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Die Predigt |
Eine Meinungsumfrage
13 Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte
seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn
sei?
Der Abschnitt beginnt – modern gesagt – mit einer Meinungsumfrage.
Kein Deutschlandtrend, sondern ein Israeltrend: In Cäsarea Philippi
befinden sich Jesus und die Jünger im äußersten Norden
Israels. Die Stadt lag am Fuß des Hermongebirges, wo einer der
Quellflüsse des Jordan entspringt. Sie haben ganz Galiläa
durchwandert. Von jetzt ab wird es in Richtung Jerusalem gehen.
„Wer sagen die Leute, dass ich bin? Was halten die Menschen
von mir?“ fragt Jesus in dieser entscheidenden Wendesituation
seine Jünger. Das war nicht eine Meinungsumfrage wie heutzutage
mit dem Ziel, dass Jesus mehr über sich erfährt, oder über
seine Akzeptanz beim Volk. Die Regierenden, die oft so weit vom eigentlichen
Volk entfernt sind, brauchen offenbar solche Einschätzungen.
Nein, es war mehr eine Frage an die Jünger mit dem Ziel, dass
sie sich selbst klar werden, wer Jesus für sie ist, und was sie
von ihm erwarten. Es geht ja ab jetzt langsam, aber unaufhaltsam in
Richtung Jerusalem, d.h. auch in Richtung Leiden.
Gleich im nächsten Abschnitt nach diesen Worten wird Jesus zum
ersten Mal deutlich und ungeschminkt von diesem Leiden sprechen. Und
der gleiche Petrus, der eben noch gesagt hat, dass Jesus der Messias
ist, wird ihm das alles ausreden wollen.
Menschheitshoffnungen
Für wen haben die Menschen seiner Zeit Jesus also gehalten? Sie
haben seine Wunder miterlebt. Sie haben erlebt, dass er vollmächtig
von Gott redet wie kein anderer Prediger seiner Zeit.
14 Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer,
andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer
der Propheten.
Für den wiederauferstandenen Täufer haben ihn also manche
gehalten. Johannes war von König Herodes umgebracht worden, weil
er ihm ohne Angst seine Verfehlungen vorgehalten hat. Da steckt Hoffnung
drin: Jesus könnte einer sein, der sich vor dem Konflikt mit
den Mächtigen nicht fürchtet.
Für den alttestamentlichen Propheten Elia haben ihn manche gehalten.
Man war damals der Ansicht, dass Elia einmal dem kommenden Messias
vorausgehen würde. (Mt 11,14; 17,10) Vielleicht kam das daher,
dass Elia nach der Darstellung des Alten Testamentes nicht gestorben,
sondern lebendig in den Himmel entrückt worden war.
Warum manche ihn gerade für Jeremia oder einen der großen
Propheten des Alten Testaments gehalten haben, ist nicht ganz klar.
Gemeinsam war allen diesen Antworten, dass sie sozusagen Katechismusantworten
waren. Angelernte Antworten, die man geben kann, ohne persönlich
betroffen zu sein.
Die dann folgende Antwort des Petrus aber ist eine Herzensantwort:
15 Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? 16 Da antwortete
Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!
Jesus ist für Petrus der Christus, der erwartete Retter, auf
griechisch der Messias, auf deutsch: der Heiland. Er ist der, der
mich heil macht, der, der mich rettet. Das geht nur als persönliche
Antwort: In Jesus den Christus sehen, den Heiland, den Retter, kann
man nur, wenn man akzeptiert, dass man heilsbedürftig und rettungsbedürftig
ist.
Und was meinen Sie?
Stellen Sie sich vor, heute Morgen vor der Kirche hätte Sie ein
Reporter der Tageszeitung abgepasst, der seine Sonntagsumfrage macht.
Stellen Sie sich vor, Sie wären gefragt worden: Sie gehen zur
Kirche. Was halten Sie von Jesus?
Was hätten Sie geantwortet? Wahrscheinlich hätten Sie erst
einmal nachdenken müssen. Vielleicht hätten Sie gesagt:
„Lieber Mann, das kommt jetzt sehr plötzlich und überraschend
für mich.“ Dann hätte es bei Ihnen im Kopf langsam
rattern angefangen und es wären Ihnen vielleicht erst einmal
die angelernten Antworten eingefallen: Jesus ist der Sohn Gottes.
