Die Weihnachtspredigt vom 24. Dezember 1998: »Das größte
Geschenk«
Kirchenjahr
Evangelisches
Kirchenjahr
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Am Heiligen Abend, dem Vorabend des
Weihnachtsfestes werden üblicherweise Christvespern (Vesper =
Abendgottesdienst) und Christmetten (Mette = Nachtgottesdienst) angeboten.
Predigttext für die Christmette in der Auferstehungskirche war der für
die Vesper vorgesehene Text aus dem 3. Kapitel des Johannesevangeliums: |
Predigttext
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16 Denn also hat Gott die Welt
geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn
glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. 17 Denn Gott hat
seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß
die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht
gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht
an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. 19 Das ist aber das Gericht, daß
das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr
als das Licht, denn ihre Werke waren böse. 20 Wer Böses tut, der haßt
das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt
werden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar
wird, daß seine Werke in Gott getan sind.
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Predigt |
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Weihnachten Fest des
Schenkens
Weihnachten ist das Fest des Schenkens. Waren Sie heute zufrieden mit
Ihren Geschenken? Haben Sie Überraschendes und Phantasievolles bekommen,
mit dem Sie gar nicht gerechnet haben? Gar nicht unbedingt groß, wertvoll
oder teuer, sondern gut überlegt und und von Herzen kommend. Oder war vor
dem Auspacken eigentlich das meiste schon klar?
Weihnachten ist das Fest des Schenkens, aber das Schenken macht immer
mehr Not: Zum einen, weil die meisten von uns so satt sind. Was soll man jemand
schenken, der schon alles hat und nichts mehr braucht? Und auch dann ist
schenken schwer, wenn man sich in den anderen und seine Wünsche nicht mehr
so recht hineinversetzen kann. So schenken viele nur noch Geld, um sich das
lange Nachdenken zur ersparen und auch nichts verkehrt zu machen. Ja, manche
wollen bloß noch Geld und schauen alles andere scheel an.
Nicht etwas, sondern sich selbst schenken
Doch da gibt es auch die anderen Geschenke. Die, die sich viele heimlich
wünschen, und manche Gott sei Dank auch bekommen: Daß nämlich
nicht irgendetwas geschenkt wird, was man sich auch selber kaufen kann, sondern
daß jemand sich selber schenkt. Sich selber mit seiner Person und seiner
Zeit. Da sagen z.B. manche Eltern auf die Frage, was man ihnen schenken soll: "Sei
ein liebes Kind. Mach mir Freude. Mach, daß ich stolz sein kann auf dich.
Das ist das Größte, was du mir schenken kannst." Also: Schenke
nicht etwas, sondern dich selber. Oder Kinder denken sich heimlich: "Ach,
wenn die Eltern sich doch nicht dauernd streiten würden. Ach, wenn sie mehr
Zeit hätten für mich. Das wäre das größte Geschenk."
Nicht etwas schenken, sondern sich selber schenken.
Johannes: Gott schenkt sich
Der Evangelist Johannes hat keine Weihnachtsgeschichte. In seinem
Evangelium erzählt er nicht oder nur wenig. Er will verstehen. Und er will
andere verstehen lassen. Deswegen ist Johannes nicht so leicht zu lesen wie die
anderen. Und so ist Weihnachten, sagt Johannes auf seine Art nun, wie wenn der
allmächtige Gott seinen Himmel verläßt und sich selber der Welt
und den Menschen verschenkt. Er schenkt uns Jesus, seinen "eingeborenen
Sohn". Also den einen, der mit ihm eins ist. Er schenkt sich also selbst.
Johannes Kapitel 3:
16 Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen
Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das
ewige Leben haben.
Vieles mag Gott in diesem zurückliegenden Jahr Menschen geschenkt
haben, die Augen dafür hatten. Aber das eigentliche und größte
Geschenk ist, daß er sich selber schenkt. Mit Haut und Haaren, mit Fleisch
und Blut verschenkt sich Gott selber an diese Welt. Er schenkt nicht etwas. Er
schenkt sich selbst als Person. Gott will nicht allein bleiben. Er will etwas
mit dieser Welt und ihren Menschen zu tun haben. Er will zu mir und zu dir
kommen.
Das ist das Geheimnis der Weihnachtsgeschichte für die, die nicht
einfach bei der lieblichen Geschichte stehen bleiben, sondern verstehen wollen:
Gott verläßt seinen Himmel, seine Ferne, seine Unnahbarkeit und seine
Ungreifbarkeit, wohin ihn viele gerückt haben. Er begibt sich zu den
Menschen und wird nah, sichtbar und greifbar.
Ist das noch Gott?
Doch indem er sich greifbar macht, macht er sich auch angreifbar: Ist
das noch Gott, wenn er so menschlich und niedrig geworden ist? Ist das noch
Gott, wenn er so abseits und unbeachtet geboren wird? Ist das noch Gott, wenn er
hinterher fliehen muß vor den Nachstellungen der Mächtigen? Müßte
Gott nicht mächtiger, majestätischer, gewaltiger sein?
Das ist der größte Unterschied zwischen dem christlichen,
biblischen Glauben und den anderen beiden Religionen, die ebenso an den einen
Gott glauben: Für Juden wie für Muslime bleibt Gott der Majestätische,
der Ungreifbare und Unnahbare. Daß Gott Mensch werden könnte, daß
er sich aus seiner Höhe in unsere Niedrigkeit begibt, ist und bleibt ihnen
unvorstellbar, ja gotteslästerlich.
