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Die Predigt |
So
hätte es gewesen sein können
Das Protokoll eines erfundenen Gesprächs:
Die Teilnehmer: Saul, von seinen griechischen Freunden mit dem Beinamen
Paulus, der Kleine, genannt, der jüdisch und auch griechisch
gebildete Jude aus Tarsus in Kleinasien, seit 20 Jahren Missionar
für Jesus, und Josef, besser bekannt unter seinem Beinamen Justus,
der Gerechte, ein frommer, pharisäisch gebildeter Jude, der damals
mit Paulus studierte, einer der wenigen ehemaligen Weggefährten
des Paulus, die mit diesem seit seiner Hinwendung zur Sekte der Christusanhänger
noch Kontakt halten. Wir schreiben ungefähr das Jahr 56 nach
der Geburt Christi. Ort des Geschehens: Korinth in Griechenland.
Fast wie ein Testament
Justus kommt zu Paulus:
"Sei mir gegrüßt, Paulus. Da bringe ich dir deine
verschiedenen Entwürfe für deinen Brief nach Rom wieder.
Vielen Dank auch für dein Vertrauen, - dass dir meine Meinung
noch wichtig ist. Wir haben uns ja doch so weit auseinander entwickelt,
seit wir damals miteinander studiert haben. Und du weißt ja,
dass ich dir an einigen Punkten überhaupt nicht mehr folgen kann.
Noch nie habe ich das so deutlich gemerkt, wie bei deinen jetzigen
Überlegungen. Ich habe das Gefühl, der Brief ist dir ganz
besonders wichtig. Du ringst ja richtig nach den Formulierungen, du
kämpfst um jedes einzelne Wort. Es klingt fast, als wolltest
du deine Gedanken zusammenfassen."
Paulus: "Das siehst du richtig, Justus. Ich habe das Gefühl,
ich bin noch einmal an einem entscheidenden Punkt in meinem Leben.
Ich habe das Gefühl, meine Ziele hier im Osten, in Kleinasien
und in Griechenland sind erst einmal erreicht. Ich bringe jetzt noch
den Ertrag der Kollekte der letzten Jahre nach Jerusalem. Und dann
will ich endlich nach Rom. Rom soll mein Stützpunkt werden für
meine Arbeit im Westen des römischen Reiches, im fernen Spanien,
solange mir der Herr noch die Zeit und die Kraft gibt. Du weißt
ja, meine Krankheit wird auch nicht besser.
Ich bin ganz schön unsicher, wenn ich an Rom denke. Das ist für
mich etwas ganz Neues. Meine bisherigen Briefe gingen an Gemeinden,
die ich gut kannte, die ich selber gegründet habe. In Rom war
ich noch nie, und nur ein paar wenige kennen mich. Vielleicht drängt
mich auch diese Unsicherheit dazu, mich und meine Gedanken dort durch
diesen Brief erst einmal eingehend vorzustellen."
Keiner ist vor Gott besser
Justus: "Auf eine Sache muss ich unbedingt noch einmal zu sprechen
kommen, Paulus. Das hast du zwar die ganzen Jahre schon angedeutet,
- und ich habe immer gemeint, dass sei nur dein persönliches
Lebensproblem, - aber noch nie habe ich es bei dir in der ganzen Schärfe
gelesen wie jetzt.
Verstehe ich dich richtig? Du wirfst uns Juden und die Heiden, du
wirfst Gläubige und Ungläubige in einen Topf und sagst:
Alle stehen wir vor Gott gleich da: Keiner, auch wir Juden nicht,
keiner kann durch sein eigenes Tun vor Gott Anerkennung beanspruchen.
Allesamt sind wir Sünder?
Paulus: Ja, Justus. Davon bin ich überzeugt. So habe ich es erfahren,
aber nicht nur für mich: Gott muss uns die Gerechtigkeit schenken,
die wirklich Bestand hat vor ihm. Meine ganzen Leistungen vor ihm
- und du weißt, ich war 150prozentig im Halten des Gesetzes
- sie zählen dabei nicht.
Wenn die Sünde durch die Hintertür schleicht
Justus: Aber Paulus! Wie kannst du die Unterschiede so missachten.
Du kennst doch den Lebenswandel der Heiden. Du bist doch genauso in
der Welt herumgekommen wie ich: In Wirklichkeit scheren sie sich einen
Dreck um ihre Götter. Saufen, Fressen, Huren steht beim Durchschnittsbürger
im Mittelpunkt. Ich könnte dir da Sachen erzählen ... Die
Heiden, die sind alle gleich. Und du wirfst sie mit uns in einen Topf,
die wir uns von ganzem Herzen um Gottes Gebote bemühen. Ich halte
mich von dem ganzen vordergründigen Leben und den Schweinereien
fern. Und dann soll ihnen wie mir das gleiche Heil geschenkt werden?"
Paulus: "Langsam, mein lieber Justus, du ereiferst dich. Das
macht leicht blind und unbarmherzig. Zum richtigen Lebenswandel komme
ich gleich. Ich weiß ja auch, dass du dich um Gott bemühst.
Doch merkst du gar nicht, wie du richtest. Merkst du gar nicht, wie
du Menschen abqualifizierst und verurteilst? Du weißt, das Gericht
über die Herzen der Menschen und ihr Tun steht allein dem Allmächtigen,
gepriesen sei sein Name, zu. Warum genügt es dir nicht zu wissen,
dass du dir deiner Meinung nach vor Gott keine Vorwürfe zu machen
brauchst? Was musst du dir über andere so pauschal das Maul zerreißen.
