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predigt[e].de

Die Predigt vom 5. Mai 2005 (Christi Himmelfahrt):
»Wo wohnt Gott?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Feiertag Christi Himmelfahrt. Sein Thema ist die Herrschaft Jesu Christi und die Frage, wie man sich seine Gegenwart vorstellen kann. Evangelium (1. Lesung) war der Himmelfahrts„bericht“ nach Lukas und Epistel (2. Lesung) der nach der Apostelgeschichte. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war aus dem Tempelweihgebet des Salomos in 1. Könige 8:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. 26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. 27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.
Predigt
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Die Predigt
Ist Gott wirklich da?

Wir beginnen jeden unserer Gottesdienste "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" und vertrauen auf seine Gegenwart. Doch
woher nehmen wir die Gewissheit, dass Gott wirklich da ist?
Ist Gott heute morgen hier unter uns? Und warum? Weil dieses Haus halt eine Kirche ist? Weil dieses Haus ihm geweiht ist? Oder ist er vielleicht eher dort, wo man sich heute unter Bäumen und im Freien versammelt: im Park an der Hans-Richter-Straße, oder auf dem Oschenberg, an der neuen
Stadtförsterei oder Schlosspark Fantaisie? Findet man ihn nicht eher in der Natur, in seiner Schöpfung, im Wald? Einige unserer getauften Mitchristen, die nicht den Gottesdienst besuchen, würden das ausdrücklich betonen.
Und die Bibelfesten werden entgegnen: Hat nicht Jesus gesagt "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter
ihnen."? Aber, so fragt der Zweifler weiter: Sind wir wirklich in seinem Namen versammelt? Sind wir vielleicht nur aus Gewohnheit oder gar in unserem eigenen Namen da?

Darf man mit Gott rechnen?

Sie merken: Ich will Sie bewusst ein wenig verunsichern. Ich meine, diese Verunsicherung sei heilsam. Unsere Sprache verrät uns: Wir rechnen damit, dass Gott da ist. Aber darf man im wörtlichen Sinne überhaupt mit ihm rechnen: Kann man ihn, der doch die Lösung von allem ist, in eine Rechnung einbauen? Gar oft haben Menschen in der Geschichte der Kirche ganz selbstverständlich mit Gott gerechnet, und wir sehen es im Nachhinein sehr kritisch, z.B. als sie damals mit dem Ruf "Deus vult", Gott will es, in die Kreuzzüge gezogen sind. Heute kommt der Film "Königreich der Himmel", der das zum Hintergrund hat, in die Kinos.

Salomo und die Tempelweihe

Von dieser heilsamen Unsicherheit, ob Gott wirklich da ist, ob wir wirklich mit ihm rechnen dürfen, sprechen die Worte des heutigen Predigttextes aus 1. Könige 8. Unter König Salomo wurde der erste Tempel gebaut. Und nun stehen der König und das Volk bei der Einweihung vor Gott:

22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel 23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. 26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.


Wollen wir gar über Gott verfügen?

Da ist sie, diese heilsame Unsicherheit: Darf man dem, den kein Haus je fassen kann, überhaupt ein Haus bauen? Will man Gott damit gar binden festhalten und an sich binden? Noch dazu war der Tempel eine Art Hauskapelle des Königspalastes. Will der König Gott exklusiv an seiner Seite haben?
Hat nicht die sogenannte Bundeslade, das Wanderheiligtum im Zelt, Gott mehr entsprochen? Sie zeigte Gott als den, der mitgeht auf allen Wegen. Gott, ein Gott der Geschichte, der Lebensgeschichte. Ein unverfügbarer Gott, so sagen die ersten beiden Gebote, einer, der sich nicht packen und nicht festhalten lässt. Kann man, darf man, mit Fremdworten gefragt, aus diesem dynamischen Gott einen statischen Gott machen?
Und: Kann man Gott überhaupt fassen: nicht nur mit einem Haus, sondern schon mit Gedanken? 27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen. Wir würden heute sagen: das ganze Universum kann Gott nicht fassen. Gott ist nicht mit
Begriffen von Länge und Breite und Zeit zu beschreiben. Wer selbst das Maßband gemacht hat, kann nicht vom Maßband gemessen werden. Wer
selbst die Zeit geschaffen hat, unterliegt der Zeit nicht.

Immer wieder, wenn die Selbstsicherheit der Menschen im Alten oder Neuen Testament zu groß wurde, haben Kritiker so gefragt und eine heilsame Unruhe ausgelöst. Jesaja 66: So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße! Was ist denn das für ein Haus, das ihr mir bauen könntet, oder welches ist die Stätte, da ich ruhen sollte? (Jes 66,1)
Oder Paulus in der Apostelgeschichte: Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. (Apg 17,24)

Und so steht Salomo nicht siegessicher vor dem neuen Tempel, Gott nun endgültig zu haben und festzuhalten, sondern er bittet um seine Zuwendung. So wie Gott den Vätern seine Nähe gnädig unterwegs, ungebunden an einen Ort, geschenkt hat, so soll er es auch an diesem Ort tun. Salomo erinnert an den Bund, an das Versprechen, das Gott den Generationen vorher seit Mose und Abraham bis hin zu seinem Vater David freiwillig und unverdient gegeben hat. Darauf soll diese heilsame Unsicherheit immer wieder aufmerksam machen: Gott ist nicht automatisch und selbstverständlich da, sondern er ist da, weil er sich von sich aus schenkt.