Der Christus, der Heiland. Ein bewundernswerter Mensch. Ein Wundertäter.
Einer, der Leute gesund gemacht hat.
Aber: eine persönliche Antwort geben. Eine Antwort auf die Frage:
Wer ist Jesus für dich persönlich? Das ist noch einmal viel
schwerer. Das kann wahrscheinlich nur, wer sich lange genug innerlich
mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Und wenn ich etwas im Herzen
glaube, dann heißt das ja noch lange nicht, dass ich es auch
so einfach vor anderen in Worte fassen kann.
Und dann kommt noch dazu, dass auch meine persönliche Art, meinen
Glauben in Worte zu fassen, von meiner Umgebung geprägt ist.
Der typische Durchschnittsoberfranke redet mehr von seinem Glauben
an Gott und redet weniger von Jesus. Wenn ich aber mit Menschen z.B.
vom CVJM oder aus der landeskirchlichen Gemeinschaft oder aus den
Freikirchen zu tun habe, dann wird dort der Name Jesu erfahrungsgemäß
viel öfter in den Mund genommen.
Und trotzdem muss das kein wirklicher Unterschied sein: Wenn wir unserem
Glauben Worte geben, dann reden wir so, wie wir es gelernt haben.
Bestimmte Gruppen und Kreise haben auch bestimmte Sprechweisen, ja
manchmal sogar ihre eigene Fremdsprache, die einem von außen
Kommenden fremd erscheint.
Und wenn jemand – wie in manchen Kreisen üblich –
in einem Gebet möglichst oft den Jesusnamen verwendet, muss es
noch lange kein frömmeres und innigeres Gebet sein als bei jemand,
der nicht viele Worte macht.
Glaube ist Geschenk
Hüten wir uns überhaupt, aufgrund der Art, wie wir von Gott
und Jesus reden, auf die Tiefe des Glaubens zu schließen. Dass
jemand nicht nur angelernte Antworten wiedergibt, sondern Gott oder
Christus als seinen persönlichen Herrn bekennt, das ist Geschenk,
das ist unverfügbar, sagt Jesus:
7 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon,
Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern
mein Vater im Himmel.
Da ist der pfingstliche Kern dieses heutigen Evangeliums. Die persönliche
Gottesbeziehung ist von Gott geschenkt, ist vom Heiligen Geist vermittelt.
Fleisch und Blut, also die menschliche Vernunft, kann sich das nicht
selbst sagen.
So haben es die Älteren von Ihnen vermutlich alle noch gelernt.
Und man kann es fast nicht schöner sagen, als es Luther im Kleinen
Katechismus tut:
„Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft
an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann;
sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit
seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“
Zu seinem Glauben stehen
Wer ist Jesus für mich? Dieser Frage muss sich jeder Christ irgendwann
einmal ganz persönlich stellen. Das gehört zu einem reifen
Glauben, zu einem durchs Leben gereiften Glauben hinzu. Da zählen
dann alle angelernten Antworten nicht mehr, sondern man muss seine
ganze persönliche finden.
Keine Angst: Das muss nicht hinausposaunt werden. Das darf auch im
Stillen bleiben.
Eines jedoch ist immer wieder verwunderlich: Vielen Zeitgenossen ist
das Reden über ihre Glaubensüberzeugung peinlich. Aber genau
die gleichen Menschen können sich mit einer kindlichen Begeisterung
öffentlich und freimütig z.B. zu ihrem Fußballverein
bekennen. Mit Schal, Trikot, Bettwäsche, Unterhose und allem
Drum und Dran. Wenn man ihnen ein Gesangbuch hinhält, entschuldigen
sie sich, dass sie nicht singen können oder heute gerade ihre
Brille vergessen haben, doch ihre Vereinshymne singen sie mit großer
Inbrunst und ohne Scheu vor falschen Tönen.
Damit ich nicht missverstanden werde: Ich wünsche mir nicht,
dass jubelnde Christusanhänger jetzt wie Fans durch die Bahnhöfe
und Innenstädte pilgern, violette Halstücher schwenken und
große Kreuze vor sich her tragen. Aber ein bisschen weniger
Scheu, vom eigenen Glauben zu reden, ohne dass es gleich peinlich
ist, das wäre doch schön. |
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