Die Predigt vom 4. Oktober 1998: »Geben ist weitergeben«
Kirchenjahr |
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Die evangelische Kirche beging am
Sonntag traditionell das Erntedankfest. Dazu gehörte als Epistellesung und
Predigttext ein Abschnitt aus dem 2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth
Kapitel 9. Im Familiengottesdienst war natürlich die Predigt kürzer
als sonst und hat nicht alle Aspekte des Textes berücksichtigt: |
Predigttext
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6 Ich meine aber dies: Wer da kärglich
sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der
wird auch ernten im Segen. 7 Ein jeder, wie er's sich im Herzen vorgenommen
hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat
Gott lieb. 8 Gott aber kann machen, daß alle Gnade unter euch reichlich
sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich
seid zu jedem guten Werk. 10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur
Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte
eurer Gerechtigkeit. 11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in
aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. 12 Denn der Dienst dieser
Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwenglich
darin, daß viele Gott danken. 15 Gott aber sei Dank für seine
unaussprechliche Gabe!
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Predigt |
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Geben ist Weitergeben
Vielleicht kennen Sie den Witz von dem kleinen Jungen mit dem etwas
altertümlichen Namen Gottlieb: Gottlieb hatte eine treuen Taufpaten. Leider
wohnte der zu weit weg für regelmäßige Besuche. So gingen Briefe
hin und her. Zum Erntedankfest schrieb der Pate wieder einen Brief. Darin lag
das monatliche Taschengeld. Es war fast wichtiger als der Brief selbst. Im Brief
versuchte der Pate zu erklären, daß man auch schon als Kind aus
Dankbarkeit vom Taschengeld etwas spenden könnte. Gottlieb war hocherfreut
und bedankte sich in seinem nächsten Brief bei seinem Paten, weil der so
ein fröhlicher Geber sei.
Was war geschehen? Der Pate hatte geschrieben: "Einen fröhlichen
Geber hat Gott lieb." Und der Junge hatte gelesen: "Einen fröhlichen
Geber hat Gottlieb."
Das Erntedankfest ist das Fest des dankbaren Hergebenkönnens. Das
Erntedankfest lebt vom Geben. Deswegen bedanke ich mich herzlich bei allen
Kleinen und Großen, die das viele, was hier vor dem Altar liegt,
mitgebracht haben. Geben ist nach den Worten des Paulus Weitergeben: Ich gebe
ein kleines bißchen von dem vielen weiter, was ich selbst geschenkt
bekomme. So ist Geben ein zweiter Schritt. Der erste Schritt ist, daß ich
mir überhaupt die Augen öffnen lasse für das, was ich habe.
"Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Güte."
Dieser Schlußsatz ist für mich die heimliche Überschrift des
Abschnittes.
Wir sind heute hier, um zu danken für alle unverdienten Geschenke
unseres Leben: nicht nur die gelben Rüben aus dem Garten und die Äpfel
an den Bäumen, sondern auch die Liebe, die wir ernten durften, die
Anerkennung durch andere Menschen, die wiedererlangte Gesundheit, daß wir
vor Katastrophen bewahrt geblieben sind, usw. usw.
Geben macht nicht ärmer, sondern reicher.
Der Apostel Paulus ermuntert zum Geben und begründet es mit einem
Geheimnis: Ein fröhliches, freiwilliges Geben macht nicht ärmer,
sondern reicher:
"Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und
wer da sät im Segen - das heißt reichlich -, der wird auch
ernten im Segen." Ist es denn ein Wunder: Wenn jemand knauserig ist
beim Verschenken, knauserig beim Danken, knauserig bei jedem lieben Wort und
jedem freundlichen Blick - was will da dann zu ihm zurückkommen?
Das ist das Geheimnis des Gebens: Nichts Gutes ist umsonst getan. Jede
Mark, die ich gerne und ohne Berechnung gebe; jedes freundliche Wort, das ich
kostenlos und von Herzen übrig habe; jeder liebe Besuch, den mir nicht nur
die familiäre Verpflichtung aufzwingt - sie bringen Frucht, oft mehr als
ich gegeben habe. Wer abgibt, wird nicht ärmer, so betont es Paulus, denn
Gott weiß, was ein jeder nötig hat:
"Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch
euch geben und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet
ihr reich sein in allen Dingen." Gott selber sorgt dafür, daß
der, der gibt, darüber nicht zu kurz kommt. Ein Mensch mag zwar durch sein
Geben an Geld ärmer werden, aber dennoch wird er reicher: reicher an
Freude, reicher an Liebe, reicher an dem, was das Leben ausmacht.
Geben ohne Angst, zu kurz zu kommen
"Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb", sagt Paulus. Wenn
ich ihn recht verstanden habe, meint er zwei Dinge: Fröhlich geben, d.h.
von Herzen geben und ohne Berechnung, was man vielleicht wieder bekommen könnte.
Fröhlich geben, d.h. auch hergeben können ohne die heimliche Angst, daß
man dabei zu kurz kommen könnte. Denn Gott, so sagt er, gibt jedem
reichlich,
"damit Ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich
seid zu jedem guten Werk."
Gott gibt reichlich, also, er gibt mehr als was zum Leben, ja auch zum guten
Leben nötig ist. Und er tut es, damit wir reich genug sind zu jedem guten
Werk für andere.
Ein überraschender Gedanke: Gott hilft indirekt, indem er manchen
Menschen mehr gibt als sie brauchen. Ist das vielleicht auch ein kleiner
Antwortversuch auf die viele Ungerechtigkeit in dieser Welt, die einen oft genug
an Gottes Güte zweifeln läßt: Gott hat ja gegeben, reichlich.
Doch manche haben noch nicht begriffen, daß das, was sie geschenkt
bekommen haben, von Gott auch für andere gedacht war. Und es würde
reichen, wenn man sich nur seiner weltweiten Verantwortung bewußt würde.
Über den eigenen Tellerrand schauen
Unser Geben zeigt Menschen in anderen Teilen dieser Welt, daß
anderswo Menschen an sie denken, sagt Paulus: "Denn diese Sammlung
hilft nicht nur dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch darin, daß
viele Gott danken."
Mit den "Heiligen" meinte Paulus damals die arme Gemeinde in
Jerusalem. An sie erinnert er seine Hörer und Leser in der reichen
Hafenstadt Korinth. Deswegen will ich Ihnen nun auch sagen, wo all das
Gesammelte hingehen wird: Die Naturalien gehen traditionell an das
Matthias-Claudius-Altenheim. Und die Kollekte ist bestimmt für die
evangelischen Christen in Papua-Neuguinea und in Tansania. Dazu lese ich Ihnen
vor: ...
Ich bitte Sie heute am Erntedankfest wieder, auch Ihre Geldgabe so nach
vorne zu bringen wie die Naturgaben. Schauen Sie sich dabei auch in Ruhe die
vielen Dinge an. Anschließend singen wir gemeinsam das nächste Lied: "Brich
mit dem Hungrigen dein Brot." |
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