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predigt[e].de

Die Predigt vom 10. Oktober 2004 (18. Sonntag nach Trinitatis):
»Haupt- und Nebensachen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 18. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die Nächstenliebe. Evangelium dieses Sonntags ist Jesu „Doppelgebot der Liebe“. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Römerbrief Kapitel 14:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
17 Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist. 18 Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen geachtet. 19 Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.
Predigt
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Die Predigt
Harmonie in der Gemeinde?

Wir hatten gestern einen harmonischen Gemeindeausflug mit einem guten Miteinander. Und es gibt nach meinem Eindruck dieses Miteinander auch bei anderen Veranstaltungen unserer Gemeinde. Es gibt Menschen, die fördern durch ihre Herzlichkeit und ihr Engagement dieses Miteinander auch ganz bewusst. Ich weiß von keinen echten Konflikten. Gut, manchmal schmunzelt oder stöhnt jemand über die spezielle Art eines anderen oder einer anderen. Eigentlich wäre es ja kein Wunder, wenn es in einer Gemeinde mit den verschiedensten Menschen auch Meinungsverschiedenheiten gäbe. Das würde ja auch zeigen, dass jemand leidenschaftlich bei der Sache ist. Man würde merken, dass es um Lebenswichtiges geht.

In der Kirche war es nie harmonisch

In den ersten christlichen Gemeinden gehörte der Streit um die Sache zur Tagesordnung. Dass sie "ein Herz und eine Seele" waren, wie es in der Apostelgeschichte heißt (4,32), kann man aus den Briefen des Paulus nicht gerade bestätigen. Der heutige Predigttext führt uns 2000 Jahre zurück in die christliche Gemeinde der damaligen Weltstadt Rom. In ihr waren Christen vereint, die vorher Juden gewesen waren, und auch solche, die vorher Heiden waren. Ein Teil der ehemaligen Juden hielten sich anscheinend noch an die jüdischen Speisegebote, also z.B. daran, kein Schweinefleisch zu essen. Auch als Christen konnten sie nicht über das hinweg, was sie gelernt und auch viele Jahre praktiziert hatten. Und das Alte Testament, in dem solche Essensvorschriften stehen, blieb für sie ja auch nach dem Christwerden in Geltung. Andere Gemeindeglieder kannten das nicht. Sie nahmen sich die Freiheit, und sie sahen von Jesus her auch die Freiheit, sich an solche alten Gebote nicht zu halten. Und dann ist der Streit nicht weit: Wer ist der wahre Christ? Wer ist der bessere Christ? Der die Sache sehr streng nimmt oder der christliche Freiheit übt?

Nicht um Nebensachen streiten

Paulus tadelt die Gemeindeglieder in Rom nicht für diesen Streit. Der Streit um die Sache, wenn er mit christlichen Mitteln geführt wird, ist gut und richtig. Aber Paulus weist darauf hin, dass es Hauptsachen und Nebensachen gibt. Und bei Nebensachen, wo man getrost verschiedener Meinung sein kann, hält er einen Streit um die Wahrheit für falsch. Da soll einer den anderen mit seiner Meinung und Gewissensbindung akzeptieren und stehen lassen. Und dann sollen sich beide gemeinsam um die
Hauptsache bemühen. Brief an die Römer Kapitel 14:
17 Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern
Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist. 18 Wer
darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen
geachtet. 19 Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient
und zur Erbauung untereinander.


Die Gerechtigkeit nicht dem Staat überlassen

Im Mittelpunkt soll die Sorge um das Reich Gottes stehen. Und dem gegenüber sind Speisevorschriften zweitrangig. Entscheidend ist, dass sich eine Gemeinde um drei Dinge bemüht: um Gerechtigkeit, um Frieden und um echte Freude und Fröhlichkeit.

