gott bestehen kann.
Kurz gesagt: Von Gott her sind wir heilig. Wir müssen es uns nicht erst erarbeiten. Aber wir müssen uns immer wieder neu einüben und bewähren.

Evangelische Heiligenverehrung?

Aber nun reden wir halt auch in einem speziellen Sinn von Heiligen, wenn wir an den Hl. Martin denken oder an andere herausragende Gestalten der christlichen Geschichte. Heiligenverehrung – ist das nicht typisch katholisch? Ich will Ihnen aus dem Augsburgischen Bekenntnis vorlesen, in dem in der Reformationszeit die Evangelischen ihren Glauben formuliert haben. (Sie finden es zusammen mit dem Kleinen Katechismus übrigens hinten im Gesangbuch:)
„Vom Heiligendienst wird von den Unseren gelehrt, dass man der Heiligen gedenken soll, damit wir unseren Glauben stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren ist. Dann kann auch ein jeder ein Beispiel nehmen an ihren guten Werken. Durch die Schrift vermag man aber nicht zu beweisen, dass man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll. Denn es ist ein einziger Versöhner und Mittler zwischen Gott und den Menschen: Jesus Christus.“
Einfacher kann man es eigentlich nicht sagen wie hier: Eine Heiligenanrufung oder Heiligenverehrung ist nach evangelischem Verständnis nicht bibelgemäß, aber das Heiligengedenken: Heilige als Vorbild im Glauben und Handeln sind auch für uns gedenkens- und bedenkenswert.
In diesem evangelischen Sinn wollen wir also heute nachdenken über den Hl. Martin. Inwiefern kann er uns Anregung und Vorbild sein, unseren eigenen Weg des Glaubens zu gehen?

Der Heilige Martin von Tours

Wer war dieser Martin? Martin lebte im frühen Mittelalter, im 4. Jhd. nach Christus. 316 geboren wuchs er in Italien auf und neigte dem christlichen Glauben zu. Sein Vater war Berufsoffizier, so musste auch er mehr oder weniger freiwillig römischer Soldat werden. Von Anfang an überraschte er durch seine dienende Lebensweise. Militärische Rangordnung war ihm nicht wichtig. Im Alter von ungefähr 40 Jahren verweigerte er vor einer Schlacht endgültig den Kriegsdienst und ließ sich taufen. Er wollte Soldat Christi werden, weiter kämpfen, aber für eine bessere Sache. Er wurde Schüler eines damals bekannten Theologen und lebte als Mönch.
370 wurde er eher gegen seinen Willen zum Bischof von Tours gewählt, einer Stadt in der Mitte Frankreichs. In diesen Zusammenhang gehört die Legende von den Martinsgänsen: Sie hätten ihn nämlich durch ihr Gezeter verraten, als er sich in einem Stall versteckte, um nicht gefunden zu werden.
Herrschen wollte er als Bischof nicht. Er gründete ein Kloster und setzte sich kämpferisch für die Christianisierung des damaligen Frankenreiches ein. 397 starb er mit 80 Jahren. Schon bald wurde er zu einem der volkstümlichsten Heiligen.

Wichtig wurde den Menschen damals sein furchtloses Auftreten vor den politischen Machthabern. Machtausübung hat Martin von Tours immer hinterfragt, auch in der Kirche, die ja davon nicht frei war und heute nicht frei ist. So war er einer der wenigen, die die Todesurteile gegen Ketzer entschieden ablehnten. Andererseits jedoch konnte Martin von Tours bei der Zerstörung heidnischer Heiligtümer auch sehr unbarmherzig sein.

Martin teilt seinen Mantel

Am bekanntesten jedoch wurde er durch ein Ereignis vom Ende seiner Soldatenzeit: Am Stadttor von Amiens in Nordfrankreich teilte er an einem eiskalten Wintertag seinen Soldatenmantel mit einem armen Bettler, dem er wohl dadurch das Leben rettete. Viele waren vor ihm schon vorbeigegangen, wie auch in der Erzählung vom barmherzigen Samariter. In seiner Lebensbeschreibung heißt es:
„Da fingen manche der Umstehenden an zu lachen, weil er im halben Mantel ihnen verunstaltet vorkam. Viele aber, die mehr Einsicht besaßen, seufzten tief, dass sie es ihm nicht gleich getan und den Armen nicht bekleidet hatten, zumal sie bei ihrem Reichtum keine Blöße befürchten mussten.“

