|
Die Predigt |
Die Bibel beschönigt
nichts
Solche Worte bestärken mein Zutrauen in die Zuverlässigkeit
der biblischen Überlieferungen. Nachdem die Jesusgeschichten
ja erst einmal über 40 Jahre nur von Mund zu Mund weitererzählt
und nicht aufgeschrieben wurden, muss man damit rechnen, dass manches
auch ein wenig ausgeschmückt und verändert wurde. Da hätten
ja auch unbequeme Wahrheiten für die Nachwelt geschönt werden
können.
Aber nein, man hat das Versagen der Jünger nicht beschönigt
und verschwiegen: die Verleugnung des Petrus, die schlafenden Jünger
im Garten Gethsemane, den Kleinglauben und die Angst bei Seesturm.
Das ist für mich Evangelium. Das ist gute Botschaft insofern,
dass wir uns auch heute mit unserem Versagen und unserem Kleinglauben
in den Evangelien wiederfinden können. Eine schonungslose Ehrlichkeit
prägt auch diese Zusammenfassung des Markus von den Osterereignissen.
Ein Begriff begegnet gleich viermal und bestimmt den Inhalt: Unglaube.
Die Jünger glauben der Maria Magdalena ihre Begegnung mit dem
auferstandenen Jesus nicht. Ebenso ergeht es den beiden Emmausjüngern,
als sie erzählen. Und dann heißt es von Jesus, er schalt
ihren Unglauben, dass sie denen nicht glaubten, die ihn als den Auferstandenen
gesehen hatten.
Der Unglauben der engsten Jünger
Unglauben. Das ist einzigartig im Mund Jesu seinen Jüngern gegenüber.
Von Kleinglauben ist sonst höchstens die Rede, z.B. in der Erzählung
vom Seesturm.
Aber es ist ja nun einmal unglaublich, was den Jüngern hier berichtet
wird. Ohne es mit eigenen Augen gesehen zu haben, wird ihnen zugemutet
zu glauben, dass der, den sie vor erst zwei Tagen am Kreuz haben elend
sterben sehen, anderen leibhaftig begegnet sei. Versuchen wir, uns
hineinzuversetzen in ihre Gefühle:
Eine Woche zuvor noch hatten sie geschrieen: „Hosianna dem Sohne
Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn." Wie einen
König hatten sie ihn empfangen. Sicher hatten einige gehofft,
sie würden nun unter seiner Führung die Römer aus dem
Land jagen. Auf dem Weg nach Jerusalem wollten zwei der Jünger
schon die beiden wichtigsten Ministerposten unter sich ausmachen,
als sie fragten, wer ihm in seinem Reich zur Rechten und wer zur Linken
sitzen werde. Und dann stirbt er und mit ihm alle ihre Hoffnungen.
Er stirbt den Verbrechertod an einem römischen Kreuz, die schändlichste
und entwürdigendste Todesart, die sich ein Jude vorstellen konnte.
Wenn er wirklich der Messias gewesen wäre, so meinten viele,
hätte ihn Gott spätestens da spektakulär retten müssen.
Und dann kommt diese Maria Magdalena und sagt, sie habe ihn lebendig
gesehen. Erstens war sie eine Frau, und Aussagen von Frauen zählten
damals nicht – auch nicht vor Gericht. Zweitens hatte sie Jesus
sehr gern gehabt. Gott weiß, was Liebende in ihrem Schmerz so
alles sehen. Drittens hatte ihr Jesus damals sieben böse Geister
ausgetrieben, sie also von einer schweren psychischen Krankheit geheilt.
Vielleicht war sie nun wieder verrückt geworden. „Und als
sie es hörten, glaubten sie ihr nicht.“
Genauso ging es den beiden Männern, als sie den Jüngern
von ihrer Begegnung mit Jesus berichten. Es steht nicht hier, aber
man denkt sofort an die beiden Emmausjünger aus dem Evangelium
vom Ostermontag, die aus Enttäuschung in ihr Dorf zurückgehen.
Jesus begegnet ihnen unterwegs. Sie erkennen ihn nicht. Und er erklärt
ihnen auf dem Weg anhand der Bibel, weswegen das alles so hat kommen
müssen, und dass der Messias gerade, indem er leidet und sein
Leben für andere hingibt, der Retter ist. Aber auch diesen beiden
können die enttäuschten Jünger nicht glauben. Obwohl
das nun auch gerichtsfest war – so könnte man hinzufügen
– denn sie bezeugten es zu zweit und sie waren Männer.
Die Auferstehung und das allgegenwärtige Tod
Worte allein haben offenbar im Blick auf die Auferstehungsbotschaft
keine Kraft. So etwas glaubt man nur, wenn man es mit eigenen Augen
gesehen und mit eigenen Ohren gehört hat. Ja, noch mehr: man
glaubt es erst, wenn man es wie der sog. ungläubige Thomas erst
handgreiflich hat wirklich fühlen und spüren dürfen.
