Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Konfirmationspredigt vom 19. April 1998:
»Konfirmation – nicht Konformation«


    [Zurück zur Leitseite] [Überblick über die Predigten] [Predigtdatenbank]

Kirchenjahr

  Die evangelische Kirche beging am Sonntag den sog. "Weißen Sonntag" mit dem lateinischen Namen Quasimodogeniti ("Wie die neugeborenen Kinder"). Beides hat damit zu tun, daß in der frühen Kirche an diesem Tag Menschen (in weißen Taufkleidern) getauft wurden.Dieser Sonntag ist in der Gemeinde der traditionelle Konfirmationstermin.
Epistellesung und Predigttext dafür finden sich im 1. Brief an Timotheus Kapitel 6, Vers 12-16. Ich habe mich auf Vers 12 beschränkt:

Predigttext

  "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen."

Predigt

  Gerne gibt man jungen Menschen bei ihrer Konfirmation ein Leitmotto mit auf den Lebensweg. Mein Motto heute: Konfirmation - nicht Konformation. Ein Buchstabe nur unterscheidet die beiden Worte. Und doch trennen sie Welten: Konformation - das geschieht dauernd. Konformation - da steckt konform drin. Kon-form auf deutsch: gleich-förmig. Wenn jemand konform geht, dann paßt er sich an. Konform gehen, das heißt: Nicht aus der Reihe tanzen. Ja nicht auffallen. Mit der Masse gehen. Machen, wie es die anderen auch machen. Unter Konformismus steht im Fremdwörterbuch: "Geisteshaltung, die stets um Anpassung der persönlichen Einstellung an die bestehenden Verhältnisse bemüht ist."
Konformation - da fällt mit der Sinnspruch ein: "Als Originale hat uns Gott geschaffen. aber wir enden dauernd als Kopien." Von Gott her, von unserer Taufe her sind wir alle Originale, Einzelanfertigungen, nicht Massenware, jeder mit seiner eigenen Art, mit seinen eigenen Fähigkeiten, jeder mit seinem eigenen Weg. Und das stimmt auch für Euch Konfirmanden: Es gibt unter Euch Originale. Es gibt eine Menge versteckter Fähigkeiten. Wenn nur alle den Mut hätten, original zu sein! Aber da eckt man halt an. Man findet nicht nur Freunde. In der Masse kann man sich leichter verstecken. Deshalb lie- ber: Konformation.

Was aber heute geschehen soll und was auch Euer Leben bestimmten soll, ist Konfirmation: Nicht konform werden, sondern firm werden. Firm, das heißt: Kräftig, selbständig, mit festem Boden unter den Füßen. Konfirmation, das heißt Bekräftigung und Bestärkung für den Lebens- und Glaubensweg, der vor Euch liegt. Selbständige und mündige Menschen sollen aus Euch werden. Selbständige und mündige Bürger. Selbständige und mündige Gemeindeglieder. Kurz: Originale. Jeder von Euch wird auf dieser Welt als Original gebraucht, jeder in seiner Art.

Euer Leben als Original bestehen und nicht als billige Kopie, das bedeutet, dort, wo es nötig ist, auch einmal gegen den Strom zu schwimmen. Natürlich ist es mit dem Strom einfacher. Aber mit dem Strom schwimmen nach einem Sprichwort nur die toten Fische. Gegen den Strom braucht es Mut und Kraft. Gegen den Strom ist es immer wieder ein Kampf, aber ein Kampf, der sich lohnt.

Von diesem Kampf auf eine gutes Ziel hin handelt der heutige Konfirmationstext. Paulus schreibt an seinen jungen Mitarbeiter Timotheus. Er mutet ihm zu, wozu andere ihn für zu jung hielten: eine Aufgabe übernehmen, eine Gemeinde leiten. Und Folgendes gibt er ihm dabei auf den Weg mit: "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Ergreife das Leben, zu dem dich Gott berufen hat. Erinnere dich an das gute Bekenntnis, das du damals vor vielen Zeugen abgelegt hast."

Mit einem Wettkampf vergleicht Paulus das Leben und die Aufgaben, die vor Euch liegen. Das Leben - es wird Euch nicht einfach in den Schoß fallen. Es will erkämpft, ergriffen, mutig am Schopf gepackt werden. Aber doch nicht so, wie viele heute kämpfen, und wie es Euch viele in der Gesellschaft vorleben: mit Ellenbogen und jeder gegen jeden. Nicht den Ringkampf meint Paulus, sondern den sog. Laufkampf der damaligen Zeit, den Kampf in der Laufarena, den "guten Kampf".
Nicht wie ein Ringkampf, sondern wie ein Lauf soll Euer Leben sein. Wie ein Lauf mit einem Start und einem Ziel. Mit Zwischenzielen, die man sich setzt. Mit einem Gewinn, der am Ende wartet. Wer sein Leben so führt, der lebt nicht von einem Tag in den andern, sondern er lebt mit Richtung und Ziel. Wer keine Ziele hat, der lebt eigentlich nicht, sondern der wird von anderen gelebt. Und genauso ist es auch beim Glaubensleben, bei der lebenslangen Suche nach dem Sinn.

