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Die Predigt |
Taufe
durch Untertauchen
Haben Sie auf Bildern
oder in einem Film schon einmal eine Taufe in einer orthodoxen Kirche
gesehen? (Die orthodoxen Kirchen, das sind die alten christlichen
Kirchen im Osten, also z.B. in Russland.) Da wird ein Säugling
zur Taufe splitternackt ausgezogen. Er wird in einem großen
Taufstein oder einem Taufkessel drei mal ganz und gar untergetaucht.
Und dann wird er vom Popen, so heißt der orthodoxe Priester,
freudig nach oben gehoben und der Gemeinde präsentiert.
An diesem Punkt stehen die orthodoxen Kirchen sicher dem Neuen Testament
und der Urchristenheit näher als wir. Denn auch damals sind Menschen
in einem Fluss oder in einem Becken mit fließendem Wasser ganz
untergetaucht worden. Vielleicht haben Sie vor kurzem von den
Berichten
gehört, dass ein Archäologe in Israel eine Höhle mit
einem großen Becken entdeckt hat, wo Johannes der Täufer
getauft haben soll.
Da ist viel Wahres dran
Zwei Dinge sehe ich bei einer solchen orthodoxen Taufe besonders betont:
Genauso nackt, wie der Mensch einmal gehen muss, genauso nackt kommt
er auch. Er kommt nackt und bringt nichts mit. Sein Leben und alles,
was er hat, ist ein reines Geschenk. Es ist eine Leihgabe, die er
am Anfang bekommt und am Ende wieder hergeben muss.
Und das zweite: Das Untertauchen und Emporgehobenwerden zeigt, dass
die Taufe etwas mit Leben und Tod zu tun hat. Durch das Wasser hindurch,
das nicht nur Leben schenken, sondern auch Leben bedrohen kann, wird
der Mensch gerettet.
Taufe: Vom Tod zum Leben
Wenn man das weiß, versteht man auch ein bisschen besser den
Abschnitt aus dem Epheserbrief, der vorhin als Epistel und Predigttext
vorgelesen wurde. Er ist eigentlich ein Tauftext, aber seine komplizierte
Sprache lässt das nicht gleich erkennen. Beide Gedanken, die
Taufe als Bewegung vom Tod zum Leben, und das Leben, das ein reines
Geschenk ist, kommen darin vor:
4 Aber Gott ... hat, 5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden,
mit Christus lebendig gemacht; 6 und er hat uns mit auferweckt und
mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus.
Die Taufe als eine Bewegung von tief unten nach ganz oben, eine Bewegung
vom Tod zum Leben. Wenn wir unsere Kindertaufe ansehen, können
wir das gar nicht mehr richtig begreifen. Wie war es damals?
Taufe bei den ersten Christen
In den ersten beiden Jahrhunderten der Christenheit wurden selbstverständlich
Erwachsene getauft. Die Christen entstanden als eine Art jüdische
Sekte. Man musste sich als Erwachsener ganz bewusst für diese
neue Gruppe entscheiden und wurde nicht wie heute automatisch in ein
christliches Elternhaus hineingeboren. War jemand neugierig geworden,
dann machte er sich ein Jahr lang in einem Taufunterricht mit den
wichtigsten Dingen des christlichen Glaubens vertraut. In der nächsten
Osternacht stand dann die Lebensentscheidung an: Die Absage an das
bisherige Leben und das Geschenk neuen Lebens. Die Absage an die alten
Götter und die Hinwendung zu dem einen wahren Gott. Dem alten,
aus christlicher Sicht unmoralischen, Leben absterben und ein neues
beginnen.
Hinein in ein neues Leben. Ein Leben, das den Namen Leben wirklich
verdiente. Hinein in eine tragfähige, kleine christliche Gemeinschaft,
die von gegenseitiger Liebe geprägt war. Hin zu einem Gott, der
nicht wie die alten Götter besänftigt werden muss, sondern
der schenkt, und zu dem man mit leeren Händen kommen darf.
