Die Predigt von Ostern 4. April 1999 : »Ostern eröffnet Horizonte«
Kirchenjahr
Evangelisches
Kirchenjahr
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Die evangelische Kirche beging am
Sonntag das Osterfest. Am Sonntag wurde in der Auferstehungskirche über den
Montagstext aus dem Lukasevangelium Kapitel 24 gepredigt. Es ging um das Thema
der Greifbarkeit und Beweisbarkeit der Auferstehung Jesu. |
Predigttext
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Glaube und Leben.) |
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36 Als sie aber
davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen:
Friede sei mit euch! 37 Sie erschraken aber und fürchteten sich und
meinten, sie sähen einen Geist. 38 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so
erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? 39 Seht meine Hände
und meine Füße, ich bin's selber. Faßt mich an und seht; denn
ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, daß ich sie habe.
40 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße.
41 Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er
zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? 42 Und sie legten ihm ein Stück
gebratenen Fisch vor. 43 Und er nahm's und aß vor ihnen. 44 Er sprach aber
zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei
euch war: Es muß alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht
im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. 45 Da öffnete er
ihnen das Verständnis, so daß sie die Schrift verstanden
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Predigt |
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Das Turiner Grabtuch Das
Grabtuch Jesu?
Wahrscheinlich haben Sie schon einmal vom sog. "Turiner Grabtuch"
gehört. Es wird als die kostbarste Reliquie der Christenheit angesehen und
soll das Grabtuch, das Leichentuch Jesu gewesen sein. Auf ihm ist der
Negativabdruck eines Mannes zu sehen, der offensichtlich gekreuzigt wurde. Das
Alter des Tuches ist derzeit noch umstritten.
Ich erinnere mich noch genau an das Jahr 1979, wo einige meiner
Studienkollegen stolz die neuesten Erkenntnisse im Schaukasten ausgehängt
haben, daß nun die Auferstehung Jesu endlich wissenschaftlich bewiesen
sei. Da hieß es in einem Zeitungsartikel unter anderem:
"Der Abdruck sei möglicherweise durch eine Art intensiver
Strahlung aus allen Teilen des Körpers, die wie ein Blitz von der Dauer
etwa einer Zeitausendstelsekunde auf den Stoff eingewirkt habe, zustande
gekommen. Weiterhin habe man festgestellt, daß der Mann, dessen Abdruck
auf dem Tuch zu sehen sei, gekreuzigt worden sei und eine sehr tiefe und blutige
Wunde an der Seite davongetragen habe. Außerdem habe man Spuren von 120
Peitschenhieben und zahlreiche tiefe Wunden um den Kopf herum festgestellt, was
mit der biblischen Schilderung der Leiden Christi übereinstimme." (AP)
Echtheitszertifikat für das Grabtuch Jesu, Süddeutsche Zeitung
21.11.79
Ein Beweis für die Auferstehung?
Dieser Blitz einer intensiven Strahlung könne nur der Moment der
Auferstehung gewesen sein, hieß es damals bei einigen Studienkollegen, der
Moment der Auferstehung, den damals niemand sah, und den man nun hiermit
beweisen könne. Wie auch immer es sich mit diesem Grabtuch verhalten mag,
die Begebenheit damals zeigte etwas von dem sehnsüchtigen menschlichen
Wunsch auch bei Theologen, von dem, was für unseren Glauben so entscheidend
ist, einen greifbaren, einen wissenschaftlichen Beweis in der Hand zu haben.
Ich konnte damals nicht so richtig mitjubeln, weil ich schon immer der Überzeugung
war: Es gibt Dinge, die über unseren Verstand und über unsere
naturwissenschaftliche Erkenntnis hinausgehen, nicht beweisbar sind, aber
trotzdem eine tiefe Wahrheit in sich haben.
Ich weiß nicht, wie meine damaligen Kollegen dann mit dem
Untersuchungsergebnis aus dem Jahr 1988 umgegangen sind, daß das Tuch aus
dem Mittelalter stamme. (Aber auch dieses Ergebnis wird von anderen
Wissenschaftlern seit Jahren wieder angezweifelt.)
Können Beweise Glauben wecken?
Können und sollen wir unseren Glauben wirklich auf die schwankenden
und wechselnden Erkenntnisse von Wissenschaftlern bauen? Soll unser Vertrauen
wachsen, wenn sie etwas entdecken, was uns gefällt? Soll unserer Vertrauen
wieder sinken, wenn sie das Gegenteil entdecken? Aber deutlich ist, daß
viele zum Glauben gerne einen handfesten Beweis hätten. Und das ist nicht
verwunderlich und auch gar keine Schande, denn schon den Jüngern Jesu ging
es so. Hören sie aus dem Lukasevangelium Kapitel 24:
33 Und (die beiden Emmausjünger) standen auf zu derselben
Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die
bei ihnen waren; 34 die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon
erschienen. 35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und
wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach. 36 Als sie aber davon
redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei
mit euch! 37 Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen
einen Geist. 38 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum
kommen solche Gedanken in euer Herz? 39 Seht meine Hände und meine Füße,
ich bin's selber. Faßt mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch
und Knochen, wie ihr seht, daß ich sie habe. 40 Und als er das gesagt
hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße. 41 Als sie aber noch
nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr
hier etwas zu essen? 42 Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor.