Aber bleiben wir bei uns selbst, denn was da in anderen Religionen
geschieht, ist durch und durch menschlich: Daß Gott ganz nahe kommt, daß
er sich selber schenkt, ist ein von Herzen gut gemeintes Geschenk, aber trotzdem
eines, das viele nur schwer oder gar nicht annehmen können. Sie haben sich
Gott anders vorgestellt. Und: Wenn Gott so nahe kommt, dann wird er auch
unbequem. Dann kann man ihm nicht aus dem Weg gehen.
16 Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen
Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern
das ewige Leben haben.
Gott schenkt sich. Das kann nicht verstanden und durchschaut, das kann
nur geglaubt werden. Gott schenkt sich. Das ist an sich Wirklichkeit. Doch
Wirklichkeit für den einzelnen Menschen wird es erst, wenn es geglaubt und
angenommen wird. Gott schenkt sich und wartet neugierig und sehnsüchtig
darauf, daß wir dieses Geschenk annehmen.
Wenn Geschenke nicht ankommen
Wie geht es Ihnen in einer solchen Situation? Sie haben ein Geschenk mit
Überlegung und Phantasie ausgesucht. Sie haben sich ins Gewühl gestürzt,
um es zu finden. Und nun kommt es nicht richtig an. Es löst gar keine
rechte Freude aus. Es wird gar nicht genau angeschaut und gar wortlos
weggesteckt. Ja, wer weiß, vielleicht wird es hinterher umgetauscht ...
Damit hat der Evangelist Johannes in seiner Zeit zu kämpfen: Da
sind so viele, die das Geschenk gar nicht haben wollen. Die den Gott, der sich
ihnen schenkt, gar nicht beachten. Warum wohl? Und: Was ist nun mit ihnen?
18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht
glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des
eingeborenen Sohnes Gottes. 19 Das ist aber das Gericht, daß das Licht in
die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das
Licht, denn ihre Werke waren böse. 20 Wer Böses tut, der haßt
das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt
werden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar
wird, daß seine Werke in Gott getan sind.
Wer zu Gottes Geschenk Ja sagt, wer es annimmt, dem kann nichts mehr
passieren. Der hat Gott und seine Nähe. Die kann ihm niemand mehr
wegnehmen. Das letzte Urteil über sein Leben ist gesprochen.
Wer diesen Gott aber nicht haben will, für den ist auch schon alles
geschehen. Er will ohne ihn zurechtkommen und er muß nun auch ohne ihn
zurechtkommen.
Oder noch mit anderen Worten: Wer sich diese Nähe Gottes gefallen läßt,
der steht im Licht. Wer nichts damit zu tun haben will, der steht im Finstern.
Wer auf Gottes Seite steht, dessen Tun kann sich sehen lassen. Es gelingt. Es
braucht das Licht nicht zu scheuen. Und lichtscheues Tun ist ein Zeichen, daß
jemand ohne Gott und eigenmächtig handelt.
Eine harte Rede am Weihnachtsabend Das ist harte und unmißverständliche
Rede. Aus enttäuschter Liebe heraus. Aus Enttäuschung und Zorn darüber,
wie jemand ein solches Geschenk, (den Gott nämlich, der sich selber
schenkt,) einfach nicht haben will. Man muß wohl, wenn es ums Leben geht,
auch hart und unmißverständlich reden. Aber dennoch habe ich meine
innere Not mit diesen Versen:
Was ist mit Menschen in anderen Religionen, die von Jesus nichts oder
noch nichts wissen? Sind sie automatisch in der Dunkelheit? Ist das Gericht über
sie schon gesprochen? Muß alles, was sie tun, das Licht scheuen?
Und was ist mit denen unter uns, denen man dieses menschgewordenen und
nahen Gott noch gar nicht richtig nahe gebracht hat? Die noch gar nicht haben
verstehen können, welches Geschenk ihnen damit angeboten ist. Weil
vielleicht noch keiner die rechten und passenden Worte für sie gefunden
hat. Weil sie vielleicht durch das schlechte Beispiel anderer Christen
abgeschreckt wurden. Weil sie vielleicht einen hartherzigen und strengen Pfarrer
in Schule und Konfirmandenunterricht hatten, der diesen nahen und liebenden Gott
nicht vorgelebt hat.
Das Geschenk entdecken und annehmen
Wichtiger als die Verse von Finsternis und Gericht ist mir deswegen
dieser:
17 Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt
richte, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde.
Und auch die Weihnachtsgeschichte macht mir Mut. Da kommen alle die als
erste zur Krippe, die nach der Meinung der damals Frommen dort überhaupt
nichts verloren hätten: Die Hirten waren als Gauner verschrien,
lichtscheues Gesindel. Sie waren ungebildet. Sie waren nicht fromm. Doch sie
finden zum Kind.
Und die drei Könige, die ja eigentlich drei Magier, drei
Sterndeuter, drei Astrologen waren. Auf dem Umweg über den Aberglauben, so
würden wir aus heutiger Sicht sagen, finden sie den wahren Weg und den
wahren Gott.
So wünsche ich uns allen, daß wir heute Nacht auf welchem
Weg auch immer und womöglich auf Umwegen doch noch zum Kind finden. Ich wünsche
uns, daß wir zum ersten mal richtig oder auch wieder neu dieses Geschenk
annehmen und die Botschaft hören: Auch mit dir will Gott zu tun haben. Auch
in dein Leben will er kommen. Auch deinen Alltag will er teilen und mit seinem
Licht hell machen. Auch für dich soll es in seinem tiefsten Sinn
Weihnachten werden. |
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