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Die Predigt vom 24. Mai 1998: »Fester Boden unter den Füßen?«


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Kirchenjahr

  Die evangelische Kirche beging den Sonntag "Exaudi" ("Höre, Herr"). Epistellesung und Predigttext aus dem Epheserbrief Kapitel 3:

Predigttext

  14 Ich beuge meine Knie vor dem Vater, 15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, 16 daß er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 daß Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. 18 So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. 20 Dem aber, der überschwenglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Predigt

  Unsere Gesellschaft und viele Menschen mit ihr leben von Moden und Strömungen, die wie eine Welle kommen und dann auch wieder gehen. Und mit allen Wellen sind dann auch schöne neue Wörter verbunden.

Da gab es vor Jahren die Schönheitswelle, wo vor allem das äußere Erscheinungsbild wichtig war. Gestylt sollte man sein, nicht nur im Gesicht, sondern in seinem gesamten Äußeren. Das Outfit mußte stimmen.

Dann kam die Fitneßwelle. Und man schaute nicht mehr nur auf das äußere Erscheinungsbild, sondern es sollte auch etwas dahinter oder darunter sein. Jogging, Walking, Bodybuilding. Und was es nicht alles gibt, sich fit zu machen und fit zu halten. Nun mußte alles light sein, light und soft, Cola Light, Philadelphia Light ...

Und weil das zugegebenermaßen immer noch zu äußerlich war, folgte die Gesundheitswelle. Schau genau hin, was du ißt. Biologisch. Biologisch-dynamisch. Makrobiotisch. Achte auf die Ernährungspyramide. Müsli, aber die Körner bitte selbst gemahlen. Joghurt, aber unbedingt rechtsdrehend.

Und nun seit einiger Zeit die Erkenntnis, daß es auch die körperliche Gesundheit allein nicht macht, sondern daß der Mensch aus Körper und Seele besteht. So sind wir mitten in einer neuen Welle, die noch keinen festen Namen hat. Esoterikwelle vielleicht. Sorge für deine Seele. Lebe ganzheitlich. Kümmere dich auch um den inneren Menschen.

Endlich, so könnte man sagen, endlich geht es zum Ende dieses Jahrtausends ums Wesentliche. Und hoffentlich können wir als Christen unter den vielen Stimmen dieser Zeit auch unserer Stimme hörbar machen. Hoffentlich verpassen wir nicht die Chance, deutlich zu machen, daß es in unserem Glauben gerade darum geht. Hoffentlich schaffen wir es, es gerade auch den Konfirmanden und Jugendlichen deutlich zu machen, daß der Gott der Bibel etwas zu bieten hat.

Den inneren Menschen stärken. Den Glauben entwickeln. Die Überzeugungen stärken. Auch seelisch Grund unter die Füße bekommen, daß man mit beiden Beinen fest stehen kann.

Stärkung des inneren Menschen. Stärkung des Glaubens. Hören Sie doch einmal hin, was der Schreiber des Epheserbriefs da Altes, aber anscheinend doch ganz Aktuelles zu sagen hat: 14 Ich beuge meine Knie vor dem Vater, 15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, 16 daß er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 daß Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. 18 So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. 20 Dem aber, der überschwenglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Ein Gebet haben wir vor uns, ein Gebet für die Christen in der Stadt Ephesus. Ein Gebet, das fest damit rechnet, daß auch innere Kraft und Glauben wachsen können. Ein Gebet: Es beginnt mit einer Anrede Gottes. Dann folgt eine zuversichtliche Bitte, viergeteilt. Und dann endet es mit einem Lob Gottes, mit dem Vertrauen, daß Gott das alles tun kann und will.

Zuerst die Anrede: 14 Ich beuge meine Knie vor dem Vater, 15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden.

Wir sind nicht wie in der Katholischen Kirche das Knien, das Beugen der Knie beim Gebet gewohnt. Wir kennen es nur von den Einsegnungen, z.B. bei der Konfirmation oder einer Trauung. Und so wird es leider einseitig als katholisch angesehen, obwohl es doch seinen tiefen christlichen Sinn hat. Knien heißt, auch körperlich zum Ausdruck zum bringen, daß man empfangsbereit ist und sich etwas schenken lassen will. Sich von Gott die innere Stärke, von der hinterher die Rede ist, schenken lassen. Eine Stärke, die man nicht selbst machen kann. Und so geht dieses Gebet an Gott, den Vater, der, wie es heißt, „der rechte Vater” ist. So wie Kinder sich von einem rechten, echten und richtigen Vater erwarte, daß er ihnen gibt, was sie brauchen, so auch von Gott.

