Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 9. August 2009 (9. Sonntag nach Trinitatis):
»Ein Talent hat jeder«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 9. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema sind die Gaben und Talente eines Menschen. Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) war das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden und Epistel (2. Lesung) die Erkenntnis des Paulus, dass die eigene Leistung nicht zählt.
Predigttext
Online-Bibeln der Bibelgesellschaft

Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
14 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; 15 dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort. 16 Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. 17 Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. 18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. 19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. 20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. 21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! 22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. 23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! 24 Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; 25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. 26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? 27 Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. 28 Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. 29 Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. 30 Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern. (Matthäus 25,14-30)
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Jeder hat seine Stärken und seine Schwächen

Jeder von uns hat seine Stärken - und natürlich auch seine Schwächen. Jeder von uns hat seine Potentiale, aber auch seine Grenzen. Jeder von uns kann etwas.
Wo haben wir es her? Neutral gesagt: Von Natur aus. Durch Vererbung. Oder wie man so schön sagt: In die Wiege gelegt. Geistlich gesagt: Von Gott geschenkt, der uns geschaffen hat, wie wir sind.
Wenn es nicht so wäre, wenn nicht verschiedene Talente zusammenkämen und zusammenhelfen würden, könnte Gemeinschaft nicht gelingen: Die Ehe lebt von verschiedenen Polen. In einer Familie wundert man sich, wie ganz verschiedene Kinder von denselben Eltern sein sollen. Vereine und auch Kirchengemeinden leben von dieser Vielfalt.

Die Talente sind verschieden ausgeprägt und auch verschieden verteilt. Es gibt geistige Stärken und körperliche Stärken. Es gibt verwalterische und es gibt handwerkliche Begabungen.
Sie wissen: Dem einen kann man eine Kasse anvertrauen, den kann man in einem Verkaufsstand zu einem Kassier machen, doch ein Werkzeug sollte man ihm besser nicht in die Hand drücken.
Einem anderen gelingt alles, was er mit seinen Händen anpackt, auch wenn er es nicht speziell gelernt hat. Doch wenn es ums Rechnen, Schreiben oder gar ums Reden geht, dann wird er sich vornehm zurückhalten.

Jeder hat Talent

Jeder hat ein Talent. Jeder kann etwas, und er soll sein Können nicht für sich behalten, sondern es auch einsetzen. Das ist das Geheimnis einer jeden Gemeinschaft.
Das Wort „Talent" ist ein Fremdwort. Wir meinen damit eine Fähigkeit, eine Begabung, ein Können, das ein Mensch hat und das ihn oft vor anderen auszeichnet.
Talent. Woher kommt dieses Fremdwort? Es kommt aus der Bibel. Es kommt von diesem Gleichnis Jesu, das wir vorhin als Evangelium gehört haben:
Wenn es dort heißt, ein Angestellter habe von seinem Chef fünf Zentner Silber bekommen, um damit selbständig zu wirtschaften, dann steht im Urtext dafür das Wort „Talent“. Ein Talent, von Martin Luther übersetzt mit dem deutschen Wort „Zentner“, das war im Altertum eine Maßeinheit, und dann auch eine Währungseinheit.

Talente sind eine Verpflichtung

So ein Talent, das ein Mensch hat, ist eine Verpflichtung. Das weiß schon der Volksmund, der sagt, dass man mit seinen Pfunden wuchern soll. „Mit seinen Pfunden wuchern.“ das hat nicht mit den Pfunden zu tun, die man um die Hüfte trägt. Auch dieser Ausdruck stammt aus der Bibel: So, wie der Evangelist Matthäus hier von den anvertrauten Talenten, den anvertrauten Zentnern spricht, spricht der Evangelist Lukas in seiner Version der Geschichte von den anvertrauten Pfunden.

14 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; 15 dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort.
So beginnt es.
Warum ist ein solches Talent eine Verpflichtung? Warum soll ein Talent der Gemeinschaft zugute kommen? Mit den Worten dieses Gleichnisses: Weil dein Talent nicht dein Besitz ist, mit dem du machen könntest, was du willst. Sondern weil dein Talent eine dir von Gott, deinem Schöpfer anvertraute Leihgabe ist. „Er vertraute ihnen sein Vermögen an.“
Und so verstehen wir es ja auch im Alltag: Wir meinen mit einem Talent nicht die Fähigkeit, die jemand mühsam und fleißig gelernt und sich angeeignet hat, so dass sie Folge seines eigenen Fleißes wäre. Sondern wir meinen die Begabungen, die jemand in die Wiege gelegt sind. Ein Können, das einfach da ist, oder auch nicht da ist.
Der Apostel Paulus redet deswegen in diesem Zusammenhang von den Gnadengaben, von den aus Gottes Gnade geschenkten Fähigkeiten. Und jede angeblich noch so unscheinbare und einfache Fähigkeit kann für ihn zu einer Gottesgabe werden, indem sie ein Mensch für die Gemeinde einsetzt.

