Die Predigt vom 7. Februar 1999: »Warte halt ein bißchen!«
Kirchenjahr
Evangelisches
Kirchenjahr
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Die evangelische Kirche beging am
Sonntag den 2. Sonntag vor der Passionszeit, den Sonntag Sexagesimae ("60
Tage vor Ostern"), auch "Sonntag vom Wort Gottes" genannt.
Predigttext war ein Gleichnis Jesu vom Sämann aus dem Lukasevangelium
Kapitel 4: |
Predigttext
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26 Und er sprach:
Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft 27 und
schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst
- er weiß nicht, wie. 28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst
den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29
Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin;
denn die Ernte ist da.
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Predigt |
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Ja. ja, die Konfirmanden
Alle Jahr wieder sind im Kirchenvorstand die Konfirmanden das Thema.
Oder besser: die Konfirmanden und der Gottesdienst, weil das für die
meisten der einzige Punkt ist, wo sie ihnen begegnen. Und so gab es auch am
vergangenen Donnerstag wieder Diskussionen, wie die Konfirmanden mit der
relativen Freiheit, die man ihnen läßt, umgehen: beim
Gottesdienstbesuch und auch bei ihrem Verhalten im Gottesdienst. Warum fruchten
der Unterricht und der Gottesdienst so wenig? Warum ist so wenig Erfolg zu sehen
und so wenig Respekt? So wird gefragt.
Die Lebenswirklichkeit der Konfirmanden
Wie immer im Leben sind es viele Gründe: Es liegt am Alter, in dem
man cool sein will, untereinander und auch vor Erwachsenen: Ja kein übersteigertes
Interesse zeigen! Andererseits aber Aufmerksamkeit erringen!
Es liegt am mangelnden Vorbild in den meisten Elternhäusern. Zehn
von den 13 Elternpaaren habe ich außer an Weihnachten und bei der Einführung
der Konfirmanden noch nie in der Gemeinde gesehen. Und von nichts kommt nun mal
nichts.
Es liegt an der Mediengesellschaft, die die Kinder und Jugendlichen so überfüttert,
daß man sie nur noch schwer hinter dem Ofen hervorlocken kann. Wenn man
doch im Unterricht und im Gottesdienst wie mit der Fernbedienung zwischen drei,
vier verschiedenen Pfarrern und Programmen hin und her zappen könnte!
Und es liegt vor allem an der mangelnden Attraktivität von uns
Erwachsenen. Unser Gottesdienst ist nicht attraktiv. Unsere Lieder sind nicht
attraktiv. Wir können Jugendliche nicht begeistern. Wenn wir attraktiver wären,
könnten wir manchen anderen Mangel wie das fehlenden Vorbild der Eltern
oder die Probleme der Medien wieder ausgleichen.
Ist es denn bei all dem ein Wunder? Ist da nicht jeder einzelne
Jugendliche, der sich interessiert und bleibt, ein Wunder? Wenn es dieses
Wunder, daß auch aus wenig viel entstehen kann, nicht gäbe, könnten
wir aufhören. Warum versuchen Pfarrer dennoch, mit möglichst viel
Geduld und Freundlichkeit auf Jugendliche zuzugehen? Es ist unter anderem ein
Gleichnis, das Jesus erzählt.
Die Welt der Gleichnisse Jesu
Wie immer bei Jesus ein Gleichnis aus dem Alltag, einem Beispiel, das
damals jeder verstand. Nun hat sich Welt gewandelt und viele können sich
unter einem Sämann, unter einem Mann, der mit der Hand Getreide aussät,
nichts mehr vorstellen. Die Älteren wissen es noch, wie die Bauern früher
die Getreidekörner entweder in ihrer Arbeitsschürze oder in einer
halbrunden Wanne vor dem Bauch trugen, mit der linken Hand alles festhielten und
mit rechten in einem weiten Bogen die Samenkörner ausstreuten. Von einem
solchen Sämann redet Jesus, wenn es bei Lukas heißt:
26 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen
aufs Land wirft 27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same
geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. 28 Denn von selbst bringt
die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen
in der Ähre. 29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er
alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.
Der Bauer kann nur warten
Zu Vertrauen und Gelassenheit ruft Jesus auf, was das Wachsen angeht. Zu
einem Vertrauen und einer Gelassenheit, wie sie der Sämann an den Tag legt:
Er sät seine Körner und dann läßt er der Natur seinen Lauf.
Er kann das Wetter nicht machen, kann den Regen nicht kommen lassen und das
Unwetter nicht aufhalten. Er durchschaut auch die biologischen Prozesse nicht,
die da in Samenkorn und Pflanze ablaufen. Und wenn, würde es ihm nichts
helfen. Er geht auch nicht jeden Tag ungeduldig raus, um zu sehen, ob sich nicht
schon etwas getan hat. Und wenn die Halme herausspitzen, kann er ihnen durch
Ziehen auch nicht beim Wachsen helfen.
Auf dieses Wunder kann man sich mit ruhiger Gelassenheit und mit
Vertrauen jedes Jahr wieder neu verlassen. Es wird nicht lange dauern, dann
kommen die ersten Krokusse und Schneeglöckchen durch den Schnee, (sofern
dann noch welcher liegt.) Auch das Getreide, das im vergangenen Jahr gesät
worden ist, ruht jetzt unter der weißen Decke und wird im Frühjahr
aufgehen.
