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Kirchenjahr |
Die evangelische Kirche beging am Sonntag den 5. Sonntag nach Trinitatis. In der Auferstehungskirche wurde die Kirchweihe begangen. Der zugehörige Predigttext war das Gleichnis Jesu vom Senfkorn aus dem Markusevangelium Kapitel 4, Vers 30-32: |
PredigttextSie können Texte auch online in der
Lutherbibel nachlesen. |
30 Jesus sprach: Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, und durch welches Gleichnis wollen wir es abbilden? 31 Es ist wie ein Senfkorn: wenn das gesät wird aufs Land, so ist's das kleinste unter allen Samenkörnern auf Erden; 32 und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, so daß die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können. |
Predigt |
Das Senfkorn
Ein Senfkorn habe ich Ihnen zu Beginn des Gottesdienstes geben lassen.
Ein kleines unscheinbares Korn. Zu klein fast für manchen, dessen Finger
das grobe Arbeiten gewohnt sind. Vielleicht hatten Sie Probleme damit, wo sie es
nun hintun sollen. Vielleicht liegt es auch schon irgendwo auf dem Boden. Macht
nichts! Es würde doch nur die Winzigkeit und Unscheinbarkeit
unterstreichen.
Und doch wie das bei allen Samenkörnern der Fall ist
wird einmal etwas großes daraus, wenn man es einpflanzt. Der Unterschied
zwischen dem winzigen Beginn und dem großen Ende ist das Ausschlaggebende.
Jesus und das Senfkorn
Deswegen hat Jesus damals bei einer seiner Predigten den Menschen ein
Senfkorn hingehalten. Es war in seiner Zeit ein sprichwörtlich kleines
Samenkorn mit einem oft überraschenden Ergebnis: Eine Größe von
bis zu drei Metern, wie ein kleiner Baum, kann eine Senfstaude am See Genezareth
erreichen.
Das Senfkorn und die Gottesherrschaft
Das Senfkorn war für Jesus ein Bild für die Gottesherrschaft.
Gottesherrschaft, Reich Gottes, das ist dort, wo Menschen Gott ihren Herrn sein
lassen. Im Großen am Ende der Zeiten, im Kleinen, wenn in einer Gemeinde
oder bei einem Menschen Gott der Herr sein darf. Gottesherrschaft ist da, wo man
sich auf ihn verläßt und wo man sich nach seinem Willen richtet.
30 Jesus sprach: Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, und
durch welches Gleichnis wollen wir es abbilden? 31 Es ist wie ein Senfkorn: wenn
das gesät wird aufs Land, so ist's das kleinste unter allen Samenkörnern
auf Erden; 32 und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird größer
als alle Kräuter und treibt große Zweige, so daß die Vögel
unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können.
"Die Gottesherrschaft ist nahe. Gottes Kommen steht nahe bevor."
Mit dieser Predigt begann Jesus seine öffentliche Wirksamkeit. Die Hörer
und er wohl auch verstanden darunter die weithin sichtbare Gottesherrschaft am
Ende der Zeiten: Wenn dem Tod und der Krankheit die Macht genommen sind. Wenn
kein Reicher mehr einen Armen unterdrückt. Wenn die Menschen frei sein
werden.
Glauben gegen den Augenschein
Diese Gottesherrschaft, so sagt Jesus, beginnt klein wie ein Senfkorn.
Und er lädt damit ein, gegen den äußeren Augenschein an Gott und
seine Gerechtigkeit zu glauben. Er lädt ein, sich nicht von kleinen Anfängen
entmutigen lassen. Dazu hatte er Grund: Sowohl seine Anhänger als auch
seine Gegner fragten nach der Erfüllung seiner Worte, fragten nach
Gerechtigkeit, wußten nicht mehr, ob sie seinen Worten Glauben schenken
konnten:
Sicher, Bartimäus, der Blinde aus Jericho, war wieder sehend
geworden. Aber viele Tausend andere blieben blind. Lazarus war lebendig
geworden. Aber viele Tausend andere starben, und Lazarus zuletzt auch. Zachäus,
der Zöllner, war auf den rechten Weg zurückgekehrt, aber Hunderte
seiner Berufskollegen blieben auf dem Weg der Ausbeutung. Der Hauptmann von
Kapernaum war gläubig geworden, doch Hunderte anderer Soldaten kosteten
weiterhin ihre Macht aus.
Die Gottesherrschaft heute
30 Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen? 31 Es ist wie ein
Senfkorn: wenn das gesät wird aufs Land, so ist's das kleinste unter allen
Samenkörnern auf Erden; 32 und wenn es gesät ist, so geht es auf und
wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, so
daß die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können.
Reich Gottes, Herrschaft Gottes, das ist auch hier und heute in Kirchen
und einzelnen Gemeinden: Wo Gott die Ehre gegeben wird, wo Menschen Gott ihren
Herrn sein lassen. Und gewiß, das sieht in einer Gemeinde vor Ort auch
immer wieder mickrig aus: Die Gottesdienstbesucher könnten immer auch mehr
sein. Die Veranstaltungen fröhlicher. Die Christen überzeugender. Der
Heilige Geist spürbarer.
Gegen die Miesmacher
Es gibt sie weiterhin, die Miesmacher und Kleingläubigen von
damals, die nur auf den kleinen Anfang starren. Es gibt sie als Pessimisten in
den eigenen Reihen. Und es gibt sie als schadenfrohe Kritiker von außen.
Bei sich selber entdecken sie blühende Senfstauden, bei anderen nur
vertrocknete Körnchen, in den kein Leben ist.
