Predigt |
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Im August geht die Welt unter
Im August wird die Welt untergehen. Davon sind verschiedene kleine
Sekten wie z.B. "Fiat Lux" überzeugt. Und wer nicht gleich die
Welt untergehen läßt, der rechnet wenigstens mit einem
einschneidenden Ereignis oder einer Katastrophe.
Die Sonnenfinsternis vom 11. August
Es ist das Zusammentreffen dreier Dinge, die einigen Menschen Angst
machen: Insgesamt ganz einfach der Wechsel ins Jahr 2000. Dann die
Sonnenfinsternis am 11. August, die für unsere Breiten erste totale
Sonnenfinsternis seit 112 Jahren. Mittags gegen 12.30 Uhr wird sich aus der
Sicht eines Menschen in Süddeutschland der Mond für zwei Minuten
teilweise oder ganz vor die Sonne schieben und sie verdunkeln. Diejenigen, die
das anderswo auf der Welt schon erlebt haben, erzählen davon, welch
beeindruckendes und für manche auch beängstigendes Erlebnis das sein
wird, wenn es auf einmal mitten am Tag so dämmrig wird, daß sogar die
Sterne zu sehen sind.
Nostradamus und sein Schreckenskönig
Und das dritte, was Menschen beunruhigt, die sich gerne mit
geheimnisvollen Dingen beschäftigen: Nostradamus hat für den Juli
dieses Jahres einen "großen Schreckenskönig", der vom
Himmel kommen werde, angekündigt. Die einen rechnen mit dem Einschlag eines
Himmelskörpers auf die Erde. Ufo-Gläubige rechnen mit einem Angriff Außerirdischer.
Wieder andere mit einer Atomkatastrophe oder dem Dritten Weltkrieg. (Letztere
sind übrigens, so zynisch das klingt, gar nicht so begeistert, daß
der Krieg im Kosovo sich nun dem Ende zuneigt. Sie hätten bei einer
Ausweitung gerne gesagt: Seht Ihr, Nostradamus hat wieder einmal recht
behalten.)
Michel de Notredame war ein französischer Mathematiker und
Astrologe im 16. Jahrhundert, ein jüngerer Zeitgenosse Martin Luthers. Er
hat in seinen sog. Centurien so bildhafte Verse verfaßt, daß man
alles hinein- und auch herauslesen kann. Bei etwa 1000 vierzeiligen Versen sind
die wiederum über 1000 Ausleger nur bei 50 Versen annähernd einig, was
er gemeint haben könnte. Ganz abgesehen davon, daß die verschiedenen
deutschen Übersetzungen des altfranzösischen Textes sich manchmal
meilenweit unterscheiden. Und das Hauptproblem: Es gibt, wie bei den Astrologen
überhaupt, für kein Ereignis, das noch in der Zukunft läge, eine
Einigkeit oder eine klare Aussage. Erst wenn etwas geschehen ist, finden die
Schriftgelehrten hinterher einen Vers dazu, in dem steht, was Nostradamus damals
schon gewußt haben soll.
Von den Lebens- und Zukunftsängsten
Ich möchte mich über diese Dinge nicht lustig machen: Neben
vielen, die ganz einfach Interesse am Geheimnisvollen haben - Wer hätte das
nicht? -, befinden sich viele unter den Lesern solcher Bücher und
Zeitschriften, die wirklich Angst und Sorge vor der Zukunft haben. Und über
Ängste, ob sie nun einen Grund haben oder nicht, soll man sich nicht lustig
machen. Menschen mit Ängsten haben ein Recht auf Zuwendung, ein Recht auf
Gespräch, auf Ermutigung, und auch auf Antworten, wo es welche gibt. Wir dürfen
diese Menschen, von denen die meisten vermutlich getauft sein werden, nicht den
Astrologen oder der Regenbogenpresse überlassen.
Wie geht es weiter? Wo geht es lang? Was kommt noch auf uns zu? Diese
Fragen sind ganz einfach da. Kein Volksfest ohne Handleserin. Keine Zeitung ohne
Horoskop. Bücher und Menschen, die es angeblich genau wissen, was kommen
wird, sind wieder in. Je älter und mittelalterlicher, desto "inner".
Deswegen auch Nostradamus.
Die Antwort der Bibel
Weswegen rede ich davon? Es ist für mehr Menschen als man glaubt,
die heimliche Stimmung des Jahres 1999. Und es wird, je mehr wir auf den
Jahreswechsel zugehen, nicht besser werden. Weswegen rede ich gerade heute
davon? Es ist der erste Vers unseres heutigen Predigttextes, der uns klipp und
klar darauf verweist, wo wir alle notwendigen Antworten auf unsere Fragen
finden: Im Johannesevangelium Kapitel 5 Vers 39 sagt Jesus seinen Zuhörern:
Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben
darin.
Auf einen Nenner gebracht: Wir brauchen keinen Nostradamus. Wir brauchen
keine Madame Teissier. Wir haben unsere Bibel. Nur ist das leider für viele
eine langweilige und uninteressante Antwort, weil die Bibel so wenig
Geheimnisvolles an sich hat, einmal abgesehen vielleicht von der Offenbarung des
Johannes.
