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Die Predigt vom 14. März 1999: »Vom Hunger nach Leben«


Kirchenjahr

Evangelisches Kirchenjahr

Die evangelische Kirche beging am Sonntag den Sonntag Lätare ("Freue dich"). Predigttext war ein Abschnitt aus dem Johannesevangelium Kapitel 6, Verse 55-65 über die Gegenwart Jesu in Brot und Wein des Abendmahls. (Ich habe mich auf die Verse 55-59 beschränkt.)

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben
.)

55 Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. 56 Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. 57 Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich ißt, leben um meinetwillen. 58 Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit. 59 Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte.

Predigt

Vom Wert des Brotes

Ein englischer Journalist hat nach Zeitungsberichten vor einigen Jahren Zeit einen interessanten Test unternommen: Er kaufte sich ein Dreipfundbrot und stellte sich damit an belebte Straßenecken verschiedener Städte dieser Welt, wo er gerade dienstlich unterwegs war. Die Leute, die vorbeigingen, forderte er auf, für dieses Brot eine Stunde lang für ihn zu arbeiten. Folgendes soll er erlebt haben:

In Hamburg hat man ihn mit seinem Brot ausgelacht. In New York hat ihn die Polizei festgenommen. Im afrikanischen Staat Nigeria fanden sich einige, die für das Brot gleich drei Stunden arbeiten wollten. Und in der indischen Hauptstadt New Delhi standen in kürzester Zeit mehrere hundert Menschen um ihn herum, die alle bereit waren, einen ganzen Tag für dieses Brot zu arbeiten.

Das ist wohl vor allem eine Geschichte für junge Menschen. Wir Jungen sind nun mal in einer Zeit aufgewachsen, in der es alles gab. Wir haben nie gelernt, den Wert des Brotes zu schätzen, weil es uns an Brot nie gemangelt hat. Es ist allein schon aufschlußreich, einmal in den Schulen in die Papierkörbe und Abfalleimer zu schauen. Was man da an Brot finden kann! Entweder werden viele Pausenbrote von den Eltern lieblos hergerichtet, oder die Anziehungskraft der Verkaufsstände in den Schulen mit all den Süßigkeiten ist zu groß. Ältere Menschen können das nicht verstehen. Sie erinnern sich an die Zeit, als man lieber Kartoffeln auf den Tisch gebracht hat, um Brot zu sparen.

Lebensmittel: Mittel zum Leben

Wir haben es nötig, daß wir von Menschen in anderen Ländern wieder auf den Wert des Brotes aufmerksam gemacht werden. Brot ist Lebensmittel, und das im wörtlichen Sinn: es ist Mittel zum Leben, für viele Mittel zum Überleben.

Was uns hier von Jesus erzählt wird, spielte in einer Zeit und in einem Land, wo man den Wert des Brotes sehr wohl kannte. Brot und Wein, das waren in Israel die Lebensmittel schlechthin. Ohne Brot und Wein konnte man sich kein Essen denken. Wir dürfen uns unter Wein nur nicht einen guten Tropfen zum Genießen vorstellen. Es war ein einfacher Wein, eher ein saurer, durststillender Traubenmost.

Der springende Punkt ist aber: Jesus redet hier nicht von der Lebenswichtigkeit von Brot und Wein, wie sie die Menschen zum Essen kannten. Jesus redet von seiner Gegenwart im Abendmahl; von dem Brot und dem Wein, in denen er selber zu finden ist. Drei Dinge sagt Jesus über das Abendmahl: Es ist Lebensmittel. Es schenkt Verbindung zu Gott. Es schenkt ewiges Leben.

Das Abendmahl als Lebensmittel

Zum ersten: "Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank." Oder anders übersetzt, weil hier ja nicht Fleisch und Blut im wörtlichen Sinn gemeint ist: "Ich selber, wie ihr mir im Abendmahl begegnet", sagt Jesus, "bin das wahre Lebensmittel".

Das Abendmahl ist so wichtig, wie Brot und Wein damals waren. Es ist so wichtig wie Essen und Trinken. Es ist Lebensmittel, Mittel zum Leben. Ja, Jesus geht noch weiter: Das Abendmahl ist das wahre, also das eigentliche Mittel zum Leben. Brot und Wein, Essen und Trinken machen nur vordergründig satt. Sie stillen den äußeren Hunger. Da kann jemand durch und durch satt sein, aber innerlich leer und hungrig bleiben. Das Abendmahl aber macht den Menschen in einem tieferen Sinn satt und zufrieden.

Brot und Spiele

Wie meint er das? Es wird deutlich, wenn man weiß, was diesen Worten vorausgeht: Es wird zuvor die Geschichte von der Speisung der 5000 erzählt: Eine Menge Menschen hatten Jesus zugehört. So spannend hatte er geredet, daß sie darüber die Zeit vergaßen. Es wurde Abend und die Menschen hatten keine Zeit mehr, zum Essen nach Hause zu gehen. Aber auf geheimnisvolle Weise wurden von den wenigen Broten und Fischen, die da waren, alle satt. So einen wie Jesus müßte man zum König machen, sagten sich die Leute, dann gäbe es keine Hungersnot mehr, dann hätten alle genügend zu essen. Dem, der genügend Brot schaffen kann, laufen die Menschen nach. Als Jesus das merkte, zog er sich zurück. So wollte er nicht verstanden werden: als einer, der äußere Bedürfnisse befriedigt; als einer, der die Massen bei Laune hält.

Worum es Jesus eigentlich ging, hatten die Menschen nicht gemerkt: Er war da. Ihm hatten sie gespannt zugehört. Ihm hatten sie vertraut an diesem Nachmittag. Darum war das Wunder geschehen. Wichtig ist also nicht so sehr, daß Menschen äußerlich satt werden, sondern daß Jesus ihnen begegnet und sie sich auf ihn verlassen. Dann kann man auch heute noch Wunder erleben.

