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Die Predigt vom 6. Juni 1999: »Im August geht die Welt unter«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

Die evangelische Kirche beging am Sonntag den 1. Sonntag nach Trinitatis. Da geht es um die Frage, auf wen man hören soll, wenn man Antwort auf seine Lebensfragen bekommen will. Predigttext war Johannes Kapitel 5, Vers 39-47. Ich habe mich jedoch auf die ersten beiden Verse beschränkt:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben
.)

39 Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist's, die von mir zeugt; 40 aber ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben hättet.

Predigt

Im August geht die Welt unter

Im August wird die Welt untergehen. Davon sind verschiedene kleine Sekten wie z.B. "Fiat Lux" überzeugt. Und wer nicht gleich die Welt untergehen läßt, der rechnet wenigstens mit einem einschneidenden Ereignis oder einer Katastrophe.

Die Sonnenfinsternis vom 11. August

Es ist das Zusammentreffen dreier Dinge, die einigen Menschen Angst machen: Insgesamt ganz einfach der Wechsel ins Jahr 2000. Dann die Sonnenfinsternis am 11. August, die für unsere Breiten erste totale Sonnenfinsternis seit 112 Jahren. Mittags gegen 12.30 Uhr wird sich aus der Sicht eines Menschen in Süddeutschland der Mond für zwei Minuten teilweise oder ganz vor die Sonne schieben und sie verdunkeln. Diejenigen, die das anderswo auf der Welt schon erlebt haben, erzählen davon, welch beeindruckendes und für manche auch beängstigendes Erlebnis das sein wird, wenn es auf einmal mitten am Tag so dämmrig wird, daß sogar die Sterne zu sehen sind.

Nostradamus und sein Schreckenskönig

Und das dritte, was Menschen beunruhigt, die sich gerne mit geheimnisvollen Dingen beschäftigen: Nostradamus hat für den Juli dieses Jahres einen "großen Schreckenskönig", der vom Himmel kommen werde, angekündigt. Die einen rechnen mit dem Einschlag eines Himmelskörpers auf die Erde. Ufo-Gläubige rechnen mit einem Angriff Außerirdischer. Wieder andere mit einer Atomkatastrophe oder dem Dritten Weltkrieg. (Letztere sind übrigens, so zynisch das klingt, gar nicht so begeistert, daß der Krieg im Kosovo sich nun dem Ende zuneigt. Sie hätten bei einer Ausweitung gerne gesagt: Seht Ihr, Nostradamus hat wieder einmal recht behalten.)

Michel de Notredame war ein französischer Mathematiker und Astrologe im 16. Jahrhundert, ein jüngerer Zeitgenosse Martin Luthers. Er hat in seinen sog. Centurien so bildhafte Verse verfaßt, daß man alles hinein- und auch herauslesen kann. Bei etwa 1000 vierzeiligen Versen sind die wiederum über 1000 Ausleger nur bei 50 Versen annähernd einig, was er gemeint haben könnte. Ganz abgesehen davon, daß die verschiedenen deutschen Übersetzungen des altfranzösischen Textes sich manchmal meilenweit unterscheiden. Und das Hauptproblem: Es gibt, wie bei den Astrologen überhaupt, für kein Ereignis, das noch in der Zukunft läge, eine Einigkeit oder eine klare Aussage. Erst wenn etwas geschehen ist, finden die Schriftgelehrten hinterher einen Vers dazu, in dem steht, was Nostradamus damals schon gewußt haben soll.

Von den Lebens- und Zukunftsängsten

Ich möchte mich über diese Dinge nicht lustig machen: Neben vielen, die ganz einfach Interesse am Geheimnisvollen haben - Wer hätte das nicht? -, befinden sich viele unter den Lesern solcher Bücher und Zeitschriften, die wirklich Angst und Sorge vor der Zukunft haben. Und über Ängste, ob sie nun einen Grund haben oder nicht, soll man sich nicht lustig machen. Menschen mit Ängsten haben ein Recht auf Zuwendung, ein Recht auf Gespräch, auf Ermutigung, und auch auf Antworten, wo es welche gibt. Wir dürfen diese Menschen, von denen die meisten vermutlich getauft sein werden, nicht den Astrologen oder der Regenbogenpresse überlassen.

Wie geht es weiter? Wo geht es lang? Was kommt noch auf uns zu? Diese Fragen sind ganz einfach da. Kein Volksfest ohne Handleserin. Keine Zeitung ohne Horoskop. Bücher und Menschen, die es angeblich genau wissen, was kommen wird, sind wieder in. Je älter und mittelalterlicher, desto "inner". Deswegen auch Nostradamus.

Die Antwort der Bibel

Weswegen rede ich davon? Es ist für mehr Menschen als man glaubt, die heimliche Stimmung des Jahres 1999. Und es wird, je mehr wir auf den Jahreswechsel zugehen, nicht besser werden. Weswegen rede ich gerade heute davon? Es ist der erste Vers unseres heutigen Predigttextes, der uns klipp und klar darauf verweist, wo wir alle notwendigen Antworten auf unsere Fragen finden: Im Johannesevangelium Kapitel 5 Vers 39 sagt Jesus seinen Zuhörern:

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin.

