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Die Predigt vom 29. Juni 2008 (Peter und Paul):
»Richtig streiten«

Kirchenjahr
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Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Tag der Apostel Petrus und Paulus. Evangelium (1. Lesung) war das Christusbekenntnis des Petrus und Epistel (2. Lesung) die Zusammengehörigkeit von Juden- und Heidenchristen. Als Predigttext diente ein Abschnitt aus dem Brief des Paulus an die Galater Kapitel 2:
Predigttext
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Der Predigttext
11 Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn es war Grund zur Klage gegen ihn. 12 Denn bevor einige von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem Judentum fürchtete. 13 Und mit ihm heuchelten auch die andern Juden. 14 Als ich aber sah, dass sie nicht richtig handelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus öffentlich vor allen: 15 Wir sind von Geburt Juden und nicht Heiden. 16 Doch wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus.
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Die Predigt
Streit zwischen Petrus und Paulus

Was ist eigentlich das Gegenteil von Streiten? Frieden halten werden viele vielleicht sagen. Ja und nein. Ich befürchte nämlich, oft ist das Gegenteil von Streiten nur einander in Ruhe lassen: Es gibt keinen Streit mehr, weil man sich aus dem Weg geht.
Dass aber Streiten notwendig ist, und wie man das richtig macht, das können wir auch in der Bibel finden. Auch da zeigt sich, dass sie Bibel kein verstaubtes Buch ist, sondern ein Lebensbuch und ein Alltagsbuch. Man muss nur bereit sein, seine Entdeckungen darin zu machen.
Anlässlich des heutigen Peter-und-Paul-Tages will ich Ihnen von einem Streit zwischen diesen beiden so wichtigen Personen der ersten Christenheit erzählen. Die meisten werden die Sache nicht kennen, denn sie gehört nicht zu den Lesungen der Sonntage. Petrus kommt eher schlecht dabei weg. Das ist verständlich, weil wir das Ganze nur aus der Sicht des Paulus kennen. Und die ist selbstverständlich einseitig. Es wäre ja im täglichen Leben immer besser, zwei Seiten hören zu können. Aber, wie gesagt: Man kann von dieser Sache sonst nichts lesen. Eine petruskritische Geschichte hatte ganz einfach keine Chance in einer Kirche, die ihn später als den ersten Papst ansah.

Worum ging es?

Worum ging es bei dieser Auseinandersetzung: Als die Jünger damals nach dem Tod und der Auferstehung Jesu wieder Mut gefasst hatten, trugen sie die Botschaft von ihm weiter. Sie konnten nicht anders. Sie mussten von dem erzählen, den sie erlebt hatten. Und so, wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft, zog die Botschaft Kreise, erst engere und dann immer weitere. Petrus als geborener Jude beschränkte sich dabei auf seine jüdischen Mitmenschen. Paulus aber, von seiner Herkunft und seinem Studium her Jude und Grieche zugleich, wandte sich zunehmend auch an die Nichtjuden. In einem schmerzlichen Prozess war es in ihm gereift: Man muss nicht erst Jude gewesen sein, um ein Christ werden zu können. Man muss nicht die Gesetze des jüdischen Glaubens einhalten, um ein Christ sein zu können. So konnte es sich z.B. ein Jude nie vorstellen, mit einem Nichtjuden am gleichen Tisch zu essen.
Und so kamen Petrus und Paulus zu einer gemeinsamen Konferenz in der Stadt Antiochia zusammen. Man wollte den weiteren Fortgang der Mission besprechen. Es trafen sich Christen, die vorher Juden gewesen waren und solche, die vorher Heiden gewesen waren, an einem Tisch. Auch Petrus war darunter. Doch als weitere Delegationsmitglieder aus Jerusalem dazukamen, zog Petrus sich wieder zurück und mied die Gemeinschaft mit den nichtjüdischen Gesprächspartnern. Es kam zu einem öffentlichen Eklat zwischen Paulus und Petrus. Und Paulus erinnert noch einmal daran, dass Gott zu allen Menschen ja sagt, ohne dass sie Vorleistungen erbringen müssen.

Streiten gehört zum Menschsein

Mit den Worten der Lutherbibel aus dem Brief des Paulus an die Galater im 2. Kapitel:
11 Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn es war Grund zur Klage gegen ihn. 12 Denn bevor einige von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem Judentum fürchtete. 13 Und mit ihm heuchelten auch die andern Juden.
14 Als ich aber sah, dass sie nicht richtig handelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus öffentlich vor allen: 15 Wir sind von Geburt Juden und nicht Heiden. 16 Doch wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus.


Das Streiten um die Sache gehört zum Menschensein und zum Christsein. Es darf nicht so sehr darum gehen, wie man den Streit vermeiden kann, sondern, wie man richtig und christlich streitet. Was lernen wir von Paulus?

Von Angesicht zu Angesicht

Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn es war Grund zur Klage gegen ihn.
Von Angesicht zu Angesicht sollen Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden. Sich nicht über einen anderen beklagen, sondern beim anderen beklagen. Nicht hintenherum. Nicht über Dritte. Sondern so, dass man sich dabei in die Augen schaut.
Überlegen Sie einmal kurz, mit wem sie gerade oder seit einiger Zeit im Streit liegen. Mit wem Sie Meinungsverschiedenheiten haben. Wem Sie aus irgendeinem Grund aus dem Weg gehen. Überlegen Sie dann auch, wie es mit diesem ersten Gesetz christlichen Streitens aussieht: von Angesicht zu Angesicht. ...

