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Die Predigt vom 27. Juni 1999: »Wer hat Angst vorm frommen Mann?«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

Die evangelische Kirche beging am Sonntag den 4. Sonntag nach Trinitatis. In seinen Texten geht es um das rechte Zusammenleben und den Umgang untereinander. Der Predigt habe ich nicht den üblichen Text, sondern das Lied der Woche zugrundegelegt: "O Gott, du frommer Gott". In erster Linie wollte ich Mißverständnisse zum Wort "fromm" ausräumen:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben
.)

Die Liedverse sind in die Predigt hinein verwoben:

Predigt

Ist Frommsein in?

Wer von Ihnen möchte gerne fromm sein?

Es ist so ein Problem mit diesem Wort "fromm": Auf der einen Seite ist es ein Lob, wenn von jemand gesagt wird, er sei ein frommer Mensch. Da redet einer nicht nur davon, sondern er lebt seinen Glauben. Und wenn jemand einen anderen so beschreibt, mag vielleicht ein klein wenig der Gedanke mitspielen: "So glauben und leben, das wäre echt. Wenn ich doch auch ein wenig davon haben könnte."

Doch öfter heißt es wohl im Stillen: "Na, ja, so fromm möchte ich doch lieber nicht sein. Ich möchte bei meinen Verwandten, Freunden und Kollegen ungern als der Fromme gelten."

Woher kommt diese andere Seite des Wortes "fromm"? Sie kommt wohl daher, daß manche das Wort mißverstehen in Richtung "frömmelnd" oder mit dem unbekannteren Wort "bigott": Wenn jemand fromm ist, dann kann das doch nicht ganz echt sein. Wer weiß, was hinter den Kulissen abläuft. Fromm, das ist dann für manche fast gleichbedeutend mit scheinheilig. Oder noch in eine andere Richtung: Fromm, das kann doch nur jemand sein, der den Freuden des Lebens aus dem Weg geht. Fromm, ist das nicht immer verbunden mit einem süß-säuerlichen Gesicht?

Was bedeutet "fromm"?

Damit ist aber dem Wort "fromm" und sicher auch den meisten Frommen Unrecht getan. Was bedeutet unser deutsches Wort "fromm" überhaupt? Wir müssen zu Martin Luther und seiner deutschen Bibelübersetzung zurück. Wir müssen in das mittelalterliche Deutsch zurück: "Fromm", das hatte damals zuerst nichts mit der gläubigen Frömmigkeit zu tun. "Fromm", das war so viel wie rechtschaffen, ordentlich, gut. "Fromm" war ein Mensch, der lebte und tat, was sich im Alltag gehört.

In ein paar altertümlichen Ausdrücken scheint das noch ein wenig durch: "Lammfromm", da ist ruhig und brav, wie man es von einem Lamm gewohnt ist. Es "frommt nicht", sagen manche noch, d.h. es nützt nicht, es ist nicht gut und brauchbar.

Das Lied vom "frommen Gott"

"Fromm", das begegnet auch in dem Lied für diesen heutigen Sonntag, den 4. nach Trinitatis nach der evangelischen Zählung, wo Gott als ein "frommer Gott" bezeichnet wird. Über das Lied will ich Sie ein wenig zum Nachdenken einladen: Es handelt vom frommen Gott, der also ein guter und rechtschaffener Gott ist. Und es handelt vom "frommen" Menschen im guten Sinn, also vom rechtschaffenen Menschen. Und wenn Sie dann hinterher sagen könnten: "Jawohl, auf diese Art möchte ich auch fromm sein." würde ich mich freuen.

Ich will die Strophen einzeln besprechen, damit sie zwischendurch immer wieder einmal singen und verschnaufen können. Hilfreich ist es, wenn Sie den Text der Strophen auch beim Zuhören vor Augen haben.

Der gute Gott: Er gibt mir das Nötige

1: O Gott, du frommer Gott, du Brunnquell guter Gaben, ohn den nichts ist, was ist, von dem wir alles haben: gesunden Leib gib mir und daß in solchem Leib ein unverletzte Seel und rein Gewissen bleib.

