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Die Predigt vom 1. Februar 1998: „Das Evangelium in der Pappschachtel“

Sorry: eine der ersten Predigten mit einem einfachen Editor, deshalb noch im alten Layout, das nur geringfügig geändert ist.


Predigttext

Die Evangelische Kirche beging am 1. Februar den „Letzten Sonntag nach Epiphanias“. Thema dieses Sonntags ist das Licht, das durch Jesus in die Welt gekommen ist und alle Menschen erreichen soll. Epistellesung und Predigttext war ein Abschnitt aus dem 2. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth Kapitel 4, Vers 6-10. (Ich habe mich auf die Verse 6-7 beschränkt.)

6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. 7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. 8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. 9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. 10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Predigt

"Laß nicht zu, daß du einem Menschen begegnest, der nach der Begegnung mit dir nicht ein wenig glücklicher ist." So ähnlich pflegte Mutter Teresa oft zu sagen, die kleine, zähe albanische Nonne, die im vergangenen Jahr gestorben ist. Die Frau, die zusammen mit ihrem Orden "Missionarinnen der Nächstenliebe" so viele Menschen glücklicher gemacht hat. "Laß nicht zu, daß du einem Menschen begegnest, der nach der Begegnung mit dir nicht ein wenig glücklicher ist." Das ist ein hoher, ein sehr hoher Anspruch, ganz gewiß.

"Schön, daß es so etwas gibt. Aber ich bin nicht Mutter Teresa." werden manche von Ihnen vielleicht innerlich sagen. "Wie vielen Menschen begegnen wir denn tagtäglich in dieser so schnellebigen Zeit? An wieviel Menschen hasten wir vorbei? Kann man die denn alle glücklicher machen?" Oder: "Wer hat denn schon noch Zeit füreinander? Wer hört denn heute noch zu? Jeder hat doch mit sich selbst zu tun. Seinen Nachbarn sieht man manchmal tagelang nicht." Wenn das stimmt, sollen wir uns wirklich resignierend damit zufriedengeben? Vergessen wir auf der einen Seite nicht, daß das mit den vielen Begegnungen in dieser schnellebigen Zeit nicht für alle von uns gilt, sondern nur für die, die mitten im Leben stehen. Mancher, gerade unter den älteren Menschen, kann die Begegnungen eines Tages leicht an einer Hand abzählen. Und vor allem: Ich denke, daß Mutter Teresa gerade nicht die flüchtigen, wortlosen und zufälligen Begegnungen im Auge hatte, sondern die echten Begegnungen, die auch diesen Namen verdienen: wo man stehen bleibt, wo man sich in die Augen schaut, wo man sich Zeit nimmt für jemand, wo man sich ein Ohr leiht und vielleicht auch das Herz öffnet.

"Laß nicht zu, daß du einem Menschen begegnest, der nach der Begegnung mit dir nicht ein wenig glücklicher ist." Sicher - ein hoher Anspruch. Aber könnte das nicht doch immer wieder auch ein Ziel sein, dem man sich annähern möchte? Wer keine Ziele mehr hat, keine Visionen, der läßt die Welt, wie sie ist. Der kann bloß noch einstimmen in die allgemeine Klage, wie schlimm doch alles geworden ist im Vergleich zu früher. Als Christen anderen Menschen begegnen und es dadurch ein wenig heller werden lassen in ihnen. So ähnlich sagt es Paulus in der heutigen Epistel. Folgendermaßen schreibt er in seinem 2. Brief an die Gemeindeglieder in Korinth:

6 Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. 7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die über- schwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten ...

Paulus erinnert an die Schöpfung der Welt: Da hat es Gott auf der Erde, die wüst und leer war, dunkel und lebensfeindlich, zuerst einmal Licht werden lassen. Erst Licht ermöglicht Leben. Das Leben, wie wir es kennen, kann ohne Licht nicht existieren. Das gilt körperlich, das gilt aber auch seelisch. Licht war Gottes erstes Schöpfungswerk. Dunkelheit erhellen ist etwas, was allein in Gottes Macht steht. Wenn traurige Menschen wieder fröhlich werden, wenn ängstliche Mut schöpfen und depressive wieder an die Zukunft glauben, ist das ein Werk Gottes. Nicht leichter und nicht schwerer als damals, wo das Licht in die Dunkelheit kam.

Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben.