Das "ewige" Leben
Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben
darin. "Das ewige Leben suchen." Was hat das mit den Lebensfragen
heutiger Menschen zu tun? Wenn im Johannesevangelium vom "ewigen Leben"
gesprochen wird, dann ist es nicht ein Leben irgendwann einmal nach dem Tod. "Ewiges"
Leben, das ist in der Sprache des Johannesevangeliums gelingendes Leben,
sinnvolles Leben. Ein Leben, in dem man Antworten bekommt auf seine
Lebensfragen. Ein Leben, wo man Sinn sieht in dem, was man tut.
Die Bibel als persönliche Anrede
Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben
darin.
Sie hören vermutlich auch den kritischen Ton heraus: Ihr meint, Ihr
findet das ewige Leben darin. Jesus will damit nicht sagen: Ihr täuscht
Euch, wenn Ihr in der Bibel Antwort auf Eure Lebensfragen sucht. Sondern er will
sagen: Es kommt darauf an, wie Ihr sie lest: Die Bibel ist nicht wie ein
Kochbuch mit Antworten für jede denkbare Situation. Die Bibel sagt nicht
wie das tägliche Horoskop: Paß heute auf der Straße auf! Laß
dich im Geschäftsleben nicht übers Ohr hauen. Gib acht: Heute erlebst
du eine entscheidende Begegnung!
Es gibt ein christliches Lied, das heißt: "Antwort auf alle
Fragen gibt uns dein Wort." Der Text gefällt mir nicht, denn so ist es
nicht, daß die Bibel mir jeden Tag alle meine Fragen beantwortet.
Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin;
und sie ist's, die von mir zeugt; 40 aber ihr wollt nicht zu mir kommen, daß
ihr das Leben hättet.
Die Bibel wird nur dann recht gelesen, steht hier, wenn man sich auf
Jesus, wenn man sich von ihr auf den lebendigen Gott aufmerksam machen läßt.
Nicht in der wortwörtlich verstandenen Bibel, nicht im Buchstaben liegt das
Heil, sondern in dem, auf den die Bibel hinweist. Dann erst klären sich die
Lebensfragen, wenn jemand das biblische Wort nicht als Information, sondern als
eine persönliche Anrede versteht. Dann erst lösen sich die
Lebensfragen, wenn jemand Gott als den Lebendigen erfährt. Lebendig in dem
Sinn, daß jemand merkt: Er ist da. Er trägt mich. Er hält mich.
Er umfängt mich. Bei ihm habe ich festen Grund unter meinen Füßen.
Antworten entstehen erst
Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben
darin; und sie ist's, die von mir zeugt; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, daß
ihr das Leben hättet.
Wenn das so ist, sind die Antworten auf meine Lebensfragen nicht einfach wie
in einem Lexikon nachzulesen. Indem ich dem lebendigen Gott begegne, zu ihm
komme, mit ihm im Gespräch bleibe, mit ihm ringe, ergeben und finden sie
sich. Eine solche lebendige Wechselbeziehung aber muß jeden Tag neu genährt,
wachgehalten und ausprobiert werden.
Der Ernstfall des Glaubens
Der sonntägliche Gottesdienst sei die "Vorbereitung auf den
Ernstfall des Glaubens", so hat es jemand vor kurzen im Münchner
Sonntagsblatt formuliert. Und er meinte damit das Gegenteil von dem, was man oft
hört: "Ich gehe dann zum Gottesdienst, wenn ich das Bedürfnis
danach habe." Ich will das nicht madig machen. Es ist schön für
jeden, der da ist, aus welchem Grund auch immer. Nur: Wer selten kommt, der
kommt auch aus der Übung. Und auf dem einen Besuch liegt dann eine so große
Erwartung und ein so großer Druck, daß man fast zwangsläufig
enttäuscht werden muß. Und dann ist auf einmal der "Ernstfall
des Glaubens" da. Auf einmal braucht jemand unbedingt einen Trost oder eine
Wegweisung oder Boden unter den Füßen. Aber er ist für diesen
Ernstfall nicht trainiert. Er ist nicht vorbereitet.
Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben
darin; und sie ist's, die von mir zeugt; aber ihr wollt nicht zu mir kommen, daß
ihr das Leben hättet. Ähnlich könnte ich es auch von diesem
Suchen in der Bibel sagen: Die regelmäßige, die geduldige und
anhaltende Suche nach dem Leben ist die Vorbereitung auf den Ernstfall des
Glaubens. Da wird es auf einmal ernst für jemand. Da braucht er auf einmal
eine Richtung, eine Antwort, einen Trost. Doch das Gespräch mit der Bibel
gelingt nur stockend, weil es nicht geübt ist. Das Gespräch mit Gott
gelingt nur stockend, weil es nicht geübt ist.
Dieser Einübung in einen lebendigen und tragfähigen Glauben
wollen unsere Gemeindeveranstaltungen dienen: die Gottesdienste, die Gruppen und
Kreise, die Bibelgespräche und der Konfirmandenunterricht.
Dieser Einübung will auch die Veranstaltungsreihe "Gute Abende"
in dieser Woche im Evangelischen Gemeindehaus dienen. Lassen Sie sich zur Suche
einladen und ermutigen!
Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden; mein Herz allein
bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein
Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund, all Feind zu überwinden.
Amen |