Wo ist Gott? Drei Antworten

Wo ist Gott? Allgemeingültig und erschöpfend kann ich die Frage nicht beantworten, denn sonst hätte ich ihn ja schon wieder. Aber Sie haben
ein Recht, eine Antwort zu hören auf die Frage: Wo ist er denn für dich?
In drei Richtungen will ich eine Antwort versuchen: eine biblische Antwort, eine eher denkerische und eine eher meditative Antwort. In der Hoffnung, dass jede und jeder mit dem einen davon ein wenig mehr anfangen kann.

Die biblische Antwort

Biblisch will ich mich immer wieder neu auf das Versprechen Jesu verlassen:
"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." (Matthäus 18,20).
Ich wollte Sie vorhin nicht erschrecken mit der spitzen Frage, in wessen Namen wir denn eigentlich da sind. Dass es sein könnte, dass wir uns gar in unserem eigenen Namen versammeln? Ich vertraue auf diese Verheißung Jesu. Ich könnte sonst keinen Gottesdienst leiten. Ich könnte mich nicht an die Vorbereitung einer Predigt machen, wenn ich nicht die Erfahrung
gemacht hätte, dass es einen heiligen Geist gibt, der immer wieder neu zur rechten Zeit die rechten Worte schenkt.
Aber doch will ich die Gefahr und Versuchung nicht geringschätzen, dass der Gottesdienst auch zu einer menschlichen Inszenierung werden könnte. Dass wir uns selber feiern. Dass wir aus lauter frommer Gewohnheit kommen. Und dass alles so geordnet ist, dass Gott gar nicht mehr überraschen und stören kann.

Die denkerische Antwort

Zur denkerischen Antwort eine kleine Geschichte:
Ein kleiner Junge ging zu einem Rabbi und fragte ihn spitzbübisch: "Ich gebe dir 100 Mark, wenn du mir sagst, wo Gott wohnt." Und der Rabbi antwortete ihm: "Und ich gebe dir 200 Mark, wenn du mir sagst, wo er nicht wohnt." (nach: W. Hoffsümmer, 255 Kurzgeschichten, S. 57)

Ist Gott nicht überhaupt ganz außerhalb unseres Fassungs- und Denkvermögens? Ist er nicht in einer ganz anderen Dimension, für die
unser Verstand überhaupt nicht geeignet und gemacht ist? Mit seiner Auferstehung und sog. Himmelfahrt ist Jesus ja nicht einfach senkrecht
nach oben verschwunden, sondern er hat die drei Dimensionen dieser Erde verlassen. Er steht nun auf der Seite des Schöpfers, für den die Beschränkungen der Schöpfung nicht gelten. Als Jugendlicher habe ich ein für mich damals äußerst spannendes Buch gelesen über solche Grenzfragen. Da hat der Autor u.a. versucht, einen Hinweis zu geben, was man sich unter einer anderen Dimensionen vorstellen kann. Später erst ist es mir für Gott anschaulich geworden:
Stellen Sie sich eine Welt aus zwei Dimensionen vor: Eine Welt der Fläche, die nur Länge und Breite, aber nicht die Höhe kennt. Und stellen Sie sich vor, dieser zweidimensionalen Welt würde nun in Form einer Kugel die dreidimensionale Welt begegnen: Die Geschöpfe der zweidimensionalen Welt könnten die Kugel nicht erfassen. Befindet sie sich außerhalb ihrer Ebene, sehen sie sie gar nicht. Schneidet sie ihre Ebene, so sehen sie nur einen sich in der Größe ändernden Kreis. Die Vorstellung einer Kugel geht über ihre Vernunft. Sie werden schlichtweg abstreiten, dass es so etwas gibt.
Und begegnen sie ihr, sehen sie doch nur die Spuren, die sie hinterlässt. Spuren, die man auch ganz anders deuten kann.

Die meditative Antwort

Zur meditativen Antwort eine weitere Geschichte:
Ein Rabbi war zu Gast bei gelehrten Männern und überraschte sie mit der Frage: "Wo wohnt Gott?" Sie lachten über ihn: "Was redest du? Die Welt ist doch voll von seiner Herrlichkeit!" Und der Rabbi beantwortete seine Frage selber: "Gott wohnt, wo man ihn einlässt." (W. Hoffsümmer, 255 Kurzgeschichten, S. 57)
Vielleicht ist das der tiefste aller Antwortversuche. Denn: Was hilft es, wenn Gott in einem Gottesdienst da ist, weil der in seinem Namen gefeiert wird, aber ich als Gottesdienstbesucher lasse ihn nicht bei mir selber ein? Und was hilft es, wenn für mich andere Dimensionen und Wirklichkeiten kein
Hirngespinst, sondern eine durchaus sinnvolle Denkmöglichkeit sind, aber Gott bleibt für mich nur theoretisch?
Gott wohnt, wo man ihn einlässt. Gott wohnt, wo man ihm eine Tür öffnet. Er will im Alltag seinen Platz haben. Er will zu einer ganz persönlichen Angelegenheit werden. Wer Gott so erfährt, dem kann keiner ihm mehr wegnehmen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de