Wenn nur äußeres und inneres Leben, wenn nur Berufs- und Glaubensleben auch immer miteinander im Rhythmus gehen würden! Aber das ist die große altbekannte Gefahr, daß jemand glaubensmäßig bei seiner Konfirmation stehen bleibt. Er kann dann bei seinem Lebenslauf auf dem Höhepunkt sein oder auch schon kurz vor dem Ziel, und im Glaubensleben doch noch ganz am Anfang. Im Leben ein Mann, im Glauben ein Kind. So ähnlich, wie wenn jemand im Beruf seine Lehre abschließt und dann hinterher nichts mehr hinzulernt. In Lebenskrisen und Herausforderungen zeigt es sich dann. Wie will man die Krisen eines Erwachsenen mit dem Handwerkszeug des Kinderglaubens lösen? Bemüht euch darum, daß mit dem äußeren Menschen, der wächst und vorwärtskommt, auch der innere wächst.

Auf diesen Lebensweg hin zum mündigen Menschen setzen wir Euch als Konfirmanden heute. Von seinem Beginn und von seinem Ziel redet Paulus, wenn er sagt: "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Ergreife das Leben, zu dem du berufen bist, seit du dich dazu bekannt hast vor vielen Zeugen."
Mit einem Zeugnis, mit einem öffentlichen Bekenntnis, beginnt heute Euer offizieller Weg in die Selbständigkeit Eures Glaubenslebens. Warum dieses öffentliche Ja? Weil Euch damals mit eurer Taufe andere auf diesen Weg gesetzt haben. Ohne Euch zu fragen, ohne Euch fragen zu können. Nun sollt Ihr selber und aus freien Stücken ja zu der Entscheidung Eurer Eltern sagen. Und das "vor vielen Zeugen", wie es hier bei Paulus heißt. Also hoch und heilig. Wenn Ihr Euch so weit fühlt, dann sprecht Euer "Ja, mit Gottes Hilfe" zu Gott, zum Glauben und zu seiner Kirche anschließend mutig und getrost. Und wenn Ihr Euch innerlich noch nicht soweit fühlt, dann tut es sehr zaghaft und leise, oder wartet ab und tut es einmal später auf Eurem Weg.

Das ist und bleibt ein heikles Problem unserer Konfirmationspraxis: Beim Ja, das zwei Menschen in der Ehe zueinander sprechen, läßt man sich mittlerweile lange Zeit. Man erprobt sich erst. Man nähert sich einander geduldig an und überstürzt nichts. So hat sich die kirchliche Trauung mit der Gesellschaft gewandelt. Doch die Konfirmation wird immer noch wie vor Jahrhunderten gefeiert, als hätten sich junge Menschen seitdem in ihrer Entwicklung nicht gewandelt. Der eine wäre mit 10 schon reif zum Glauben gewesen und der andere ist es mit 18 noch nicht.

Das Ziel aber, auf das Paulus weist, bleibt für alle gleich: "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. Ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen bist, seit du dich dazu bekannt hast vor vielen Zeugen."
Vom ewigen Leben spricht Paulus hier. Das ist ein mißverständlicher Begriff für Menschen, die nicht in der Bibel zu Hause sind. An ein Leben irgendwann einmal nach dem Tod denken die meisten beim Hören spontan. Ein Leben weit weg von heute und ziemlich langweilig. Und manche fragen dann zurecht: Was ist mit dem Leben vor dem Tod?
Doch genau das ist gemeint, wenn Paulus vom ewigen Leben spricht: "Ewig" meint nicht den Zeitpunkt oder die Dauer, sondern die Qualität dieses Lebens. Deswegen gefällt es mir besser, wie es im Johannesevangelium ausgedrückt wird, wo Jesus sagt: "Ich bin gekommen, daß sie das Leben in Fülle haben." (Joh 10,10) Das Leben in Fülle, das erfüllte Leben, das sinnvolle Leben, das Leben, das diesen Namen verdient.
Dieses Leben, so sagt Paulus, liegt bereit für Euch. Es liegt bereit seid Eurer Taufe. Ihr braucht es nicht erst machen. Ihr braucht nicht Eures Glückes Schmied zu sein. Das Leben liegt bereit. Ihr bräuchtet nur zuzugreifen.
Damit das geschehen kann, wünsche ich Euch Begegnungen mit Menschen, die Euch das vorleben. Menschen, die unter den vielen Stimmen heute der Stimme Gottes Gehör verschaffen. Ich wünsche Euch mehr Menschen, die ihren Glauben glaub-würdig leben und auch bezeugen. Glaubwürdig: also so, daß man ihnen glauben kann. Laßt die Begegnungen mit Kirche und Gemeinde nicht abbrechen, damit auch Euer innerer Mensch die Chance hat, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln, so wie Ihr Euch äußerlich entwickeln werdet.

Kämpft also den guten Kampf des Glaubens. Ergreift das ewige Leben, zu dem Ihr berufen seid, wenn Ihr Euch nun vor vielen Zeugen dazu bekennt. Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de