Abendmahl: Jesus ist da

So ist Jesus, wie er im Abendmahl begegnet, selber das Lebensmittel. Im Abendmahl ist er da. Es geht nicht um ein äußerliches Essen und Trinken. Es ist nicht so wichtig, ob wir Weißbrot, Schwarzbrot oder Oblaten nehmen. Es ist nicht so wichtig, ob wir mit Wein oder mit Saft feiern. Wichtig ist, daß wir damit rechnen, daß Jesus da ist und daß damit Gott nahe ist.

"Das ist mein Leib" heißt übersetzt in einfache Worte: Das bin ich wie ich leibe und lebe. Ich bin da. So sicher wie Brot und Wein da sind, so sicher bin auch ich da. Und wo ich bin, da gibt es Leben. Da werden die Menschen satt.

Abendmahl: Verbindung mit Gott

Zum zweiten: "Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm." Und noch einmal in anderen Worten, weil es ja nicht wörtlich um Fleisch und Blut geht: "Wer mich in sich aufnimmt, wer sich mich einverleibt", sagt Jesus, "dem bin ich bleibend nahe". Das Abendmahl schenkt also Verbindung mit Gott.

Aber: Ist Gott nicht auch da außerhalb des Abendmahls? Ist er nicht da, wo gepredigt wird, wo gebetet wird, wo Menschen in seinem Namen zusammenkommen? Was bringt nun das Abendmahl Neues? Im Abendmahl ist mir wichtig, daß man von Gott nicht nur hören kann. Die Worte sind nur für die Ohren da. Doch wir Menschen leben auch mit den Augen, mit der Nase und mit dem Mund. Die sollen beim Abendmahl auf ihre Kosten kommen. Im Abendmahl ist Gott handgreiflich da, zum Greifen nah. Das ist mehr und deutlicher als wenn nur von ihm erzählt wird. Man kann Gott sozusagen mit dem ganzen Körper glauben. Man kann ihn in Brot und Wein in sich aufnehmen.

Abendmahl: Ewiges Leben

Zum dritten: "Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit." Also: Das Abendmahl schenkt also ewiges Leben.

Wenn Jesus hier von den Vätern redet, dann meint er die Geschichte von der Speisung mit dem Manna. Als die Israeliten mit Gottes Hilfe aus Ägypten geflohen waren, mußten sie einen weiten Weg durch die Wüste Sinai gehen. Es wird erzählt, daß sie am Verhungern waren und sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens zurücksehnten. Es wurde ihnen in diesem Moment das Essen wichtiger als die ersehnte und neugewonnene Freiheit. Sie schrien zu Gott und er schickte ihnen das sogenannte Manna: Einen Pflanzensaft, der hart wird und dort heute noch von Menschen und Tieren gegessen werden kann. Dadurch wurden die Menschen damals in der Wüste durch Gott gerettet.

Jesus sagt nun: So wie die Menschen damals von Gott am Leben erhalten wurden in großer Not, so ist es auch mit dem Abendmahl. Das Abendmahl schenkt dem, der in Not ist und zu Gott schreit, neue Kraft und neues Leben. Aber: anders als bei dem Manna, das man nur einen Tag aufheben konnte, schenkt das Abendmahl nicht nur vordergründiges und kurzfristiges, sondern ewiges Leben.

Was bedeutet "Ewiges Leben"?

Ewiges Leben bedeutet nun aber im Johannesevangelium nicht in erster Linie ein Leben irgendwann in der Zukunft, ein Leben irgendwann nach dem Tod, wenn jemand endlich seine Ruhe haben darf. Ewiges Leben ist nicht so sehr zeitlich gemeint, sondern meint die Art des Lebens: wirkliches, richtiges, sinnvolles Leben, das man auch hier und heute finden kann. Das Abendmahl schenkt solches Leben. Aber wiederum: nicht das Brot und nicht der Wein machen das, sondern Gott selber, der im Abendmahl anwesend ist.

Ausprobieren!

Daß das so ist: Daß man ein zufriedenes, sinnvolles, echtes Leben führen darf, wenn man an Gott glaubt, sich ihm öffnet und ihn als Lebensbrot richtiggehend in sich aufnimmt, das kann man nicht erklären und nicht beweisen. Das kann man nur ausprobieren und erfahren. Tun Sie's, z.B. bei der nächsten Abendmahlsfeier.

"Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei mit uns auf unsern Wegen. Sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei um uns mit deinem Segen." Amen

Ein Gebet

Herr Jesus Christus, du hast den Weg durch das Leiden nicht gescheut. Du warst wie ein Korn, das in die Erde fällt und neues Leben bringt.

Wir bitten dich: Stärke die Traurigen unter uns, deren Tage und Nächte von seelischem und körperlichem Leid bestimmt sind. Hilf ihnen durch die Anfechtung hindurch zur Geduld. Laß sie dein Geheimnis bedenken, daß durch das Leiden hindurch neues Leben geschenkt wird. Schenke ihnen eine Hoffnung, die stärker ist als Leid und Tod.

Wir bitten dich für die, die sich nach wahrem Leben sehnen, die auf der Suche sind nach Sinn und Ziel ihres Lebens, die trotz der vielen Angebote innerlich hungrig bleiben. Hilf, daß sie sich dir öffnen können und dem Leben, das du schenkst.

Herr des Lebens, im Vertrauen auf deine Güte wollen wir getrost unseren Weg weitergehen, durch Jesus Christus.

Amen


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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de