Diese Szene vor dem Stadttor sehen Sie auf der Postkarte, die Sie am Eingang bekommen haben. Eine Martinsdarstellung auf einem Altar aus der Gegend um den Bodensee, heute im Museum in Rottenburg bei Stuttgart. Martin sitzt prächtig gekleidet auf seinem Pferd. Das Bild zeigt eher den späteren Heiligen als den damaligen einfachen Soldaten. Auf einem Schimmel, wie ihn die Könige ritten, wird er normalerweise dargestellt. (Vielleicht ist die weiße Farbe auch ein Zeichen für das Gute und Reine.) Mit seinem Schwert teilt er soeben seinen Mantel in zwei Stücke. Sonst dient das Schwert zum Kampf, jetzt rettet es Leben. Sonst dient es der Vermehrung von Land und Besitz, nun dem Teilen.
Zu seinen Füßen der Bettler in einer bedauernswerten Lage. Sein Mund zum Hilferuf geöffnet. Aussätzig vielleicht mit den roten Flecken im Gesicht und den abgefaulten Füßen. Prothesen gab es nicht. Auf den Unterschenkeln muss er sich vorwärts bewegen. Seine ganze Habe trägt er in seiner Bettlertasche über der Schulter.

Aber auch die spätere Fortsetzung der Legende ist auf dem Bild zu sehen. Im Traum nämlich erscheint Jesus dem Martin und erinnert ihn an das Wort: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. – Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich bekleidet.“ In dem roten Mantel der Liebe, der da quer durch das Bild geht, gibt Martin die von Christus empfangene Liebe weiter. Er gibt sie Christus zurück. Und indem Liebe geschieht, wird die kalte Welt um Martin herum grün.

Den Menschen und seine Bedürfnisse sehen

Was kann uns dieser Hl. Martin heute sagen? Es geht, so meine ich, in erster Linie um sein lebendiges Beispiel des Teilens. Da ist einer, der Hilfe braucht. Die, die allein von ihrem Überfluss geben könnten, ohne selbst ärmer zu werden, gehen vorbei. Er aber teilt mit dem Bedürftigen, was er selber zum Leben braucht. Kurz vor seinem Ziel denkt er nicht an sich selbst, will nicht möglichst schnell nach Hause in die Wärme kommen. Er speist den Bettler auch nicht einfach nur mit ein paar Almosen ab. Er sieht, was der andere braucht. Er sieht nicht so sehr die gute Tat. Er sieht den Menschen.
Gerechtigkeit und Teilen sind Zauberworte der heutigen Zeit. Über mangelnde Aufmerksamkeit unter Menschen wird geklagt, über mangelnde Anteilnahme, Hartherzigkeit, Ellenbogendenken, Streben nach oben ohne Rücksicht auf die Schwachen. Wären da nicht gerade heute eine Menge solcher Martins und auch Martinas nötig? Martins, die Geld teilen mit den Ärmeren in anderen Ländern und auch in der eigenen Nachbarschaft? Martins, die Zeit teilen mit einem Einsamen? Martins, die das Leid teilen mit einem Trauernden? Wenn man so recht darüber nachdenkt, kann man eigentlich viel mehr teilen als nur Geld. Die Gefahr ist groß, dass wir mit Geld und Almosen unser Gewissen freikaufen. Mir geht es genauso: Wenn ich einem Hilfsbedürftigen an der Pfarrhaustür Geld gebe, dann habe ich ihn schnell los und muss mich nicht allzu lange mit ihm beschäftigen.

Was gegen das Teilen spricht


Vielleicht werden einige sagen: Teilen ist ja doch nur ein Herumdoktern an Symptomen und trifft nicht die Wurzel. Müssten nicht die Politiker und Arbeitgeber bei den sprudelnden Einnahmen für mehr Gerechtigkeit sorgen?
Vielleicht werden einige sagen: Woher weiß ich denn, dass der Hilfsbedürftige vor meiner Tür oder in der Fußgängerzone wirklich arm ist und nicht nur ein Betrüger?
Es ist sicher richtig: Wir brauchen und sollen beim Helfen unseren gesunden Menschenverstand nicht ausschalten. Aber wir dürfen auch nicht unser Herz und unsere Hände ausschalten.

Wer ist mein Nächster?

„Wem soll ich denn helfen? Wer ist denn mein Nächster?" hat der Schriftgelehrte Jesus gefragt im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Und Jesus hat ihm keine Antwort gegeben als die: Mach im Alltag deine Augen auf. Dein Nächster ist näher als du denkst.
„Wer ist denn mein Nächster?" Das meditative Orgelstück hilft uns zum Nachdenken. Gott öffne uns die Augen. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de