Inwiefern ist Gott ein frommer Gott, also ein guter Gott: indem er dem Menschen gibt, was er nötig hat. Gott ist der Brunnquell guter Gaben. Er ist die Quelle des Guten. Er ist die Quelle, d.h. von ihm kommt das Gute, er schenkt es. Wenn man das singt, ist das gleichzeitig auch eine Art Glaubensbekenntnis: Es ist nicht die vielgepriesene Mutter Natur, es ist nicht das gute Schicksal und es ist auch nicht die eigene Tüchtigkeit, wenn wir Gutes erfahren.

Gott ist die Quelle des Guten. Ohne ihn ist nichts, was ist. Alles haben wir von ihm. Alles kommt aus seiner Hand. Alles, das ist aber nicht nur das Gute. Heimlich wird hier auch die Frage gestellt, was mit dem Bösen ist, das es gibt. Doch der Liederdichter hält sich nicht lange dabei auf, sondern lädt uns ein, das Gute für uns erbitten: einen gesunden Leib, also äußere Gesundheit. Aber auch die innere Gesundheit, die in einer unverletzten Seele und einem reinen Gewissen besteht:

Von der Gesundheit des Leibes und der Seele

Die Seele und das Gewissen, sie sind verletzlich wie der Körper. Seelen, vor allem von Kindern, werden verletzt, wenn man keine Liebe für sie hat, wenn man ihnen Gewalt antut, wenn Worte verletzen und Blicke töten. Gewissen werden verletzt, wenn einer so weit abstumpft, daß er zwischen Böse und gut nicht mehr recht unterscheiden kann. Deswegen die Bitte an den guten Gott: Erhalte mir einen gesunden Leib, eine unverletzte Seele und ein reines Gewissen.

Wir singen die erste Strophe des Liedes zusammen mit dem Posaunenchor: ...

Wo ist mein Platz im Leben?

2: Gib, daß ich tu mit Fleiß, was mir zu tun gebühret, wozu mich dein Befehl in meinem Stande führet. Gib, daß ich's tue bald, zu der Zeit, da ich soll, und wenn ich's tu, so gib, daß es gerate wohl.

Fromm in der Bedeutung gut und rechtschaffen. Wer wollte da im täglichen Leben nicht fromm sein: Gut und rechtschaffen an dem Platz, an dem er im Leben steht. Das findet sich wieder in dem alten Wort "Stand". Wir kennen es noch in alten Verbindungen wie "Ehestand", "Krankenstand", "Bauernstand".

Mein Stand, das ist der Platz, an dem ich im Leben stehe und wo ich gebraucht werde. Das kann der Beruf sein, die Familie, ein unbezahltes Ehrenamt, oder auch das unersetzliche und verantwortliche Amt eines Großvaters oder eine Großmutter.

Leben, wie es sich gehört. Leben, daß man ein gutes Gewissen haben kann, an dem Platz, auf den man gehört. "Wozu mich dein Befehl in meinem Stand führet": Also immer wieder neu fragen: "Gott, wo brauchst du mich? Wo ist mein Platz im Leben? Was ist meine Aufgabe? Und was soll ich tun?" Und dann das, was man als seine Aufgabe erkannt hat, "mit Fleiß" tun. Nicht mit Absicht, sondern fleißig, energisch, mit Durchhaltevermögen. Und wenn man etwas als seine Aufgabe erkannt hat, es gleich tun, es nicht hinauszögern, es nicht vor sich herschieben, sondern anpacken. Und dann Gott bitten, daß auch etwas daraus wird, daß es gut und wohl gerät. Denn: Der gute Wille, das mag in unserer Macht stehen, doch das Gelingen nicht. Wir singen die zweite Strophe des Liedes: ...

Wenn Worte töten können ...

3: Hilf, daß ich rede stets, womit ich kann bestehen; laß kein unnützlich Wort aus meinem Munde gehen; und wenn in meinem Amt ich reden soll und muß, so gib den Worten Kraft und Nachdruck ohn Verdruß.

Jeder und jede am eigenen Platz im Leben hat nun auch mit anderen Menschen zu tun. Und was dieses Zusammenleben angeht, sei, so sagte einmal jemand, bei aller Hochrüstung weiterhin die Zunge die gefährlichste Waffe: "Hilf, daß ich rede stets, womit ich kann bestehen."