43 Und er nahm's und aß vor ihnen. 44 Er sprach aber zu ihnen: Das sind
meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muß
alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in
den Propheten und in den Psalmen. 45 Da öffnete er ihnen das Verständnis,
so daß sie die Schrift verstanden.
Die Depression und Trauer der Jünger
"Als sie aber davon redeten ..." So beginnt die Geschichte.
Die Jünger Jesu durchleben tiefe Depression und Angst: Aus der Euphorie
nach dem triumphalen Einzug in Jerusalem, aus der weiteren Ermutigung durch die
Temepelreinigung sind sie nun nach der Kreuzigung in ein ganz tiefes Loch
gefallen. Alles ist aus. Mit Jesus sind auch alle ihre Hoffnungen begraben. "Als
sie aber davon redeten ..." Es geht ihnen wie allen Trauernden: Sie müssen
reden, reden und nochmals reden. Sich alles von der Seele reden. Reden, nur
nicht hinunterschlucken! Die Klagen, die Angst, das Unverständnis, der
Protest, die Enttäuschung alles muß raus.
Da helfen auch die Botschaften nicht weiter, die sie bekommen, als sie
sich dort in Jerusalem irgendwo versteckt halten. Botschaften sind nur Worte.
Und Worte helfen einem Trauernden nicht sehr viel. Die Botschaften damals
verwirrten eher noch mehr: Als die Frauen vom leeren Grab und von einer
Engelserscheinung berichten, tun es die Jünger als Einbildung ab.
Frauengeschwätz. Hysterische Einbildung. Sie waren Kinder ihrer Zeit:
Frauen hatten als Zeuginnen keine Bedeutung, auch nicht vor Gericht. Und nun
kommen noch mitten in der Nacht die beiden Jünger aus Emmaus zurück
und erzählen von ihrem Erlebnis. Sie kommen und hören, in der
Zwischenzeit sei er auch dem Petrus erschienen.
Der Auferstandene eine Illusion?
Immer noch können sie das alles nur als eine schöne
Einbildung, als ein Wunsch- und Trugbild anschauen. Man muß kein
Psychologe sein. Man kennt das von Trauernden, bevor sie sich wirklich innerlich
verabschiedet haben: Sie meinen, die Stimme eines Menschen zu hören. Sie
meinen, die Schritte auf der Treppe und im Raum zu vernehmen. Herz und Seele können
sich noch nicht an die Endgültigkeit gewöhnen und spielen dem Gehirn
Streiche.Und jetzt ist es offenbar auch mit ihnen soweit und sie sehen ihn schon
selber. Hat sie nun etwa auch die Hysterie erfaßt?
36 Als sie aber davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter
sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! 37 Sie erschraken aber und fürchteten
sich und meinten, sie sähen einen Geist.
Persönliche Begegnung?!
Ein Geist, eine rein gedankliche Erscheinung, ein Trugbild, eine schöne
Illusion? Doch der Auferstandene sucht die persönliche Begegnung mit ihnen.
Er spricht sie an. Er nimmt Kontakt auf. Er erinnert sie an das, was war. Er
versucht, sie langsam in die Realität zu holen:
38 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum
kommen solche Gedanken in euer Herz? 39 Seht meine Hände und meine Füße,
ich bin's selber. Faßt mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch
und Knochen, wie ihr seht, daß ich sie habe. 40 Und als er das gesagt
hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße.
Und als das Sehen allein ihnen auch noch nicht reicht:
41 Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach
er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? 42 Und sie legten ihm ein Stück
gebratenen Fisch vor. 43 Und er nahm's und aß vor ihnen.
Wie aus einer anderen Dimension
Hatte er Auferstandene Hunger? Hat jemand, der von einem Augenblick auf
den anderen erscheinen und auch wieder verschwinden kann, Hunger? Hat jemand,
der einer anderen Dimension zugehört als den drei Dimensionen dieser
geschaffenen Welt, Hunger? Nein, es war wohl ganz einfach eine Zuvorkommenheit
den Menschen gegenüber, die mit diesen drei Dimensionen leben und auskommen
müssen. Jesus, obwohl nun einer anderen Dimension zugehörig, kann sich
seinen Jüngern nur in ihren drei Dimensionen verständlich und greifbar
machen.
