Die Predigt vom Gründonnerstag am 1. April 1999: »Ein Traum von
einem Abendmahl«
Kirchenjahr
Evangelisches
Kirchenjahr
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Die evangelische Kirche gedenkt am Gründonnerstag
(grün von greinen = weinen) der Einsetzung des Abendmahles. Predigttext war
der entsprechende Abschnitt aus dem Markusevangelium Kapitel 14: |
Predigttext
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Glaube und Leben.) |
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17 Und am Abend kam
er mit den Zwölfen. 18 Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach
Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir ißt, wird
mich verraten. 19 Und sie wurden traurig und fragten ihn, einer nach dem andern:
Bin ich's? 20 Er aber sprach zu ihnen: Einer von den Zwölfen, der mit mir
seinen Bissen in die Schüssel taucht. 21 Der Menschensohn geht zwar hin,
wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch den der Menschensohn
verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren
wäre. 22 Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's
und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. 23 Und er nahm den Kelch,
dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. 24 Und er sprach zu
ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. 25
Wahrlich, ich sage euch, daß ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs
des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reich
Gottes. 26 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den
Ölberg. |
Predigt |
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Ein Traum von einem Abendmahl
Ich möchte heute meinem Eckersdorfer Kollegen, Pfarrer Wende, ausdrücklich
meinen Respekt aussprechen. Für manche vielleicht überraschend, weil
sein Familiengottesdienst zum Fasching ja ein eher zwiespältiges Echo
ausgelöst hat. Er hat meinen Respekt, weil er jetzt eben, wo wir uns hier
versammeln, zu einem Gründonnerstag-Gottesdienst ins Gemeindehaus
eingeladen hat. Er hat eingeladen zu einem Feierabendmahl, verbunden mit einem
Lammessen. Das mag ungewöhnlich klingen, hat aber von der Bibel her
durchaus seine Berechtigung.
Ich habe einen Traum. Ich habe einen Traum von einem Abendmahl, wie ich
es beim Lesen in der Bibel entdecke. Ich habe einen Traum, daß wir Schätze,
die im Abendmahl noch verborgen liegen, entdecken und heben.
Ich träume von einem Abendmahl als fröhlichen Fest. Ich träume
von einem Abendmahl mit einer deutlichen und herzlichen Gemeinschaft. Ich träume
von einem Abendmahl, bei dem nicht nur die Seele, sondern auch der Leib satt
werden können.
Aus dem Markusevangelium im 14. Kapitel:
17 Und am Abend kam er mit den Zwölfen. 18 Und als sie bei
Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter
euch, der mit mir ißt, wird mich verraten. 19 Und sie wurden traurig und
fragten ihn, einer nach dem andern: Bin ich's? 20 Er aber sprach zu ihnen: Einer
von den Zwölfen, der mit mir seinen Bissen in die Schüssel taucht. 21
Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem
Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen
Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. 22 Und als sie aßen, nahm
Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist
mein Leib. 23 Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken
alle daraus. 24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für
viele vergossen wird. 25 Wahrlich, ich sage euch, daß ich nicht mehr
trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs
neue davon trinke im Reich Gottes. 26 Und als sie den Lobgesang gesungen
hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
Das Abendmahl als Fest
Ich träume von einem Abendmahl als Fest: mit dankbaren und fröhlichen
Menschen, denen man diese Fröhlichkeit auch ansehen kann. Das letzte Essen,
das Jesus am Tag vor seinem Tod mit seinen Jüngern feierte, war nach allem,
was wir wissen, ein Passamahl, ein Festmahl zum Passafest. Auch heute noch
feiern die Juden Passa (Pessach) zur dankbaren Erinnerung der Befreiung ihrer
Vorfahren aus Ägypten. Sie loben damit Gott als den, der auch heute noch
Menschen frei macht.
(Übrigens fallen heute der Gründonnerstag und der Beginn des
Passafestes zusammen, was wegen der verschiedenen Kalender in Europa und in
Israel nur selten vorkommt.)
Das Abendmahl als Fest der Gegenwart Gottes
Wie das Passafest für die Juden, so sollte eigentlich das Abendmahl
für uns ein Fest sein, ein Fest in zweifacher Hinsicht: ein Fest der
Gegenwart Gottes und ein Fest der Vergebung und der neugeschenkten Gemeinschaft.
22 Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's
und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib.
"Nehmet, das ist mein Leib." Das bedeutet in anderen Worten:
Nehmt meine Gegenwart an. Nehmt mich an. Ich bin da. Ganz und gar. Wie ich leibe
und lebe. Wo Luther "Leib" übersetzt, steht im Urtext ein Wort,
das nicht den Leib als Körper aus Fleisch und Blut meint, sondern die
Person Jesu. Es geht nicht um das Essen von Fleisch, auch nicht symbolisch, es
geht um Jesu Gegenwart als Person. Mit dem Brot sagt Gott: "Ich bin da bei
dir. Und ich gehe mit dir."
Das Abendmahl als Fest der neuen Gemeinschaft mit Gott
23 Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle
daraus. 24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für
viele vergossen wird.
Ähnliches gilt für den Wein im Kelch. "Das ist mein Blut
des Bundes, das für die vielen vergossen wird." Da geht es nicht um
das Trinken von Blut, auch nicht symbolisch. Das Blut ist im hebräischen
Denken hier nicht das Organ, das durch den Körper fließt. Blut war für
die Alten der Sitz des Lebens. Blut ist Leben. Und vergießen von Blut ist
Lebenshingabe. Wer im Abendmahl hört: "Das ist mein Blut." Der
soll hören: Auch für dich habe ich mein Blut vergossen. Auch für
dich habe ich mein Leben gelassen. Damit ist alles gesühnt. Damit ist alles
versöhnt.