Kannst du dir nicht vorstellen, dass auch Heiden vor Gott Gefallen
finden könnten? Gönnst du's ihnen nicht?
Und vor allem: Du tust, als seist du selbst ganz ohne Sünde.
Ich will dir etwas sagen: Das habe ich damals in meinem Eifer auch
gedacht. Alles habe ich erfüllt, was man nur erfüllen kann.
Zweimal habe ich es erfüllt. Verdammt stolz war ich auf mich.
Keine Grenzen habe ich gekannt bei der Verfolgung der Christen. Und
das mit einem hervorragenden Gewissen. Erst nach meinem Niederschlag
vor Damaskus ist mir deutlich geworden, dass das alles reiner Egoismus
war. Nicht um Gottes Ehre ist es mir in meinem Eifer gegangen, wie
ich meinte, sondern um meine eigene.
Bitte sei vorsichtig, wenn du meinst, du seist ohne Sünde. Du
weißt doch, wovon ich rede: wie gerade bei der größten
Anständigkeit die Sünde ganz besonders gut zur Hintertür
hereinkommt.
Gott mit uns?
Justus: "Aber Paulus, dann ebnest du ja alles ein zwischen Juden
und Heiden. Was ist dann mit all den Verheißungen, die Gott
unseren Vätern gegeben hat. Sollen die gar nichts gelten? Und
habe ich nicht gerade erst bei dir gelesen, dass Gottes Verheißungen
an uns auch deiner Meinung nach nicht dahingefallen, sondern weiterhin
in Geltung sind? Ist nicht Gott auf unserer Seite? Sollen nicht am
Ende der Zeiten die Heiden zu unserem Berg Zion pilgern und unseren
Gott als den wahren Gott erkennen? Kann es Gerechtigkeit vor Gott
geben an uns vorbei?
Paulus: "Wenn ich eines gelernt habe bei meinem Herrn Jesus -
Für dich ist er nur ein Rabbi, ich weiß, aber lassen wir
das Thema. - wenn ich eines von ihm gelernt habe, dann das: Alle Geschöpfe
sind vor Gott gleich. Und heißt es nicht schon im Buch der Chronik,
dass vor Gott kein Ansehen der Person gilt? (2. Chr 19,7) Allein das
Tun der Menschen ist ausschlaggebend, egal woher sie kommen. Da schafft
uns Gott, der Herr, denselben Ausgangspunkt in seinen Augen: Nicht
was war in unserem Leben, ist wichtig; nicht, woher wir kommen; nicht,
welchem Volk wir angehören - sondern wie wir hier und heute vor
Gott stehen, wie wir jetzt handeln. Und was meinst du, was ich da
für tiefe Einsicht gerade bei Heiden gefunden habe?
Was können wir dafür, dass wir als Juden geboren sind, noch
dazu aus dem Stamm Benjamin. Was können wir dafür, dass
wir haben studieren
dürfen, noch dazu beim bekanntesten Rabbi der Zeit.
Das habe ich begriffen damals vor Damaskus: Gott hat Geduld mit allen
Menschen. Nicht nur mit den Heiden, dass sie einmal zum Zion finden.
Sondern auch mit uns. Was hat er mit mir für eine Geduld gehabt!
Jedem auf seine Weise gibt er die Chance zur Buße, zur Umkehr.
Hat nicht der Prophet Ezechiel gesagt: «So wahr ich lebe,
spricht Gott der Herr, ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen,
sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe. So kehrt
nun um von euren bösen Wegen!» (Ez 33,11) Und ich
habe das immer nur auf die andern bezogen. Nein, ich hatte die Umkehr
nötig, und jeder von uns hat Umkehr nötig. Sicher jeder
an einem anderen Punkt seines Lebensweges. Der eine nach einem langen
Leben ohne Gott. Und der andere vielleicht mitten im Leben mit Gott.
Und da geht es nicht so sehr darum, dass wir einmal im Endgericht
bestehen können, sondern Gott will, dass unser Leben jetzt schon
gelingt. Du siehst doch, wohin der Unglaube und Egoismus führt,
nicht nur bei den Heiden, sondern auch unter uns: zur Ungeduld, zur
Streitsucht, zur Rechthaberei, zum Zorn. Willst du so leben?
Das müsste jetzt mein Nachbar hören!
Justus: "Jetzt ist's aber genug, Paulus. Warum predigst du das
die ganze Zeit mir? Warum predigst du das nicht den Heiden, die das
viel mehr nötig haben?"
Paulus: "Du bist halt jetzt ganz einfach da, Justus. Den anderen
sage ich's auch, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Und ich habe es
auch schon oft gesagt. Doch was ist los mit dir? Warum musst du so
aufbrausen? Warum musst du immer gleich nach den anderen schauen?
Was musst du dich damit beschäftigen, was sie nötig hätten,
so recht du auch hast? Sie müssen sich auf ihre Weise vor Gott
verantworten und du auf deine. Fang bei dir an. Frag, wie du vor Gott
stehst. Und verstecke dich nicht hinter den anderen. Du weißt,
du kannst dich vor Gott nicht verstecken."
Justus: "Das war jetzt wieder ein bisschen viel, Paulus, wie
immer. Da muss ich erst einmal in Ruhe darüber nachdenken. Dass
du aber auch immer gleich so grundsätzlich werden musst." |
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