Durch die Tradition der Säuglingstaufe machen wir die Erfahrung
dieses großen Schrittes vom Tod zum Leben heute im allgemeinen
nicht mehr. Zumindest nicht in Verbindung mit der Taufe. Manche, die
getauft sind und dann auch bei der Konfirmation brav ja gesagt haben,
erleben so etwas Ähnliches irgendwann hinterher. Ob man das nun
Bekehrung nennt oder Lebensübergabe oder Tauferneuerung, jenen
Moment, in dem man ganz klar und eindeutig spürt: Gott ist da.
Er hält und trägt mich. Er nimmt mich an, obwohl ich es
durchaus nicht verdient habe. Mein Leben und jeder Atemzug sind ein
Geschenk aus seiner Hand.
Aus gutem Grund Säuglinge taufen
Die Taufe als eine Wende vom Tod zum Leben geht bei der Kindertaufe
also ein wenig unter. Und dennoch halten wir in der Lutherischen Kirche
an ihr fest. Und wir tun es aus guten Gründen: Wir tun es aus
dem biblischen Grund, dass schon im Neuen Testament davon die Rede
ist, dass ganze Familien getauft wurden. Wir tun es aus dem geschichtlichen
Grund, dass die Taufe von Kindern schon sehr bald in der Alten Kirche
eingeführt wurde. Die als Erwachsene das neue Leben verspürt
hatten, wollten es auch ihren Kindern nicht vorenthalten.
Und wir tun es vor allem wegen des zweiten Punktes, der hier im Bibeltext
angesprochen wird: Unser äußeres Leben, also dass wir überhaupt
da sind, atmen, denken und lieben können, und unser inneres Leben,
dass Gott uns bedingungslos annimmt, sind beide ein reines Geschenk.
Zweimal betont es der Schreiber des Epheserbriefes:
8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das
nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, 9 nicht aus Werken, damit sich
nicht jemand rühme.
Leben und Seligkeit sind Geschenk Gottes und nicht eigene Leistung.
Und so stehen Kirchen, die nur Erwachsene taufen, immer wieder neu
vor der Frage: Wann ist jemand reif genug? Wann kann man sein Glaubensbekenntnis
vor der Gemeinde so ernst nehmen, dass man ihn nun daraufhin tauft?
Und wie persönlich ist das Bekenntnis? Ist es vielleicht mehr
aus der Begeisterung der Gruppe heraus entstanden?
Nein, die allem menschlichen Tun zuvorkommende und vorausgehende Gnade
Gottes zeigt sich nach meiner lutherischen Überzeugung nirgends
besser als in der Taufe eines unmündigen Säuglings: Ein
Säugling ist nach den Maßstäben unserer Leistungsgesellschaft
ein Nichts, ein Schmarotzer. Er kann nichts mitbringen, außer
dass er da ist.
Ja sagen zur Taufe
Und doch haben die Kirchen, die erst Jugendliche oder Erwachsene taufen,
auch Recht, indem sie sagen: Taufe darf doch nicht wie bei einem Säugling
eine Einbahnstraße sein. Gott möchte unser persönliches
und freiwilliges Ja. Er möchte unser Ja zum neuen Leben: Zum
einen, weil man Glaube nicht einfach überstülpen kann. Und
zum andern, weil das neue Leben auch irgendwie sichtbar werden soll.
Das neue Leben aus der Taufe ist nicht nur ein hinterhergeworfenes
Geschenk Gottes, sondern v.a. Leihgabe. Nackt nehmen wir das Leben
entgegen und nackt müssen wir es einmal wieder hergeben. Und
natürlich werden wir wie bei jeder Leihgabe gefragt: Wie bist
du mit dieser Gabe umgegangen? Das ist das Dritte, das ich im Text
entdecke, wenn es heißt:
10 Denn wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu
guten
Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.
Wir sind geschaffen zu guten Werken. Also: Gott hat uns das Leben
gegeben mit dem Ziel und mit der Aufgabe, dass wir unsere Möglichkeiten
ausschöpfen und Gutes daraus machen. Am Ende einmal sagen können,
dass man nicht für sich selbst, sondern auch für andere
gelebt hat.
Und was das Gelingen angeht, sagt der Text eigentlich etwas ganz Tröstliches
und Überraschendes: Die guten Werke, die Gott bei uns sucht,
die hat er vorher schon vorbereitet. Er hält sie sozusagen bereit
wie einen Mantel, in den wir nur noch hinein zu schlüpfen brauchen.
Darüber muss ich noch länger nachdenken. |
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