Auf einen Nenner gebracht: Wir brauchen keinen Nostradamus. Wir brauchen keine Madame Teissier. Wir haben unsere Bibel. Nur ist das leider für viele eine langweilige und uninteressante Antwort, weil die Bibel so wenig Geheimnisvolles an sich hat, einmal abgesehen vielleicht von der Offenbarung des Johannes.

Das "ewige" Leben

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin. "Das ewige Leben suchen." Was hat das mit den Lebensfragen heutiger Menschen zu tun? Wenn im Johannesevangelium vom "ewigen Leben" gesprochen wird, dann ist es nicht ein Leben irgendwann einmal nach dem Tod. "Ewiges" Leben, das ist in der Sprache des Johannesevangeliums gelingendes Leben, sinnvolles Leben. Ein Leben, in dem man Antworten bekommt auf seine Lebensfragen. Ein Leben, wo man Sinn sieht in dem, was man tut.

Die Bibel als persönliche Anrede

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin. Sie hören vermutlich auch den kritischen Ton heraus: Ihr meint, Ihr findet das ewige Leben darin. Jesus will damit nicht sagen: Ihr täuscht Euch, wenn Ihr in der Bibel Antwort auf Eure Lebensfragen sucht. Sondern er will sagen: Es kommt darauf an, wie Ihr sie lest: Die Bibel ist nicht wie ein Kochbuch mit Antworten für jede denkbare Situation. Die Bibel sagt nicht wie das tägliche Horoskop: Paß heute auf der Straße auf! Laß dich im Geschäftsleben nicht übers Ohr hauen. Gib acht: Heute erlebst du eine entscheidende Begegnung!

Es gibt ein christliches Lied, das heißt: "Antwort auf alle Fragen gibt uns dein Wort." Der Text gefällt mir nicht, denn so ist es nicht, daß die Bibel mir jeden Tag alle meine Fragen beantwortet.

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist's, die von mir zeugt; 40 aber ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben hättet.

Die Bibel wird nur dann recht gelesen, steht hier, wenn man sich auf Jesus, wenn man sich von ihr auf den lebendigen Gott aufmerksam machen läßt. Nicht in der wortwörtlich verstandenen Bibel, nicht im Buchstaben liegt das Heil, sondern in dem, auf den die Bibel hinweist. Dann erst klären sich die Lebensfragen, wenn jemand das biblische Wort nicht als Information, sondern als eine persönliche Anrede versteht. Dann erst lösen sich die Lebensfragen, wenn jemand Gott als den Lebendigen erfährt. Lebendig in dem Sinn, daß jemand merkt: Er ist da. Er trägt mich. Er hält mich. Er umfängt mich. Bei ihm habe ich festen Grund unter meinen Füßen.

Antworten entstehen erst

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist's, die von mir zeugt; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben hättet. Wenn das so ist, sind die Antworten auf meine Lebensfragen nicht einfach wie in einem Lexikon nachzulesen. Indem ich dem lebendigen Gott begegne, zu ihm komme, mit ihm im Gespräch bleibe, mit ihm ringe, ergeben und finden sie sich. Eine solche lebendige Wechselbeziehung aber muß jeden Tag neu genährt, wachgehalten und ausprobiert werden.

Der Ernstfall des Glaubens

Der sonntägliche Gottesdienst sei die "Vorbereitung auf den Ernstfall des Glaubens", so hat es jemand vor kurzen im Münchner Sonntagsblatt formuliert. Und er meinte damit das Gegenteil von dem, was man oft hört: "Ich gehe dann zum Gottesdienst, wenn ich das Bedürfnis danach habe." Ich will das nicht madig machen. Es ist schön für jeden, der da ist, aus welchem Grund auch immer. Nur: Wer selten kommt, der kommt auch aus der Übung. Und auf dem einen Besuch liegt dann eine so große Erwartung und ein so großer Druck, daß man fast zwangsläufig enttäuscht werden muß. Und dann ist auf einmal der "Ernstfall des Glaubens" da. Auf einmal braucht jemand unbedingt einen Trost oder eine Wegweisung oder Boden unter den Füßen. Aber er ist für diesen Ernstfall nicht trainiert. Er ist nicht vorbereitet.

Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist's, die von mir zeugt; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben hättet. Ähnlich könnte ich es auch von diesem Suchen in der Bibel sagen: Die regelmäßige, die geduldige und anhaltende Suche nach dem Leben ist die Vorbereitung auf den Ernstfall des Glaubens. Da wird es auf einmal ernst für jemand. Da braucht er auf einmal eine Richtung, eine Antwort, einen Trost. Doch das Gespräch mit der Bibel gelingt nur stockend, weil es nicht geübt ist. Das Gespräch mit Gott gelingt nur stockend, weil es nicht geübt ist.

Dieser Einübung in einen lebendigen und tragfähigen Glauben wollen unsere Gemeindeveranstaltungen dienen: die Gottesdienste, die Gruppen und Kreise, die Bibelgespräche und der Konfirmandenunterricht.

Dieser Einübung will auch die Veranstaltungsreihe "Gute Abende" in dieser Woche im Evangelischen Gemeindehaus dienen. Lassen Sie sich zur Suche einladen und ermutigen!

Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden; mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund, all Feind zu überwinden. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de