Sind die Jünger glaub-haft?
Und wie ist es mit uns? Kann man dem glauben, was da steht? Haben die
ersten Christen der Nachwelt vielleicht nicht doch nur etwas vorgemacht, um ihr
Scheitern zu überdecken? So ist es nun einmal: Es gibt für die
Auferstehung Jesu keinen Beweis. Wir können den Jüngern nur ihre
Begegnungen glauben oder wir müssen es bleiben lassen. Weiter zurück
als zu dem, was die Jünger berichten, können wir nicht, auch nicht mit
dem Grabtuch, egal, was da noch herauskommen mag.
Daß die Christen in den vergangenen Generationen sich damit nicht
zufrieden gegeben haben, können Sie sich denken. Um wenigstens verstehensmäßig
ein bißchen weiter zu kommen, hat man z.B. gefragt:
Wie soll man sich das denn sonst erklären, daß diese ängstlichen
Jesusanhänger, die sich aus Furcht vor den Juden versteckt haben, damit sie
nach dem Tod ihres Herrn nicht auch noch als Aufrührer gefangen werden,
sich hinterher mutig in der Öffentlichkeit zeigen? Ist ein solcher
Umschwung verständlich ohne ein solches einschneidendes Erlebnis? Kann man
sich selber so aufraffen? Kann man sich selber soviel vormachen?
Oder es wurde gefragt: Wenn alles wirklich nur Einbildung gewesen wäre,
warum hat der Auferstandene bei allen Beteiligten so viele Hindernisse überwinden
müssen, bis sie zu Zeugen wurden? Sie erkennen ihn nicht. Sie halten ihn für
einen Wanderer oder den Gärtner. Sie fürchten sich, sie zittern, sie
erschrecken, sie sind ungläubig usw. Sträubt man sich denn so, wenn
man sich selbst etwas sehnlichst wünscht?
Der Auferstandene schenkt den Durch-blick
Mit hilft vor allem das Ende der Geschichte weiter:
44 Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch
gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muß alles erfüllt werden,
was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den
Psalmen. 45 Da öffnete er ihnen das Verständnis, so daß sie die
Schrift verstanden.
Jesus lehrt seine Jünger eine neue Sicht. Er lehrt eigentlich
nichts Neues, aber er läßt sie das Altbekannte besser verstehen, ja
zum ersten Mal richtig verstehen. Er öffnet, wie es hier heißt,
seinen Jüngern die Schrift, er öffnet ihnen das Verständnis, er läßt
sie durch-blicken.
Und da ging bei den Jüngern vor allem darum, ihre Messiashoffnung
zu korrigieren. Wie alle Juden hatten sie einen mächtigen Messias und
Befreier sich gewünscht. Zwei von ihnen wollten sich schon die
Regierungspositionen neben ihm im voraus sichern. Wenn er vom Dienen erzählte
und es auch praktizierte, begriffen sie nicht. Und wenn er vom Leiden sprach,
protestierten sie.
Ostern öffnet Horizonte
So zeigt Ostern, daß die Dinge dieser Welt und unseres Lebens oft
so ganz anders sind, als wir wollten oder meinten. Doch wer dem Auferstandenen
in seinem Leben begegnet, der bekommt auf einmal den Durchblick. Als die Jünger
nur miteinander geredet haben, kamen sie nicht voran: die Emausjünger auf
dem Weg, die in ihrem Versteck versammelten Jünger. Erst der Auferstandene,
der aus einer anderen Dimension kommt, öffnet ihnen die Augen für
andere Dimensionen des Lebens.
"Wir öffnen Horizonte." So ähnlich ist doch das
Schlagwort einer bestimmten Bankengruppe. Es gefällt mir, auch wenn ich
ganz und gar nicht glaube, daß man mit Geld allein wirklich Horizonte öffnen
kann. Ich möchte es abwandeln: "Ostern öffnet Horizonte."
Wer die Auferstehung nicht glauben kann und will, dem kann man nicht
helfen. Der muß sich halt mit dem Gegebenen zufriedengeben: Der muß
sich mit dieser Welt und ihren drei Dimensionen zufriedengeben. Der muß
sich mit dem Tod zufriedengeben. Der muß sich mit dem Versagen
zufriedengeben. Der muß sich mit dem Scheitern zufriedengeben. Der muß
sich mit dem Krieg zufriedengeben.
Ich kann und will mich nicht zufriedengeben. Nein: Indem der
Auferstandene mir durch seinen Heiligen Geist immer wieder die Schrift öffnet,
zeigt er mir auch immer wieder neue Horizonte. Gott sei Dank: Ostern öffnet
Horizonte. Der Auferstandene und Gegenwärtige öffnet Horizonte. Amen |
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