|
Die Predigt |
Kraft aus unseren
Möglichkeiten
„Jetzt muss sich entsprechend verhalten, wer Verantwortung trägt
und Rechenschaft schuldet. Wir brauchen Achtsamkeit für das Gemeinwohl.
Wir brauchen Anstand, Bescheidenheit und Maß. Glaubwürdigkeit bringt
das Vertrauen zurück. Es ist das Band, das unsere Gesellschaft zusammenhält.
Liebe Landsleute, lassen Sie uns dieses Band gemeinsam stärken. Es
liegt wirklich an uns selbst. Schöpfen wir die Kraft aus unseren Möglichkeiten.“
So sagte Bundespräsident Horst Köhler in seiner diesjährigen Weihnachtsansprache.
„Es liegt wirklich an uns selbst. Schöpfen wir die Kraft aus unseren
Möglichkeiten.“ Das scheint im Widerspruch zu stehen zur Jahreslosung
für das Jahr 2009. Da heißt es: Was bei den Menschen unmöglich
ist, das ist bei Gott möglich. Wie nun? Liegt alles an uns selbst
und an unseren Möglichkeiten? Oder liegt es bei Gott?
Nichts ist unmöglich
In diesem zurückliegenden Jahr mussten viele v.a. das entdecken, was
ihnen nicht möglich ist. Wir haben die Ohnmacht großer, ehedem fast
allmächtiger, Finanzkonzerne und Autokonzerne erlebt. Wir sehen die
Ohnmacht der Staatenlenker, die es nicht schaffen, einen Diktator
in seine Schranken zu weisen. Wir sehen die Unfähigkeit von Israelis
und Palästinensern, miteinander Frieden zu halten. Aber auch die Unfähigkeit
der restlichen Welt, lenkend und friedensstiftend einzugreifen. Auf
der anderen Seiten haben wir gesehen, was alles möglich ist, wenn
die Zeit reif ist: „Yes, we can.“ Also: Es geht doch.
Wie sieht es nun aus mit unseren Möglichkeiten? Was ist uns möglich
in diesem neuen Jahr? Sind wir ganz allein unseres Glückes Schmied?
Die Jahreslosung warnt uns vor Überheblichkeit und erinnert uns an
unsere menschlichen Grenzen. Entgegen einem oft gehörten Werbeslogan
ist nur bei Gott nichts unmöglich.
Auch Reiche können selig werden
Wie ist das nun genau gemeint? Was bei den Menschen unmöglich ist,
das ist bei Gott möglich. Was ist der Zusammenhang dieser Worte im
Lukasevangelium Kapitel 18?
Ein Mann kommt zu Jesus und fragt: „Guter Meister, was muss ich tun,
damit ich das ewige Leben ererbe?“ Jesus erinnert ihn an die Zehn
Gebote. Die hat er alle gehalten von Jugend auf. Was will Jesus mehr?
möchte man meinen. Jesus bietet ihm die Nachfolge, er bietet ihm die
Jüngerschaft an. Er soll mit ihm ungebunden unterwegs sein, und das
Reich Gottes verkündigen. Doch um ganz frei für ein solches Leben
zu sein, müsste er sich von seinem Besitz trennen. Da wird der reiche
Mann sehr traurig. Jesus wendet sich an die Umstehenden: Da seht ihr,
wie das Geld einen Menschen binden und mit Beschlag belegen kann.
Da seht ihr, wie schwer das Loslassen ist. Es ist offenbar leichter,
dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das
Reich Gottes kommt. Die Umstehenden erschrecken und fragen: Wer kann
denn dann überhaupt selig werden? Oder mit den Worten des Mannes:
Wer kann dann überhaupt das ewige Leben erben? Leise gedacht haben
sie vielleicht: Irgendwie sind wir doch alle reich. Und irgendetwas
gibt es bei jedem, das er nur schwer oder gar nicht lassen kann. Und
dann Jesus mit dem erlösenden Wort: Was bei den Menschen unmöglich
ist, das ist bei Gott möglich.
Gott sei Dank können auch Reiche selig werden. Gott sei Dank können
wir, die wir unverdienterweise auf dem reichen Drittel der Erdkugel
geboren sind, selig werden. Nur nicht aus eigener Kraft und durch
eigenen Verdienst. Sondern als Geschenk Gottes, der Unmögliches möglich
macht. Wie steht es also mit unseren Möglichkeiten und Grenzen in
diesem neuen Jahr?
