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predigt[e].de

Die Predigt vom 20. Januar 2008 (Septuagesimä):
»Macht Gott, was er will?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Septuagesimä (70 Tage vor Ostern). Sein Thema: Lohn oder Gnade? Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg und Epistel (2. Lesung) die Aufforderung des Paulus, sich auch als Christ anzustrengen. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Römerbrief Kapitel 9:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
14 Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! 15 Denn er spricht zu Mose (2. Mose 33,19): »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.« 16 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. 18 So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. 19 Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen? 20 Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? 21 Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen? 22 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren, 23 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit. 24 Dazu hat er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.
Predigt
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Die Predigt
Nachttopf oder Abendmahlskelch?

Um die souveräne Freiheit Gottes des Schöpfers geht es: Wie ein Töpfer das Recht und die Freiheit hat, aus dem einen Lehmklumpen einen Nachttopf und aus dem anderen einen Abendmahlskelch zu machen, so hat Gott der Schöpfer die Freiheit über seine Geschöpfe. Und keiner kann daherkommen und Gott zur Rechenschaft ziehen: „Hey du, ich wollte eigentlich etwas anderes werden.“
Mit jedem hat er etwas anderes vor. Dem einen ist er gnädig, dem anderen nicht. Über den einen erbarmt er sich, den anderen verstockt er.

Hat Gott Israel fallen lassen?

Heißt das nun: Wie Gott gerade will, wird der eine von einer schweren Krankheit gesund, und der andere nicht. Wie Gott gerade will, kommt der Schuldige bei einem schweren Unfall mit dem Leben davon, und der Unschuldige stirbt. Wie Gott gerade will, gelingt dem einen sein Leben und dem anderen halt nicht.
Nein, darum geht es hier nicht. Von Gottes Freiheit und Gottes Erbarmen wird hier in einem ganz speziellen Zusammenhang gesprochen: Als geborenen und zum Glauben an Christus gekommenen Juden treibt den Apostel Paulus die Tatsache um, dass seine ursprünglichen jüdischen Glaubensgeschwister Jesus als den versprochenen Retter ablehnen. Ohne Christus werden sie nicht zu Gott finden. Auf der anderen Seite aber sind sie Gottes auserwähltes Volk. Gilt das nicht mehr? Hat er sie fallen lassen? Sind sie selber schuld, dass sie nicht glauben können?
Paulus denkt an seinen eigenen Weg: Ein 150-prozentiger Jude ist er gewesen. Doch alles, worum er sich als Jude bemüht hat, gilt ihm nun (nach Phil 3,8) als Scheißdreck. Er ist mit seinen eigenen Bemühungen auf dem völlig falschen Weg gewesen. Allein auf Christus kommt es an. Das ist ihm bei seiner Bekehrung vor Damaskus klar geworden. Aber als Geschenk, aus reiner Gnade, nicht aus eigener Kraft. Im Nachhinein gesehen war er verstockt und verblendet. Doch Gott hat sich seiner erbarmt und ihm die Augen geöffnet.
Wenn doch Gott seinen jüdischen Glaubensgeschwistern, die blind sind für Christus, ebenfalls die Augen öffnen könnte! Doch: Die Augen öffnen, das kann nur Gott. Bei den einen tut er es. Bei den anderen nicht. Den einen ist er gnädig, den anderen nicht. Die einen bleiben verhärtet, den anderen werden die Augen geöffnet.

Glaube ist nicht machbar

So leidet jemand am Werdegang derer, die ihm am Herzen liegen. Das ist in unserem Alltag vielleicht vergleichbar dem Leiden von Eltern im Blick auf ihre Kinder: Auch Eltern müssen oft machtlos zuschauen, in welche Richtung sich ihre Kinder bewegen und was aus ihnen zu werden droht. Was ist es gerade für Eltern, denen der Glaube am Herzen liegt, die versucht haben, ihre Kinder zum Glauben zu erziehen, für ein Schmerz, wenn sie dann ganz andere Wege gehen?
Paulus ganz eindeutig: Es liegt in ihrer Hand und es liegt nicht in eurer Hand. Ihr könnt euch abstrampeln, wie ihr wollt, und sie auch. Der Weg zum Glauben ist allein Gottes Sache:
16 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. 18 So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will.
Glaube ist nicht machbar. Ich kann ihn mir nur schenken lassen. Martin Luther hat es in seiner Auslegung zum Glaubensbekenntnis im Kleinen Katechismus in folgende Worte gefasst. Frühere Generationen haben es noch auswendig gelernt:
Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.

Doppelte Vorherbestimmung?

Paulus treibt die Frage um. Er versucht zu verstehen und zu erklären. Was wird denn nun aus seinen jüdischen Glaubensgeschwistern? Wie steht es denn mit Gottes Verheißungen? Hat er am Ende gar sein auserwähltes Volk verstoßen und sich ein anderes gesucht? Wenn man den griechischen Originaltext ansieht, sieht man sein Ringen: Ein richtiges Wörtergestopsel, ein Schreibgestammel kann man da lesen. Ein langer Satz, der mittendrin abbricht. So als würde er spüren, dass er bei seinem Nachdenken in eine problematische Sackgasse gerät. Im Deutschen kommt es gar nicht richtig raus:
22 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren, 23 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit.
Immer wieder wurden diese Worte so verstanden: Die einen sind von Anfang an, also praktisch schon vor ihrer Geburt, zum Glauben bestimmt worden und die anderen zum Unglauben. Und alles das liegt einzig und allein in Gottes Macht. Die sogenannte doppelte Vorherbestimmung.
Ich kann diese stotternden Verse nur lesen und verstehen von ihrem Ende her. Das leidenschaftliche Ringen des Paulus um seine Glaubensgeschwister endet am Ende von Römer 11 mit folgenden Worten:
Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. 30 Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, 31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. 32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. 33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?« 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Am Ende hat Gott für jeden einen Weg

Also: Versuche nicht, Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Tu als Geschöpf das Deine und lass den Schöpfer das seine tun. Für jeden Menschen hat Gott am Ende einen Weg. Irgendwie landen alle Wege, alle krummen Wege und alle Umwege auch nur wieder bei ihm. Jeder ist immer wieder ungehorsam und auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen.
Und wenn du als Mutter oder Vater das deine getan hast, dann lass deine Kinder laufen. Sie sind nicht in deiner Hand, sondern in Gottes Hand. Sie werden ihren Weg gehen, vielleicht einen ganz anderen als du, aber Gott hat einen für sie.

Und wenn du dir Gedanken machst, dann mach dir nur um dich selbst Gedanken. Freue dich über Gottes Ja in der Taufe. Freue dich, wenn Gott dir Glauben geschenkt hat. Aber versuche keine Antwort zu geben für andere: Warum andere nicht glauben können, ist nicht deine Sache, sondern allein ihre und Gottes Sache.

Du und die anderen, ihr seid alle vor Gott in der gleichen Lage: Es ist heute noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wer glauben kann, soll dankbar sein, aber auch wissen, dass sich das leicht einmal ändern kann. Und wer jetzt noch nicht oder gerade nicht glauben kann, dem kann es schon morgen geschenkt werden. Mit einem jeden von uns hat Gott einen Weg.
Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de