Was erbittet der Apostel nun für seine Gemeindeglieder dort in Ephesus? Im Ganzen ein Wachsen im Glauben, eine Stärkung des Vertrauens. Und im einzelnen vier Punkte:
Sie sollen stark werden am inneren Menschen.
Christus soll in ihnen wohnen.
Sie sollen in der Liebe eingewurzelt sein.
Sie sollen tiefere Einsicht gewinnen über Gott und ihr Leben.

Im einzelnen: 16 daß er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen.

Davon habe ich zu Beginn schon gesprochen, daß man heute zunehmend begreift, daß der Mensch nicht nur aus dem Körper besteht, daß man also nicht nur allein für Schönheit, Kraft oder äußere Gesundheit sorgen soll. Der innere Mensch, der inwendige, wie Luther übersetzt, braucht auch seine Pflege. Bin ich zufrieden mit dem, was ich habe und erreicht habe? Werde ich gebraucht? Habe ich Freude am Leben? Bin ich standhaft auch in Krisen und Rückschlägen? Habe ich seelisch und geistlich festen Boden unter den Füßen? Solche innere Stärke und Festigkeit kann man nicht selber machen. Man kann sie nicht mit Geld kaufen. Man kann sich nicht wie Münchhausen seelisch am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Man kann sich solche Stärke nur erbitten, und deswegen ist auch nicht umsonst der gesamte Abschnitt ein Gebet.

Und zweitens: 17 daß Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne.

Das Herz, damit ist hier nicht das Körperorgan gemeint, nicht die Blutpumpe in unserer Brust. Das Herz, das ist im Denken der damaligen Zeit das Zentrum meiner Person. Da wo ich Freude spüre und Trauer. Da wo Zorn aufkommt und Ruhe einkehrt. In meinem Herzen, da werden unsichtbar die Entscheidungen getroffen, die ich dann sichtbar in die Tat umsetze. Und nun steht hier, daß da, wo meine Gefühle wohnen und meine Entscheidungen entstehen, der Jesus der Bibel wohnen soll. Mein Denken, mein Fühlen und mein Wollen sollen von ihm bestimmt sein. Und wenn ich von ihm bestimmt bin, dann brauche ich mich nicht von anderen Dingen hin und her treiben lassen: von wechselnden Moden, von kommenden und gehenden Strömungen, von Erfolg oder Mißerfolg. Daß Gott einen Menschen zunehmend von innen heraus mehr und mehr prägt, daß ist möglich und das geschieht auch, vorausgesetzt, jemand will das überhaupt und läßt es zu.

Und dann das dritte: 17 ... daß ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.

Wenn es keine Liebe und kein Vertrauen unter den Menschen gäbe, wenn man immer nur von der Kontrolle, von der Vorsicht, von der ängstlichen Zurückhaltung leben müßte, was wäre das für ein Leben? Doch wer könnte schon von sich sagen, was hier steht, daß er so in der Liebe lebt wie ein Baum mit seinen Wurzeln im Erdreich oder wie ein Haus auf seinem Fundament? Auch daß solche Liebe wächst, das gibt es. Und es hat zu tun mit dem vorher Genannten: In dem Maße, wie Glaube und innere Stärke wachsen, wie ich mich getragen weiß und festen Boden unter den Füßen habe, in dem Maße kann ich dann auch loslassen und liebend auf andere zugehen. Und so gibt es auch das, daß Liebe wächst so wie der Glauben wächst. Aber es gibt es wiederum nur für den, der es sich schenken lassen will, der es sich von Gott erbittet und erwartet.

Und nun noch das vierte: 18 So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.

Wenn die innere Stärke wächst, wenn der Glaube wächst, wenn die Liebe wächst, dann wächst damit auch die Einsicht in Gottes Handeln. Ganz begreifen werden wir manches erst hinterher. Warum etwas gerade so hat hinausgehen müssen. Warum Gott gerade jenes zugelassen oder zugemutet hat. Warum ich diesen Weg habe gehen sollen und keinen anderen. Das geht immer wieder über den Verstand hinaus. Da ist Gott in seiner Länge und Breite, Höhe und Tiefe immer wieder unergründlich, ja manchmal erschreckend. Aber doch gibt es das: Daß Menschen auf ihr Bitten und Ringen hin im Nachhinein Antworten bekommen, warum etwas hat so und nicht anders laufen sollen. Und diese Einsicht wächst von mal zu mal.

Und so schließt der Apostel sein Gebet, in dem es um die Stärkung des inneren Menschen, des Glaubens, der Liebe und der Einsicht ging, mit einem Satz des Vertrauens: Das alles kann Gott und will Gott tun und sogar noch mehr:

20 Dem aber, der überschwenglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de