Mehr Bescheidenhat und Maß
Wenn ich den Zusammenhang recht verstehe, dann sind wir wirklich ohnmächtig
und hilflos, wenn es um das Gelingen des Lebens geht. Den Sinn unseres
Lebens; letzte, tiefe Zufriedenheit; Glück und Seligkeit können wir
uns weder durch unsere Anständigkeit verdienen, noch durch unseren
Fleiß erarbeiten, noch durch unser Geld erkaufen. Aber so viele Möglichkeiten
des Alltags stehen uns offen: „Jetzt muss sich entsprechend verhalten,
wer Verantwortung trägt und Rechenschaft schuldet. Wir brauchen Achtsamkeit
für das Gemeinwohl. Wir brauchen Anstand, Bescheidenheit und Maß.
Glaubwürdigkeit bringt das Vertrauen zurück. Es ist das Band, das
unsere Gesellschaft zusammenhält.“ Ich meine, insofern hat Bundespräsident
Köhler Recht, und sein Appell an unsere Kraft und an unsere Möglichkeiten
ist richtig. Mehr Anstand, mehr Bescheidenheit, mehr Maß, mehr Glaubwürdigkeit.
Das ist möglich und steht in unseren Kräften. Dass die Welt heute
nun einmal so ist, dass jeder halt schauen muss, wie er zurechtkommt
mit legalen oder weniger legalen Mitteln, das darf als Ausrede nicht
zählen.
Ich meine, es sei eine Frage der rechten Unterscheidung: Auf der einen
Seite lassen wir Dinge laufen oder überlassen Dinge Gott, die wir
selber anpacken müssten. Auf der anderen Seite packen wir Dinge an,
die wir eigentlich getrost Gott überlassen sollten. Oder mit dem alten
Weisheitssatz, der Martin Luther und auch Augustinus zugeschrieben
wird: „Bete, als hinge alles von Gott ab. Handle, als hinge alles
von dir ab.“
Beide Extreme führen nicht weiter: Die Hände fromm in den Schoß legen
und sagen: „Gott wird’s schon richten.“ Noch: Alles selbst machen
wollen nach dem Motto „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“
Wie gelingt Leben?
Der Gesprächspartner Jesu im Lukasevangelium war auf der Suche nach
dem gelingenden Leben. Ich verstehe Jesu Antwort so: Wer das Reich
Gottes sucht, wer das gelingende Leben sucht, der bekommt es auch,
sagt Jesus. Nur nicht aus eigener Kraft, oder gar, weil er es verdient
hätte, sondern als Geschenk Gottes. Doch beschenkt werden kann nur,
wer sich von dem Gedanken verabschiedet, dass er alles selbst machen
muss oder kann. Wenn wir es nicht krampfhaft selbst tun müssen, sondern
Gott überlassen können, was könnte dann nicht alles möglich sein.
Auf diese Weise können dann auch Vorsätze gelingen, die von den menschlichen
Möglichkeiten her eigentlich zum Scheitern verurteilt sind. Auf diese
Weise dürfen wir uns für das neue Jahr sogar Dinge vornehmen, die
utopisch sind.
Die Jahreslosung im Bild
Noch ein Blick auf das Kärtchen mit der Jahreslosung, das Sie bekommen
haben: Ein Versuch, dieses Wort von unseren und Gottes Möglichkeiten
in ein Bild umzusetzen. Ein Bild, das man ganz verschieden verstehen
kann. Welche Gedanken waren bei mir als Betrachter da? Ich sehe eine
helle Seite und eine dunkle Seite. Eine warme und eine kalte. Und
ich sehe das Kreuz, wo sich Hell und Dunkel in einer scharfen Linie
berühren. Ich sehe Linien, Klammern, Fäden, die beide Seiten miteinander
verbinden. Ich denke an die hellen und dunklen Seiten des Lebens in
diesem neuen Jahr. Die Lichtseiten und Schattenseiten, die es gewiss
geben wird. Das Gelingen und das Misslingen. Karfreitag und Ostern.
Die Sonne, die uns scheinen wird. Und Dunkel und Schatten, die nach
uns greifen. Wenn beides miteinander zu einem sinnvollen und gelingenden
Leben verbunden wird, geschieht Heilung. Wenn beides miteinander verbunden
wird, wenn beides versöhnt wird, wird das Licht auch immer tiefer
in das Dunkel eindringen und es hell machen. Heilung, Heilwerden,
Ganzwerden sehe ich in diesem Bild. Das wäre für mich so ein Beispiel,
wo unsere Möglichkeiten begrenzt und klein sind. Aber wer Sehnsucht
hat nach solchem Heilwerden, wer die Grenzen seiner Kraft und Macht
akzeptiert, wird die Hände nicht in den Schoß legt, sondern sie Gott
hinhält und ausbreitet, der wird nicht mit leeren Händen davon gehen,
sondern ganz gewiss beschenkt werden. Da gilt für mich eindeutig:
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. |
|