Im Mittelpunkt steht die Gerechtigkeit. Da kann sich Paulus auf Jesus berufen. Als seine Jünger sich um die täglichen Bedürfnisse Gedanken machten, als sie nach Essen, Trinken und Anziehen fragten, hat er gesagt:
"Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit,
so wird euch das alles zufallen."
(Mt 6,33)
Trachtet nach der Gerechtigkeit. Seht darauf, dass jeder zu seinem Recht kommt. Was das heißt, steht in keinem Lehrbuch. Man muss es immer neu entdecken und durchbuchstabieren. Damals, als es ja noch keine
Rentenversicherung und Sozialversicherung gab, war es auch Aufgabe der christlichen Gemeinde, unter den ihren für Gerechtigkeit zu sorgen. Die
Kinder, die Witwen, die Alten, die Arbeitslosen waren eine Herausforderung. Man teilte ganz selbstverständlich, sagt die Apostelgeschichte. Die Briefe des Paulus zeigen, dass das eher eine Idealbild war, und in der Praxis nicht immer so einfach.
Wir überlassen seit Jahrzehnten diese Gerechtigkeit dem Sozialstaat. Die Diskussion um Hartz IV zeigt, dass diese Zeiten vorbei sind. Soziale Gerechtigkeit wird wieder Thema in der Gemeinde, in der Nachbarschaft werden. (Dazu spontane aktuelle Beispiele.)

Jeder soll zu seinem Recht kommen

17 Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit
und Friede und Freude in dem heiligen Geist.

Friede in einer Gemeinde, das sagt eigentlich von der Wortbedeutung her ziemlich dasselbe: Friede, auf hebräisch "Schalom", ist nicht einfach da, wo kein Streit ist. Das hebräische Wort "Schalom" heißt eigentlich "Ganzheit", "Gemeinwohl", "Gedeihen": Frieden ist, wenn alle zu ihrem Recht kommen. Wie kommen die Kinder in der Gemeinde zu ihrem Recht? So fragen wir im Moment, wo es nicht genügend Helfer für die Saaser Früchtchen gibt. Wie kommen die Jugendlichen in der Gemeinde zu ihren Recht, fragt der Jugendausschuss gerade. Wie kommen die sonst eher stiefmütterlich vertretenen Männer in der Gemeinde zu ihrem Recht, so fragt der Männerkreis. Wie kommt die Umwelt zu ihrem Recht, so fragt das Umweltteam vom "Grünen Gockel".

Und Freude!

17 Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist.
"Freude in dem heiligen Geist." Vielleicht soll dieser Zusatz darauf hinweisen, dass es auch vordergründige Freude und Fröhlichkeit gibt. Bierselige oder weinselige Freude vielleicht, wo nach dem Erwachen das schwarze Loch noch größer ist als vorher. Fußball- oder andere -begeisterung, die nach einem Misserfolg auch ganz schnell in Frust und Gewalt umschlagen kann.
Freude in dem heiligen Geist: Christliche Fröhlichkeit und Zufriedenheit, wie ich sie z.B. letzten Sonntag im Familiengottesdienst empfunden habe, oder bei der Begegnung nach dem Ökumenischen Gottesdienst vor zwei Wochen, oder auch gestern beim Ausflug.

Jeder kann seinen Teil beitragen

Dazu soll, sagt Paulus, jeder in einer Gemeinde jeder seinen Teil beitragen:
19 Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur
Erbauung untereinander.

Erbauung - wenn Paulus dieses Wort verwendet, meint er weniger die sog. Erbauung des Einzelnen, eine Erbauung, die man auch im sprichwörtlichen stillen Kämmerlein leben kann, ganz für sich.
Erbauung - darin steckt, dass die christliche Gemeinde einem Bau, einem Gebäude aus einzelnen Steinen vergleichbar ist. Der Bau hält und wächst nur durch den Zusammenhalt der einzelnen Steine. Jeder Stein, der fehlt, bildet eine Lücke. Nur, wenn neue Steine hinzukommen, wächst der Bau. Aber auch andersherum: Wenn der Bau im Ganzen fest steht, verträgt er es auch, wenn einmal ein Stein seinen Halt verliert. Wer fest eingebaut ist, von vier Seiten eingerahmt, wird gestützt und mitgetragen.

19 Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur
Erbauung untereinander.

Bauen kann man nur auf festem Grund. Jeder Bau braucht ein Fundament. Die Verbindung der einzelnen untereinander muss getragen sein von der Verbindung des einzelnen mit Gott. Deswegen feiern wir heute auch das Heilige Abendmahl, um uns dieser Verbindung zu vergewissern und sie zu stärken.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de