Geht es uns heute denn wirklich anders? Die Rede von der Auferstehung
gehört zwar zu den Grundfesten unseres christlichen Glaubens,
ist aber für viele Zeitgenossen gleichzeitig auch der größte
Stolperstein. Die Gründe dafür sind heute andere als damals:
Heutige Menschen stoßen sich nicht mehr wie die Jünger
damals am schändlichen Kreuzestod. Das Kreuz ist eher zum alltäglichen
und normalen Zeichen geworden, zum Schmuck, der niemand mehr stört.
Die Auferstehungsbotschaft muss sich bewähren im Blick auf die
Fragen der Naturwissenschaft, der Naturgesetze und der Vernunft.
Die Auferstehungsbotschaft muss sich bewähren im Blick auf die
alltägliche Lebenserfahrung, dass der Tod endgültig ist
Die Auferstehungsbotschaft muss sich bewähren gerade in einer
Woche wie dieser mit ihren ganz anderen Botschaften vom Tod der drei
Soldaten in Afghanistan und vom Flugzeugabsturz vor Katyn.
Dem Auferstandenen persönlich begegnen
Zurück zu den enttäuschten und ungläubigen Jüngern
damals: Das einzige, was ihren Unglauben überwinden konnte, war
nicht die unglaubliche Botschaft anderer, sondern war die persönliche
Begegnung mit dem Auferstandenen. Jesus selber musste sich ihnen zu
erkennen geben und musste ihnen die Augen öffnen.
Und gilt nicht auch das genauso für uns: Zweifel an seiner Auferstehung
kann nur der Auferstandene selbst bei uns beheben, indem er uns im
Glauben begegnet und sich uns zu erkennen gibt – wie den beiden
Emmausjüngern oder dem Thomas.
Da hilft auch das sog. Turiner Grabtuch nichts, die – wie man
gerne sagt – wichtigste Reliquie der Christenheit. Dieses Leinentuch,
auf dem in Negativform Körper, Angesicht und Wunden eines Gefolterten
und offenbar Gekreuzigten zu sehen sind. Seine Entstehung und sein
Alter lassen sich immer noch nicht eindeutig begründen. Doch
egal, was neue wissenschaftliche Untersuchungen auch bringen mögen,
es wird immer nur eine Krücke für den Glauben bleiben können:
Für den Glaubenden vielleicht eine Hilfe. Für den Nichtglaubenden
weiterhin kein Beweis.
Wie begegnet man dem Auferstandenen?
Nicht über den Verstand, nicht über die Wissenschaft, sondern
nur über die Erfahrung, nur über das Herz geht es offenbar.
Wie kann eine solche Begegnung mit dem auferstandenen und lebendigen
Herrn aussehen?
Bei dem einen vielleicht durch ein einschneidendes Erlebnis auf dem
Lebensweg: Gesund geworden von einer schweren Krankheit. Bewahrt geblieben
bei einem Unglücksfall.
Bei dem anderen vielleicht im Gebet: Wenn mir auf einmal eine feste
Gewissheit ins Herz geschenkt wird, dass er mich erhört hat.
Bei dem weiteren vielleicht in der Stille der Meditation, wo ich mich
Gott auf einmal so nahe fühle wie noch nie.
Oder vielleicht in einem Bibelwort oder einem Losungswort, das genau
in meine Lebenssituation passt, so als wäre es heute ganz allein
für mich ausgesucht.
... z. B. im Abendmahl
Und dann vielleicht im Abendmahl. Diese letztere Art und Weise, den
lebendigen Herrn zu erfahren, wird hier im Text angedeutet: Jesus
zeigt sich den Jüngern, als sie zu Tisch sitzen. Gewiss haben
sich die Jünger beim gemeinsamen Essen an diesem Sonntag damals
an das letzte Mahl mit Jesus erinnert, das sie am Donnerstag zuvor
noch feierten. Gewiss haben sie sich an seine Worte erinnert: „Dies
ist mein Leib." Also: "Das bin ich, wie ich leibe und lebe.
Ich bin mitten unter euch."
Genauso heißt es ja auch in der Erzählung von den Emmausjüngern,
dass Jesus von ihnen erkannt wurde, als er ihnen das Brot brach. Offenbar
ist das Abendmahl ein ganz besonderes Einfallstor für unsere
Erfahrung des Auferstandenen.
Darauf wollen wir uns verlassen, wenn wir anschließend feiern.
Wir vertrauen darauf, dass Christus auf eine verborgene, unseren fünf
Sinnen nicht greifbare Art und Weise leibhaftig unter uns ist. Nehmen
Sie ihn doch beim Wort. Bringen Sie im Abendmahl alles mit nach vorne,
was Sie an Sorgen und Nöten und an Zweifeln und Fragen belastet.
Bitten Sie, dass er Sie seine Nähe spürbar erfahren lässt
und Sie diese Nähe mitnehmen dürfen in Ihren Alltag. „Herr,
ich glaube, hilf meinem Unglauben." Amen |
|