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Die Predigt vom 26. Oktober 2008 (23. Sonntag nach Trinitatis):
»Gott lässt mich sich reden«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 23. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die Majestät Gottes und die Frage nach der Göttlichkeit irdischer Ordnungen. Evangelium (1. Lesung) war Jesu Wort „Gebet den Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ und Epistel (2. Lesung) der Hinweis des Paulus, dass unsere eigentliche Heimat der Himmel ist. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war die Fürbitte des Abraham für Sodom aus 1. Mose 18:
Predigttext
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Der Predigttext
(16 Da brachen die Männer auf und wandten sich nach Sodom, und Abraham ging mit ihnen, um sie zu geleiten. 17 Da sprach der HERR: Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will, 18 da er doch ein großes und mächtiges Volk werden soll und alle Völker auf Erden in ihm gesegnet werden sollen?)
20 Und der HERR sprach: Es ist ein großes Geschrei über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind. 21 Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob's nicht so sei, damit ich's wisse.
22 Aber Abraham blieb stehen vor dem HERRN 23 und trat zu ihm und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? 24 Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären? 25 Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten? 26 Der HERR sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben. 27 Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin. 28 Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben. 29 Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man könnte vielleicht vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen nichts tun um der vierzig willen. 30 Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr rede. Man könnte vielleicht dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun. 31 Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, mit dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete: Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen. 32 Und er sprach: Ach, zürne nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht zehn darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.
33 Und der HERR ging weg, nachdem er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden; und Abraham kehrte wieder um an seinen Ort.
Predigt
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Die Predigt
(Vorbemerkung: Theologisch ist das eigentliche Thema des Abschnitts das Nachdenken über Gottes Gerechtigkeit ähnlich wie im Buch Hiob. Von den Predigthörern her habe ich mich an diesem Tag für das Nebenthema Gebet entschieden.)

Frech mit Gott reden?

Darf man so mit Gott reden? So vertraut wie mit einem Kumpel? Darf man sich so frech, ja so respektlos vor Gott hinstellen? Darf man mit Gott handeln? Schachern?

Hier steht: Abraham darf es, weil Gott etwas Besonderes mit ihm vorhat. Weil Gott etwas mit ihm vorhat, weiht er ihn sozusagen in seine Pläne ein: Er will Sodom und Gomorra vernichten, weil die Menschen dort durch und durch gottlos sind.

Mit Gott reden, weil er selbst nahe kommt

Aber es gibt auch noch einen anderen Grund in dieser Geschichte, weswegen sich Abraham so vor Gott hinstellen kann: Gott begegnet hier und in der vorherigen Geschichte dem Abraham und seiner Frau Sara in Menschengestalt. Er begegnet ihnen in der Form von drei Fremden, die zu Besuch kommen und von ihnen gastfreundlich aufgenommen werden. Es ist nicht ganz klar, wie es genau gemeint ist: Ob man sich Gott mit zwei Begleitern vorstellen soll oder ob da schon bewusst das Geheimnis der Dreieinigkeit angedeutet ist.

Also nur deswegen, weil Gott selbst hier den Abstand zwischen Gott und Mensch, zwischen Schöpfer und Geschöpf aufhebt, kann Abraham so menschlich, so burschikos mit Gott reden.
Es ist ihm wohl bewusst, dass das eigentlich nicht geht: Vers 27: Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin.

Wir sind nicht Abraham. Dürfen wir so vertraut mit Gott reden? Ja, wir dürfen: Denn mehr noch als in dieser alttestamentlichen Geschichte ist Gott im Neuen Testament den Menschen, uns Menschen nahe gekommen. Gott begegnet uns in Jesus Christus. Nicht wir treten frech vor ihn hin. Er selbst kommt uns nah.

Erfüllt Gott alle Wünsche?

So ist für mich diese Geschichte von Abraham eine Ermutigung zu frechem Gebet. Eine Ermutigung, geduldig und hartnäckig mit Gott zu reden und nicht gleich aufzugeben.

Heißt das nun: Ich bekomme alles von Gott, wenn ich nur laut und lange und hartnäckig genug schreie?
Das steht nicht da. In dieser Geschichte bittet Abraham nicht eigennützig oder egoistisch. Es geht nicht darum, was er will und braucht. Er denkt an andere. Er legt für andere ein Wort ein.

Auch im Neuen Testament hören wir davon, dass Menschen sich ähnlich frech und hartnäckig mit ihren Bitten an Jesus wenden und Gehört finden. Aber auch sie bitten für andere, z.B. für ihr krankes Kind.
Als Beispiel die sog. Erzählung vom bittenden Freund:
5 Und Jesus sprach zu ihnen: Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; 6 denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, 7 und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. 8 Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Ähnlich wie bei Abraham. Eigentlich wäre es frech und unverschämt, einen Nachbarn mitten in der Nacht aus dem Bett zu holen. Aber weil er ein guter Freund und Nachbar ist und weiß, dass der andere nicht ohne triftigen Grund etwas braucht, schenkt er ihm Gehör. Und so kann Martin Luther sagen: Beten ist Reden mit Gott wie mit einem guten Freund.
Und dann endet die Erzählung vom bittenden Freund mit den bekannten und ermutigenden Worten:
9 Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 10 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.

Gott lässt mit sich reden

Deswegen möchte ich die Geschichte von Gott und Abraham zusammenfassen in diesen einen Satz: Gott lässt mit sich reden.
Gott lässt mit sich reden. Er ist nicht der mächtige Tyrann, der alles schon ewig vorher festgelegt hat, so dass es wie in einer Art himmlischem Drehbuch abläuft. Wie in einem Drehbuch, an dem er selbst nichts mehr ändern kann. Gott hört. Er lässt mit sich reden.
Oder wie es Dietrich Bonhoeffer so treffend formuliert hat: Gott hört alle unsere Gebete, aber er erfüllt nicht alle unsere Wünsche.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de