Die Größe des Talents ist nicht entscheidend

„Vermögen“ – da merkt man noch die doppelte Bedeutung des deutschen Wortes: Vermögen, das ist wie im Gleichnis vordergründig erst einmal Geld, Habe, Besitz. Aber hintergründig bedeutet „Vermögen“: Ich vermag etwas. Ich kann etwas. Ich habe eine Fähigkeit.

Auf die Größe, auf die Wichtigkeit und auf die Bedeutung eines Talents kommt es letztlich nicht an, sondern einzig und allein darauf, dass man es als eine Aufgabe betrachtet und es nicht egoistisch nur für sich behält. Talente sind nun einmal verschieden verteilt. Das wird in diesem Gleichnis deutlich, indem es heißt, dem einen seien fünf, dem anderen zwei und dem dritten nur ein Zentner anvertraut „entsprechend ihrer Tüchtigkeit“.

Und ebenso kommt es in der Fortsetzung der Geschichte auch nicht auf die Höhe des Ergebnisses an, nicht auf die Menge dessen, was jemand erwirtschaftet hat, sondern entscheidend ist, ob jemand überhaupt etwas aus seinen Fähigkeiten macht.
Der in der Geschichte mit den vielen Talenten hat entsprechend viel erreicht, und der mit den weniger Talenten hat halt weniger erreicht. Doch beide werden sie mit den gleichen Worten gelobt.
20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. 21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!
22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. 23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!


Wenn einer sein Talent verkommen lässt

Soweit so gut. Doch nun zu dem ernsten und eher erschreckenden Abschluss der Geschichte. Der dritte Knecht, dem nur wenig anvertraut war, der nur ein kleines Talent hatte, geht am Ende nicht nur leer aus, sondern er wird auch aus der Gemeinschaft verstoßen. Seine Strafe ist sozusagen, dass er erleben muss, was er gelebt hat: Er hat sich und seine Talente der Gemeinschaft entzogen und muss nun auch ohne diese Gemeinschaft auskommen. Seine Knauserigkeit fällt sozusagen auf ihn zurück. Er hat sich sein Urteil selbst gesprochen.
19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen.
„Jüngstes Gericht“ nennt das das Neue Testament an anderer Stelle: Dass nämlich ein jeder von uns einmal wird Rechenschaft ablegen müssen für sein Tun und sein Unterlassen.
Und dann könnte es sein, sagt Jesus mit diesem Gleichnis, dass Gott zu dir sagt: Du hast in einer Gemeinschaft gelebt. Du hattest auch etwas davon. Du hast von dieser Gemeinschaft gelebt. Du hast gerne davon profitiert. Du hast dir gerne helfen lassen. Doch was hast du aus deinen Talenten gemacht? Was hast du eingebracht an der Stelle, wo ich dich im Leben hingesetzt habe? In deiner Familie, in deiner Nachbarschaft, in deiner Stadt, in deinem Verein, in deiner Kirchengemeinde? Wo haben die anderen von deinen Talenten profitiert, so wie du von den ihren profitiert hast?

Verstehen kann man den dritten Knecht, der sich ängstlich und mutlos zurückgezogen hat, schon: Er will kein Risiko eingehen. Denn das ist ja bekannt:
Wer sich engagiert, wer eine Aufgabe übernimmt, wer sich in einen Posten wählen lässt, der erfährt nicht nur Lob, nicht nur Zustimmung, nicht nur Schulterklopfen. Es gibt auch die Undankbarkeit und vor allem die vielen, die es besser wissen. Die es natürlich leicht besser wissen können, weil sie den Beweis nicht anzutreten brauchen, ob sie es wirklich besser machen würden.
Also: Eigentlich kein Wunder und ganz verständlich, wenn sich jemand vor der Übernahme von Verantwortung scheut. Doch: Wie soll es dann weitergehen in einer Kirchengemeinde, in einem Verein, in einer Partei, wenn jeder so ängstlich denkt?

Du wirst gebraucht!

Deswegen möchte ich aus den Worten Jesu hier mehr die Einladung als die Drohung heraushören. Nicht so sehr: Wehe, wenn du dich nicht einsetzt. Wehe, wenn du deine Zeit, deine Kraft, dein Talent für dich behältst. Denn diese Wehe-Botschaften mit dem erhobenen Zeigefinder sind ja nicht gerade ermunternd.
Eher will ich die gute Botschaft und die Ermutigung heraushören: Auch du kannst etwas. Auch du hast ein Talent. Zieh dich nicht zurück. Verkriech dich nicht in dein Schneckenhaus. Jeder Mensch braucht Lob. Jeder braucht körperliche und seelische Streicheleinheiten. Doch wie willst du die bekommen, wenn du dich nirgends einsetzt?
Gönne dir doch die Befriedigung, die es bringen kann, sich einzusetzen, zu sehen, dass etwas wächst und dass man dazu seinen Teil hat beitragen können.
Du bist etwas in den Augen Gottes. Du kannst etwas und du wirst gebraucht. Amen

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de