"Das ist mein Blut des Bundes", sagt Jesus. Gott geht in Brot
und Wein einen Bund mit uns ein, eine Verpflichtung. Gott bindet sich an Brot
und Wein. Der allmächtige Gott, den man nicht in die Hand bekommen kann,
der gibt sich in Jesus in unsere Hand.
Das Abendmahl als Fest der Gemeinschaft
So träume ich von einem Abendmahl als Fest, bei dem man die Freude über
diese Befreiung so richtig erleben kann. Und das zweite: Ich träume von
einem Abendmahl mit einer deutlichen und einer herzlichen Gemeinschaft. Ich träume
von einem Abendmahl, wo jemand nicht als frommer Einzelgänger in seiner
Bank sitzt oder vor dem Altar steht. Ich träume von einem Abendmahl, wo man
einander wahrnimmt und herzlich aufeinander zugeht. Nicht umsonst gibt es beim
Abendmahl die alte Sitte, daß man beim Friedensgruß vor der
Austeilung auf die Menschen neben sich zugeht und ihnen diesen Gottesfrieden
auch persönlich wünscht, und wo man sich gut kennt, auch mit einer
herzlichen Umarmung.
Warum diese Gemeinschaft? Weil wir alle so gut Freund sind? Weil wir es
wert sind? Nein, weil wir vor Gott im Abendmahl alle gleich sind, gleich gut
oder gleich schlecht, wie man es nimmt. Das müßte eigentlich
wichtiger sein als alle Sympathie und Antipathie. Das müßte stärker
sein als die Frage, ob wir uns nun riechen können oder nicht. Alle Zwölf
sitzen sie in der Erzählung des Markus mit Jesus am Tisch. Allen bietet
Jesus seine Gemeinschaft an. Keiner wird weggeschickt von ihm, auch Judas nicht.
Keinem kündigt er die Freundschaft auf.
Daraus schließe ich: Auch heute wird beim Abendmahl nicht
aussortiert. Da wird nicht gefragt: Wie lange bist du schon nicht mehr hier
gewesen? Da wird nicht gefragt: Begreifst du auch, was hier geschieht? Da wird
nicht gefragt: Wie tief und fest ist dein Glaube? Sondern entscheidend ist, daß
du überhaupt da bist. Gefragt ist beim Abendmahl nicht so sehr der Blick
auf mich selbst: auf meine Schuld, meine Unzulänglichkeit, meine Unfähigkeit,
mich wirklich grundlegend zu ändern. Gefragt ist allein der Blick auf
Jesus: Er lädt ein. Er ist der Gastgeber und der Mittelpunkt.
Weil bei Markus der Name des Verräters nicht genannt wird, gibt es
keinen Sündenbock und jeder muß bei sich selbst beginnen:
18 Und als sie bei Tisch waren und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich
sage euch: Einer unter euch, der mit mir ißt, wird mich verraten. 19 Und
sie wurden traurig und fragten ihn, einer nach dem andern: Bin ich's? Das
ist nicht die selbstsichere und trotzige Frage mit der Zielrichtung: "Ich
bin's ganz gewiß nicht." Sondern die eher zaghafte und traurige
Frage: Könnte ich's vielleicht sein? Könnte mir das auch passieren, daß
ich erst mit ihm an Tisch sitze und ihn dann doch verrate? Nein, alle waren sie
damals gleich, ohne die Tat des Judas zu beschönigen: Alle verlassen sie
ihn, als es hart auf hart geht. Und auch der Mutigste, Petrus, der wenigstens
von ferne folgt, wird ihn noch in derselben Nacht verleugnen.
Und wenn man doch etwas gegen jemand hat und beim besten Willen nicht
miteinander kann? Dann traue ich dem gemeinsamen Abendmahlsbesuch auch zu, daß
der Friede, den Gott gemacht hat, auch Menschen wieder einander annähern
kann. Wenn Gott niemand wegstößt, wie kann ich meine Feindschaft oder
Ablehnung einem anderen gegenüber noch trotzig aufrechterhalten?
Auch der Leib soll satt werden
So träume ich von einem Abendmahl mit einer herzlichen
Gemeinschaft. Und zum dritten: Ich träume von einem Abendmahl, bei dem
nicht nur die Seele, sondern auch der Leib satt werden kann:
Das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern, das zum ersten Abendmahl
wurde, war Teil eines gemeinsamen Abendessens: Während dieses Mahls sagt er
seine deutenden Worte zu Brot und Wein. Ein reichliches Mahl ist es, das
Passamahl, bei dem niemand zu kurz kommen soll. Ein Mahl, bei dem dreimal ein
voller Becher Wein geleert wird, außer durch die Kinder bzw. die Kranken.
So ist das Passamahl ein Fest für Leib und Seele. Der Gott, der es mit uns
gut meint, meint es mit Leib und Seele gut.
Deswegen mein ausdrücklicher Respekt meinem Eckersdorfer Kollegen
gegenüber, daß er diesen ungewohnten Schritt unternimmt und die
Menschen zu einem Feierabendmahl gemeinsam um einen Tisch bittet. Er hat die
Bibel auf seiner Seite.
Möge in Zukunft noch mehr davon wahr werden: Von einem Abendmahl
als Fest, von einem Abendmahl als herzlicher Gemeinschaft und von einem Mahl für
Leib und Seele. Amen
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