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Die Predigt |
Der Abendmahlskelch
als Bild für den Menschen
Im Abendmahl sind wir Empfangende
Wir können uns nur etwas schenken lassen
Nach den Worten des Hauptmanns (in Mt 8,8): „Herr, ich bin
nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, aber sprich nur ein Wort,
so wird meine Seele gesund.“
Das Wunder: Gott schenkt sich uns selber.
Wer empfängt, kann nur die Hände hinstrecken.
Wer empfängt, muss sich öffnen wie ein Blütenkelch
dem Licht.
Wer empfängt, tritt vor Gott hin wie eine offene Schale.
Mit einem Abendmahlskelch kann man den Menschen vergleichen:
Ein geweihtes, ein heiliges Gefäß ist der Kelch.
Abendmahlsgeräte sind aus edlem Material. Abendmahlsgeräte
einer neuen Kirche oder auch neugekaufte Abendmahlsgeräte werden
geweiht. Sie werden dadurch in den Dienst Gottes gestellt.
So ist auch der Mensch vor Gott edel. Er ist geheiligt. Er ist geweiht.
Er ist es nicht aus mir heraus. Er ist es, weil Gott es ihm schenkt.
Im Psalm 8 heißt es: „Du hast den Menschen nur wenig
niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn
gekrönt.“
Ein Kelch steht mit seinem Fuß fest auf dem Boden.
Auch wir Menschen werden eingeladen, mit beden Beinen fest auf der
Erde zu stehen. Gott hat uns einen Platz in dieser Welt zugewiesen.
Einen Platz, an dem er uns brauchen kann. Einen Platz, an dem wir
eine Aufgabe haben.
Dieser Platz und diese Aufgabe wandeln sich auch im Laufe eines Lebens.
Dann stehen wir für eine Übergangszeit nicht so fest wie
sonst. Doch im Hören darauf, was Gott von uns will, können
wir einen neuen festen Platz finden.
Die Form des Kelches ist die nach oben offene Schale.
Ein Kelch ist dazu da, offen zu sein und etwas aufzunehmen. Er kann
sich nicht selbst füllen. Er muss geduldig warten.
Auch wir Menschen gleichen einer Schale. Wir sollen offen sein für
Gott. Wir sollen offen sein für andere Menschen. Wir sollen uns
nicht verschließen.
Nach oben offen sollen wir uns als Christen ausrichten. Warten, was
Gott uns zu schenken hat. Warten, was Gott in unser Leben hinein legen
will.
„Aller Augen warten auf dich, Herr, dass du ihnen Speise
gebest zur rechten Zeit.“ So heißt es in den Psalmen.
Was der Kelch in sich aufnimmt, ist reines Geschenk.
Von sich aus ist der Kelch leer. So edel er auch sein mag. Für
Wochen steht er unbenutzt im Schrank. Aber voll eingeschenkt, steht
er mit seinem Fuß fest auf der Erde.
Genauso ist der Mensch: Nicht umsonst reden wir davon, dass das Leben
eines Menschen Erfüllung und Inhalt braucht. Leer sind wir von
uns aus. Und leer bleiben wir auch, wenn unser Leben keinen Inhalt
und keine Erfüllung hat.
Und so bitten wir mit den Worten des Psalms: „Fülle
uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich
sein unser Leben lang.“
Durch seine Form sammelt ein Kelch, was in ihn hinein gegeben
wird.
Oben ist der Kelch weit offen und nach unter verjüngt er sich.
Kein Tropfen soll verloren gehen. Sorgfältig umschließt
er seinen Inhalt.
So auch der Mensch: Um wirklich etwas annehmen zu können, muss
er sich sammeln. Er muss zu sich selbst finden. Er muss aufnahmebereit
werden. Dieser inneren Sammlung vor dem Abendmahl dient der Gottesdienst.
Dieser Sammlung dient die Beichte.
Die letzte Aufgabe des Kelchs ist aber: Seinen Inhalt nicht
für sich behalten, sondern verschenken.
Der Kelch, der seinen Wein für sich behalten will, verfehlt seine
Bestimmung. Der Wein, der ihm Kelch stehen bleibt, wird sauer.
Der Kelch empfängt nicht für sich. Er empfängt, um
weiterzugeben. Er nimmt in sich auf, um bis auf den Grund geleert
zu werden. Und leer wird er dann wieder in den Schrank gestellt werden.
So auch wir: Unser Leben hat nur dann einen Sinn, wenn wir auch verschenken
können. Wir stehen nur dann mit beiden Beinen fest auf dem Boden,
wenn wir für andere offen sind. Wir sollen Liebe, Hilfe und Ermutigung
weitergeben. Damit verschenken wir nur, was wir nicht aus uns selber
haben, sondern was Gott uns gegeben hat.
Und mit leeren Händen sollen wir dann am Ende des Lebens vor
ihn treten. Nicht mit Händen, die gerafft haben und nicht loslassen
können.
Wenn das alles so ist: Wenn wir mit beiden Beinen fest auf der Erde
stehen, wenn wir uns Gott öffnen, wenn wir uns sammeln und wenn
wir dann auch verschenken können wie dieser Kelch, dann geschieht
auch mit uns ein Wunder:
So wie auf wunderbare Weise Gott selbst in diesem Kelch im Abendmahl
gegenwärtig ist, so ist er auch in uns. Wir dürfen seine
Gegenwart empfangen und ihn in uns aufnehmen.
So betet der Liederdichter Tersteegen:
Herr, komm in mir wohnen, lass mein' Geist auf Erden
dir ein Heiligtum noch werden;
komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre,
dass ich dich stets lieb und ehre.
Wo ich geh, sitz und steh,
lass mich dich erblicken und vor dir mich bücken. Amen |
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