Verschiedene Pesönlichkeiten

Natürlich hat jeder Streit einen Grund. Warum sind Petrus und Paulus aneinander geraten? Es lag unter anderem auch an ihrer so grundverschiedenen Persönlichkeit:
Paulus einerseits war rigoros und prinzipientreu, ein sogenannter 150-prozentiger. Saulus hatte er von Geburt geheißen, Saul, so wie der erste jüdische König. Ein studierter jüdischer Schriftgelehrter aus der strengen Richtung der Pharisäer. Als solcher verfolgte er rigoros alle Christen als Glaubensabweichler. Verändert, umgepolt, um 180 Grad verändert hat ihn dieses einschneidendes Erlebnis damals vor Damaskus. Jesus selbst begegnet ihm in einer Vision, und Paulus erkennt, dass er von ihm gebraucht wird. Von einem glühenden Verfolger wird er zu einem glühenden Verfechter dieses Jesus Christus.
Griechisch und später Latein waren die Weltsprache der damaligen Zeit. Und wer etwas auf sich hielt, passte seinen ursprünglichen Namen an. So gab er sich, oder er bekam – wir wissen es nicht – den Namen Paulus. Paulus, das heißt: der Kleine. Klein fühlt er sich vor seinem Gott. Aber im guten Sinn: Paulus wundert sich, dass Gott ihn brauchen kann trotz seiner Vorgeschichte als Verfolger. Und körperlich klein, schwächlich und kränklich war er noch dazu.

Petrus dagegen wird uns in der Bibel als der Emotionale, der Aufbrausende und Spontane beschrieben. Als einer, der oft erst den Mund auf macht und dann überlegt. Als einer, der schnell bei der Hand ist, und dann vielleicht klein beigeben muss.
Petrus, das war sein Beiname. Simon hieß er eigentlich. Petrus, auf deutsch Fels. Diesen Namen hat er im Blick auf seine Bedeutung in der ersten Christenheit bekommen. Da erweist er sich als der Fels, auf dem die Kirche gebaut wird.
In dem, was uns im Neuen Testament von ihm berichtet wird, hat er sich durchaus nicht als der Felsenfeste, sondern eher als der Umfaller erwiesen. Denken Sie an die Geschichte von der Verleugnung: Erst posaunt er, er wolle lieber sterben, als Jesus alleine lassen. Doch dann sagt er dreimal, dass er ihn nicht kennt, um seine Haut zu retten. Oder denken Sie an die Geschichte vom sogenannten Seewandel. Mutig und begeistert steigt er als einziger aus dem Boot, um Jesus auf dem Wasser entgegen zu gehen. Und dann geht er kläglich unter.

Gott braucht die Verschiedenheit

Aber Gott sei Dank: Gott kann sie beide brauchen: die Paulusse und die Petrusse. Die rigorosen, die genauen und ordentlichen, die Verstandesmenschen, die Kopftypen. Und auch die spontanen, die polternden, die zupackenden, die Tatmenschen. Beide haben ihre Stärken und beiden haben ihre Schwächen. Doch beide werden in der Gemeinschaft gebraucht, ob es eine Kirchengemeinde ist oder ein Verein.
Und ob Sie nun Peter oder Paul, Petra oder Paula, oder auch ganz anders heißen, werden Sie wohl manches davon heimlich auch in sich selber entdecken. ...

Um die Sache streiten

Zurück zum Streiten: Der Streit kommt, wie gesagt, oft daher, dass wir so verschiedene Typen sind. Ist es also ein Wunder, wenn zwei so verschiedene Persönlichkeiten wie der Petrus und der Paulus über der einen gemeinsamen Sache aneinandergeraten?
Nein, eigentlich nicht. Wenn es nur – und das wäre die zweite Grundregel christlichen Streitens – wenn es nur sachlich bleibt.

Öffentlich steht Paulus gehen Petrus auf. Aber es geht nicht um die Person, es geht um die gemeinsame Sache in der vorhin verlesenen Geschichte. Beide hätten ja genüsslich in der Vergangenheit des anderen herumrühren können, hätte die alten Wunden wieder aufreißen können: Petrus, das Großmaul, der Umfaller, der Verleugner. Paulus, der Christenverfolger, der schlechte Redner, die schwächliche Erscheinung.
Denken sie an den amerikanischen Wahlkampf: Da wird ganz bewusst die Vergangenheit des anderen durchleuchtet, ob da nicht irgendwo einmal ein Patzer zu finden ist, aus dem man einen Strick drehen kann.
Oder denken sie an Ihre eigenen Streitigkeiten und das berühmte „immer“: „Immer machst du das und das.“ „Tausendmal hast du schon ...“ Und dann werden die ganzen alten Geschichten aufgetischt. Sachlich ist das dann meistens nicht mehr.
So verstehe ich Paulus: Wenn Gott, der uns ja noch besser kennt als jeder andere, uns schon aus unserer Vergangenheit keinen Strick dreht, dann darf es auch in unseren Meinungsverschiedenheiten nur um die Sache gehen und wir müssen gnädig sein im Blick auf die Vergangenheit.

Streiten - ja bitte

Streiten, ja bitte, aber christlich: Nicht hintenherum, sondern mit offenem Visier und Auge in Auge. Und: Streiten auf sachliche Art und nicht auf der persönlichen Ebene. Gott schenke uns, dass wir da alle ein wenig mehr vorankommen.

„Hilf, Herr meines Lebens, dass sich nicht vergebens hier auf Erden bin.“
Während des Liedes sammeln wir das Dankopfer ein, das heute für unsere Auferstehungskirche bestimmt ist.


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de