Auch eine Gemeinde braucht Geduld
Und nun sagt Jesus: So wie das mit dem Säen und dem Wachsen ist, so
ist es auch mit dem Reich Gottes. Was ist Reich Gottes? Reich Gottes oder
besser: Herrschaft Gottes, ist dort, wo Menschen Gott Herr sein lassen, wo
Glaube entsteht und wächst, wo Menschen sich in die Gemeinde einladen
lassen. Man kann andere Menschen zum Glauben und in die Gemeinde einladen: durch
Predigen, durch Unterricht, durch persönliches Vorbild. Aber was daraus
wird, das hat man nicht in der Hand. Man kann nur geduldig und vertrauensvoll
darauf warten, was Gott daraus macht. Aber daß Gott etwas daraus macht,
das sollen wir ganz fest glauben, genauso wie wir uns beim Säen darauf
verlassen, daß auch etwas wachsen wird.
Wie war es damals?
Jesus hatte damals Grund, zu einem solchen geduldigen Vertrauen
einzuladen. Er predigte die Nähe Gottes und seiner Herrschaft. Er machte
den Menschen Mut, er versprach ihnen Befreiung, er heilte viele. Aber letztlich
schien doch alles beim Alten zu bleiben. Denn die Krankheiten wurden ja nicht
abgeschafft, auch der Tod nicht, und auch die Unterdrückung durch die Römer
nicht. Deswegen wurden die einen mutlos und zweifelten, ob an seiner Botschaft überhaupt
etwas dran sein kann. Und die anderen wurden ungeduldig und zornig und meinten,
mit Gewalt der Herrschaft Gottes und der Freiheit von den Römern nachhelfen
zu müssen. Beiden sagt Jesus mit seinem Gleichnis: "Habt Vertrauen und
Geduld! Gottes Herrschaft wird sich durchsetzen, auch wenn die Anfänge noch
so klein und die derzeitigen Erfolge noch so kläglich sein mögen."
Geduld mit jungen Menschen
Dieselbe Gelassenheit und Geduld tut auch einer christlichen Gemeinde
gut, nicht nur im Blick auf die Konfirmanden. Gott macht schon etwas draus, auch
wenn Erfolge nicht von heute auf morgen da sind. Man muß Menschen, die man
zum Glauben oder in die Gemeinde einlädt, ganz einfach auch Zeit lassen.
Wer einmal über das eigene Leben nachdenkt, merkt, daß das mit dem
Glauben nicht plötzlich geht, sondern eine Entwicklung durchmacht mit Höhen
und Tiefen und oft auch mit einem langen Anmarschweg. Und so wird Gott auch
seinen eigenen Weg mit jedem dieser jungen Menschen haben.
Überhaupt müssen wir lernen, daß das Reich Gottes über
lange Zeiträume wächst. Ein Pfarrer muß wissen, daß vieles
von dem, was er erntet, von anderen gesät worden ist. Und er darf darauf
hoffen, daß andere nach ihm von dem ernten, was er gesät hat.
Menschen, die heute mitarbeiten, sind vielleicht vor vielen Jahren schon durch
Kindergottesdienst oder Jugendarbeit in die Gemeinde hineingewachsen. Und
Jugendliche, die heute mitarbeiten, werden vielleicht hier oder anderswo einmal
zu den Stützen einer Gemeinde werden. Und so gibt es gerade auch bei
Konfirmanden keine schnellen Erfolge. Aber ich hoffe, daß dennoch etwas hängenbleibt,
im Stillen und Verborgenen wächst und irgendwann einmal Frucht trägt.
Es geht um das Gelingen des Lebens
Warum diese Sorge um das Wachsen der Gemeinde? Damit der Kirche keine
Kirchensteuerzahler verloren gehen? Damit wir uns rechtfertigen können vor
der Welt, daß es uns als Christen und als Kirche auch noch geben muß
in dieser modernen Zeit? Nein, es geht in diesem Gleichnis versteckt noch um
etwas viel Ernsteres:
29 Wenn sie (die Erde) aber die Frucht gebracht hat, so schickt er
(der Bauer) alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.
Am Ende sollen Früchte sichtbar werden. Gott sucht Frucht. Gott
will, daß das Leben eines Menschen Früchte trägt, daß es
gelingt. Aller Konfirmandenunterricht, alle christliche Erziehung, alles
Predigen dienen also nur nebenbei dazu, daß Kirche erhalten bleibt,
sondern es geht darum, Menschen ein Angebot zu machen, damit sie nicht ihr Leben
verfehlen. Daß es ums Leben geht, das gibt allen unseren Bemühungen
einen tiefen Ernst. Andere geduldig einladen: in den Gottesdienst, in Gruppen
und Veranstaltungen. Den Jugendlichen ein Vorbild sein im Glauben und im Leben.
Kinder und Enkel christlich erziehen, ihnen das Beten beibringen, ihnen von Gott
erzählen, sie in den Kindergottesdienst schicken. Aber dann geduldig und
zuversichtlich warten, was Gott daraus machen wird. Geduldig und zuversichtlich
wie der Sämann im Gleichnis.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen |
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