Vom 2. Kapitel des Briefes an redet Paulus von sich in der Mehrzahl. Es ist nicht ganz deutlich, warum. Vielleicht auch, weil er die ihm von Gott verliehene Autorität betont. Er muß sich nämlich verteidigen. In Korinth haben ihm seine Gegner abgesprochen, daß er ein wahrer Apostel sei. Sie haben auf sein unscheinbares Auftreten verwiesen, auf seine mangelnde Rednergabe, auf seinen kränkelnden Körper. "Wenn er Gottes Herrlichkeit zu verkündigen hat, warum sieht man an ihm gar nichts davon? Der soll ein Apostel sein, ein Beauftragter Gottes?" Der Schöpfergott, der am Anfang das Licht geschaffen hat, so Paulus, der hat es auch in ihm hell und Licht werden lassen. Der hat ihn neu geschaffen und zu einem neuen Menschen gemacht. Paulus erinnert damit vermutlich an das Ereignis, das in der Apostelgeschichte als das sog. "Damaskuserlebnis" berichtet wird: Vor der Stadt Damaskus, wo er die Christen aufstöbern und inhaftieren wollte, fällt er geblendet vom Pferd. Ein helles Licht vom Himmel und ein Stimme, die er hört, führen zu einem totalen Zusammenbruch. Und er erkennt darin Jesus Christus, den, dessen Anhänger er verfolgt. Von einem Verfolger wird er zu einem glühenden Verehrer und Missionar, der alle Entbehrungen auf sich nimmt, um diesen Jesus, von dem er überwältigt ist, möglichst vielen Menschen bekannt zu machen.

Gott ... hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Paulus hat vor Damaskus Gottes Herrlichkeit gesehen und erkannt. Er ist erleuchtet worden. Von innen heraus hat sich sein Leben grundlegend gewandelt. Und nun - dazu fühlt er sich berufen - nun soll durch ihn diese Erleuchtung auch in anderen Menschen geschehen. Alle sollen die Herrlichkeit Gottes erkennen. "Und (das sagt er nicht, aber es steht zwischen den Zeilen): bei euch Korinthern ist es ja auch der Fall gewesen." Die Herrlichkeit Gottes, sie ist für ihn zu erkennen in Jesus Christus, und nur in ihm. An Gott, den Schöpfer, an den Gott des alten Bundes hatte Paulus als frommer und strenger Jude ja schon immer geglaubt. Doch vor Damaskus hat er diesen Gott in Jesus Christus wiedererkannt.

Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen.

Der Schatz, den Paulus im Auftrag Gottes zu verwalten und weiterzuschenken hat, das ist das Evangelium, die gute Botschaft von der Nähe Gottes. Der Schatz, das ist das Licht, das ihn verwandelt hat, das auch andere Menschen verwandeln kann, und das die Christen auch in Korinth verwandelt und erleuchtet hat. Und dieser Schatz, dieses Evangelium, dieses Licht befindet sich in einem irdenen Gefäß, also in einem Gefäß aus Ton. Ton als Material mag uns heute eher edel vorkommen, weil es wieder etwas Besonderes ist. Gottes Schatz, Gottes Evangelium in einer einfachen Pappschachtel, das träfe vielleicht heute den Kern eher.Er, Paulus, er in seiner zugegebenermaßen unscheinbaren und kränkelnden Erscheinung ist dieses billige und schäbige Alltagsgefäß. Doch ihn will Gott als Werkzeug haben und gebrauchen.

Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.

Und ganz offenbar hat das Evangelium in Korinth auch die Menschen erreicht, hat eine Gemeinde entstehen lassen, hat seine überschwengliche Kraft erwiesen. Und der das bewirkt hat, war allein Gott. "Gott sei Dank", sagt Paulus, "daß ich diese unscheinbare und klägliche äußere Erscheinung bin, über die sich meine Gegner lustig machen. Gott sei Dank, denn dann es wenigstens klar, daß der Erfolg des Evangeliums bei euch in Korinth nicht mein Verdienst war, sondern allein Gottes Handeln." Von sich selber redet Paulus hier: davon, daß er Gottes erfolgeiches Werkzeug sein darf, daß Gott ihm mit dem Evangelium einen Schatz, ein Licht anvertraut hat, das er weitergeben darf. Es Licht werden lassen in anderen Menschen durch die Weitergabe des Evangeliums:

Wir sind nicht Paulus. Wir sind nicht Apostel. Wir sind nicht Mutter Teresa. Was hat es mit uns zu tun? Will Gott auch etwas von uns? Kennen Sie das: Man nimmt sich Zeit für einen Menschen und hört ihm zu. Er darf wieder einmal reden und schüttet sein Herz aus. Und je länger er redet, merkt man als Zuhörer die eigene Hilflosigkeit. Man kann diesem Menschen nicht helfen. Man kann ihm seine Not nicht nehmen. Der Hals ist einem wie zugeschnürt. Man kann nur mitleiden, still sein und da sein. Und vielleicht gelingt einem noch ein tröstendes Wort, ein Zuspruch, ein Evangelium also, eine gute Botschaft. Und am Ende des Gesprächs darf man in seiner Hilflosigkeit hören: Danke, Du hast mir sehr geholfen. Oder: Danke, das hat mir sehr geholfen. Ist da nicht auch der Schöpfergott am Werk, und wenn das Werkzeug noch so hilflos sein mag?

Du brauchst nicht Paulus zu sein, würde Paulus vielleicht sagen. Du brauchst nicht Mutter Teresa zu sein. Sei einfach Friedrich Hacker oder Elfriede Schmidt. Sei einfach, der oder die du bist. Traue nicht dir etwas zu, sondern traue Gott etwas zu, und laß dich dann von ihm in den Dienst nehmen. Wer weiß, wer auf dich wartet, daß es dann, wenn du bei ihm gewesen bist, ein wenig heller ist als vorher.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de