Das sog. "Christliche Centrum Rhema", das draußen im
Industriegelände beheimatet ist, macht in den letzten Wochen verstärkt
Werbung für sich. Es ist eine Gemeinschaft, die keinerlei ökumenischen
Kontakt zu den anderen Gemeinden in der Stadt sucht. Ihrer Meinung nach ist der
Heilige Geist aus den großen Kirchen, auch aus der Evangelischen, und
ihren Gottesdiensten bereits ausgewandert. Den Bayreuther "Wächtern
der Kirchen" ich schätze mal, da sind auch die Pfarrer gemeint
wird z.B. vorgeworfen, daß auf ihren Druck hin Berichte in den Zeitungen
zensiert werden, daß sie unglücklich und verbittert sind, daß
ihr Gewissen abgestumpft ist, daß sie nur noch Interesse am Geld haben,
z.B. an den Erbschaften der Kirchenmitglieder. Bei ihnen selbst aber sei
Wachstum. Sie würden sprießen wie die Pilze.
Fernsehpfarrer Jürgen Fliege
Ich habe auch so meine Probleme mit dem Fernsehpfarrer Jürgen
Fliege. Es ist gut, daß durch ihn christliche Fragen in die Medien kommen.
Doch was in den Gemeinden geschieht, macht er allzu oft so klein, daß er
sich dem Mißverständnis aussetzt, er wolle daran selber nur wachsen.
Natürlich legt er seine Finger in die heutigen Wunden der Kirche. Ich nehme
ihm auch ab, daß ihm beim Kritisieren das Reich Gottes am Herzen liegt.
Aber ich protestiere gegen seine Einseitigkeit, so als hätte man überall
nur ein vertrocknetes und totes Senfkorn in der Hand:
Oder mit den Zitat aus einem Leserbrief: "Bloss wünsche ich
mir, dass er (d.i. Fliege) sich selbst die versteckten Denunziationen gegen
seine Kolleginnen und Kollegen, die im Alltagsgeschäft ... oft
Knochenarbeit tun, verbieten würde." Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt Nr. 27 Seite 21 Es stimmt nicht, daß man ihm Fragen stellt, die anderen Pfarrern heute schon gar nicht mehr gestellt werden. Es stimmt nicht, daß über das Kreuz Jesu immer nur so geredet würde, daß man das als "schwarze Pädagogik" bezeichnen kann. (ebenda Nr. 26) Es stimmt nicht, daß die Pfarrer unserer Kirchen keine Erfahrung mehr mit Liebe und Tod hätten. (ebd.) Es stimmt nicht, daß Menschen immer nur belehrt und nicht wirklich im Leben begleitet würden. (Sonntagsblatt Bayern Pfingsten 1998) Es stimmt nicht, daß in den Kirchen heute nicht mehr gepredigt, sondern nur vorgelesen würde. Und von mir aus soll er Menschen nach Tutzing in sein Institut einladen, um es ihnen beizubringen. Es stimmt nicht, daß Gottesdienste immer nur eine Sache des Kopfes und nicht des Herzens wären. Es stimmt oft, sicher, aber es stimmt nicht pauschal. Wir erleben das auch bei uns immer wieder. Und wir wollen es auch nächste Woche beim Familiengottesdienst wieder erleben. Die Gemeinde mit liebenden Augen ansehen Gegen allen Pessimismus von außen und innen lade ich zum Kirchweihfest ein, Zeichen des Reiches Gottes auch in unserer Gemeinde zu entdecken. Ich lade ein, die Gemeinde mit liebenden Augen ansehen. Ohne Schwärmerei, wie es manchmal Liebende tun. Auch ohne Blauäugigkeit. Aber mit liebenden Augen, die das entdecken, was es gibt. Ich will Ihnen Beispiele sagen: Bis zum heutigen Zeitpunkt haben wir für das Jahr 1999 drei Eintritte bei einem Austritt zu verzeichnen. Gewiß, das Bild ist eine Ausnahme und kann sich bis zum Jahresende noch ändern. Aber das Senfkorn lebt. Wissen Sie, was jetzt passieren würde, wenn wir in einer Gemeinde von Schwarzen wären? "Halleluja" würden Menschen mitten in die Predigt hinein rufen und vielleicht dazu auch klatschen. Am Freitag hat Vikar Aschoff mit einer neuen Jugendgruppe begonnen. Es sind zwar erst vier Jugendliche. Aber wir sind der festen Überzeugung, daß es mehr werden. Oder wissen Sie, daß sich Sonntag für Sonntag 15-20 Kinder drüben im Gemeindehaus zum Kindergottesdienst versammeln. Wissen Sie, daß es dafür sechs engagierte, v.a. jugendliche Helferinnen gibt? Oder haben Sie miterlebt, daß sich beim Waldgottesdienst am vergangenen Sonntag fast 300 aufmerksame Menschen versammelt hatten? So viele, daß die Weißwürste ausgegangen sind. (Wenn uns das anschließend nach dem Gottesdienst passieren würde, wären wir auch nicht unglücklich.) 30 Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen? 31 Es ist wie ein Senfkorn: wenn das gesät wird aufs Land, so ist's das kleinste unter allen Samenkörnern auf Erden; 32 und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, so daß die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können. Das Senfkorn lebt Reden Sie untereinander und auch in der Öffentlichkeit gut von Ihrer Gemeinde. Denn bei allem, was zu Recht zu kritisieren ist das Senfkorn lebt. Immer wieder ist die Gemeinde auch ein Ort, wo man wie unter den Zweigen eines großen Baumes geborgen sein kann. Ein Ort, wo die Vögel Schatten finden können. Vielfältige und farbige, und ruhig auch schräge Vögel. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen |
Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857 |