Nur das sagen, wofür man sich hinterher nicht schämen muß. Nur das sagen, was man nicht hinterher wieder rückgängig machen muß. Nur das sagen, womit man vor Gott und Menschen bestehen kann und ein gutes Gewissen behält. Das Gegenteil sind die Worte, die nicht nützen: die weder mir selber noch anderen nützen. Worte, die schaden. Worte, die verleumden. Worte, die die Ehre nehmen. Worte, die töten.

Und noch mehr, wenn jemand an einem Platz im Leben steht, wo das Reden zu seinen Pflichten und zu seiner Arbeit gehört: Daß es Worte sind, die Kraft und Nachdruck haben: Keine oberflächlichen Worte, keine nichtssagenden Worte, die anderen nur Verdruß bereiten. Ja öfter vielleicht auch, was man den Politikern als Berufsrednern manchmal wünschen würde: Lieber weniger Worte oder gar keine, als nur aus dem Ärmel geschüttelte Floskeln angesichts der Hunderte von Mikrofonen, die man ihn täglich entgegenstreckt. Wir singen die dritte Strophe des Liedes: ...

Wenn mir die Beine weggezogen werden ...

4: Find't sich Gefährlichkeit, so laß mich nicht verzagen, gib einen Heldenmut, das Kreuz hilf selber tragen. Gib, daß ich meinen Feind mit Sanftmut überwind und, wenn ich Rat bedarf, auch guten Rat erfind.

Das wahre Wesen eines Menschen, so heißt es, zeigt sich in Extremsituationen, dann, wenn es hart auf hart geht. Im geregelten Alltag, wo nichts Unvorhergesehenes passiert, wo alles eingespielt ist, wo alles seinen Gang geht, da bewahrt jeder die Ruhe und Fassung. Wenn aber das Leben durcheinandergeworfen wird, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, wenn das Unvorhergesehene passiert ... Darauf richtet sich die Bitte: Dann brauche ich Unverzagtheit, Mut und Leidensfähigkeit. Die kann ich mir nicht selber schenken, die kann ich nur von Gott erbitten.

Und wenn die Extremsituation durch die Feindschaft eines anderen entsteht, wenn mir jemand Böses will, wenn mir jemand das Leben schwer machen will, dann: "Sanftmütig überwinden." Also: sehr wohl wehren, nicht zurückstecken, nicht klein beigeben, dagegen ankämpfen. Aber nicht mit den Mitteln des anderen. Sich nicht vom anderen auch noch die Methoden vorgeben lassen, weil er sonst sogar dadurch noch Macht über mich behält.

Und wenn man in einem Konflikt nicht weiter weiß, sich nicht genieren, sich einen guten Rat zu holen. Der unbeteiligte Dritte, der eine Sache unbefangen und ohne Scheuklappen ansehen kann, er ist eine Gabe Gottes in jedem Konflikt. Wir singen die vierte Strophe des Liedes: ...

Das Geld und das gute Gewissen

5: Laß mich mit jedermann in Fried und Freundschaft leben, soweit es christlich ist. Willst du mir etwas geben an Reichtum, Gut und Geld, so gib auch dies dabei, daß von unrechtem Gut nichts untermenget sei.

"Laß mich mit jedermann in Fried und Freunschaft leben." das greift die vorherige Strophe noch einmal auf, wo es darum ging, Konflikte mit anderen zu lösen. Was ist nun, wenn der andere nicht will? Was ist, wenn der andere keinen Frieden und keine Freundschaft will? Was ist, wenn er meine ausgestreckte Hand nicht ergreift? Da kann man halt nur tun, was in der eigenen Macht steht. So erinnert der Liedvers an ein Wort des Apostels Paulus: "Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden." (Römer 12,18)

Zwei Gebote waren in den vorigen Strophen versteckt: Das achte Gebot von der Macht der Worte und der Lügen und das fünfte, wo es ums Leben und die Unversehrtheit geht. Und nun noch das siebte vom Besitz: "Reichtum, Gut und Geld" werden nicht verteufelt. Aber zwei Dinge sind gesagt: Sie sind von Gott geschenkt, und sie sollen mit rechten Mitteln und gutem Gewissen erworben sein. Wenn das gilt, braucht sich jemand auch seines Geldes nicht zu schämen.

Wir singen die fünfte Strophe des Liedes. Während dieser Strophe und bei dem folgenden Nachspiel des Posaunenchors gehen die Körbchen für die Kollekte um. Sie ist heute für unsere eigene Gemeinde bestimmt.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de