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Die Predigt vom 18. Juli 1999: »Meister, gib uns ein Zeichen!«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

Die evangelische Kirche beging am Sonntag den 7. Sonntag nach Trinitatis. Thema dieses Sonntags ist die Frage, was wirklich satt macht. Als Evangelium wird die Speisung der 5000 aus dem Johannesevangelium Kapitel 6 gelesen. Predigttext ist dann die Fortsetzung in den Versen 30-35:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben
.)

30 Das Volk sprach zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? 31 Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht (Psalm 79,24): »Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.« 32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 33 Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. 34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. 35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Predigt

Der Meister

Da war einmal einer, den man "Meister" nannte. Eine stattliche Erscheinung, lange Haare, nicht immer sehr gepflegt. Die Menschen jubelten ihm zu, Frauen und Männer. Sie hingen an seinen Lippen. Sie lagen ihm zu Füßen. Er teilte mit ihnen und sie aßen. – O, nein, nicht Jesus. Denn nicht Brot teilte der Meister mit ihnen. Er teilte Nußecken.

Inzwischen ist er mehr oder weniger vergessen. Er ist out. Seine Zeit ist vorbei. Aber er hat wohl auch genug. Denn er wußte etwas davon, wie man einen Messias macht. Er wußte etwas von den Sehnsüchten der Menschen, jener Guildo Horn. Er befriedigte für einige Zeit ihre Bedürfnisse. Ob er sie wirklich satt gemacht hat mit seinen Nußecken, das weiß ich nicht. Inzwischen laufen sie anderen nach.

"Meister, gib uns ein Zeichen"

Eine Zeitlang suchten sie etwas bei ihm. Sie schauten auf zu ihm: "Meister, gib uns ein Zeichen." Das war der Kultsatz. Das war wie Gottesdienst. Fast so wie "Kyrie eleison. Erbarm dich über uns."

"Meister gib uns ein Zeichen." Das haben angeblich vor zwei Wochen auch einige junge Mädchen geschrien, um ihren Messias Michael Jackson an das Fenster seines Münchner Krankenzimmers zu holen.

"Meister, gib uns ein Zeichen." Das ist ein Zitat aus einem Jesusfilm. "Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen." (Mattäus 12,38) So heißt es in Luthers Sprache. Oder wie hier bei Johannes im 6. Kapitel:

30 Das Volk sprach zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? 31 Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht (Psalm 79,24): »Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.« 32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. 33 Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. 34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. 35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Was macht wirklich satt?

Was macht wirklich satt in einer Zeit wie heute, wo die meisten alles haben, in einer Zeit der äußeren Sattheit? Was macht wirklich satt? Nicht wie jene Limonaden, von denen man trinkt und trinkt und immer durstiger wird. Oder wie jene Knabbereien, die man knabbert und knabbert und die Gier wird immer größer. Der ist der Meister, der die Menschen wenigstens eine Zeitlang satt machen kann.

Was macht wirklich satt? Wer macht wirklich satt? Darum geht es in diesen Worten aus dem Johannesevangelium. Nicht um die äußere Sattheit geht es, denn unmittelbar voraus wird die Speisung der 5000 erzählt. Der Bauch ist voll. Aber nun sind sie aufmerksam geworden auf diesen Jesus. Könnte er über den vollen Bauch hinaus auch etwas anderes zu bieten haben? Meister kommen und gehen, damals wie heute. Was ist mit ihm? Man fühlt ihm auf den Zahn:

Jesus – der Meister?

30 Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? 31 Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen.

An nichts weniger muß er sich messen lassen, wenn etwas an ihm dran sein soll. Das vergißt ein Jude nicht, wie Gott das Volk Israel damals bei der Flucht aus Ägypten in der unwirtlichen und lebensfeindlichen Wüste durch die Frucht des Mannastrauchs am Leben erhalten hat. Ein eindrückliches Erlebnis. Man gab es weiter von Generation zu Generation. Mose gab ihnen, was sie zum Leben brauchten. Ist er, Jesus, ein neuer Mose? Erfüllt er die uralte Hoffnung, daß einmal einer kommen werde, der die Menschen rundum satt macht? Also: "Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben?"

Gott allein ist der Meister

Was antwortet Jesus darauf? Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.

Er antwortet in einer zweifachen Weise: Zum einen: "Fragt nicht: Was ist dran an mir? Als damals eure Vorfahren mit Manna gespeist wurden, hat nicht Mose das Wunder getan. Gott ist es gewesen. Macht nicht einen Menschen zum Kultstar, sondern entdeckt Gott hinter ihm." Oder an anderer Stelle im Matthäusevangelium: "Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen, denn nur einer ist euer Meister, ihr aber seid Brüder." (Matthäus 23,8)

"Und außerdem", so fährt Jesus fort: "Das Manna unter Mose war nicht mehr als ein Nahrungsmittel. Es war einfaches Brot. Brot, um äußerlich satt zu werden, mehr nicht. Kümmert euch um ein Brot, das wirklich satt macht. Ein solches Brot kann man nur bei Gott bekommen. Brot, das nicht nur Nahrungsmittel, sondern Lebensmittel ist." Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.

Jesus – das Lebensmittel

Mit diesem rätselhaften Wort spielt Jesus auf sich selber an: Er ist der, der vom Himmel, also von Gott, von seinem Vater, gekommen ist. Er ist das wahre Brot. Jesus will die Menschen nicht nur äußerlich satt machen. Nicht um Nahrungsmittel geht es. Jesus ist das Brot, das Leben gibt. Er ist nicht Nahrungsmittel, sondern Lebensmittel. Lebens-mittel in der tiefsten Bedeutung: Mittel zu einem wahren Leben.

Für die heutigen Hörer, die 2000 Jahre Christentum hinter sich haben, ist die Sache klar: Jesus gibt nicht etwas, sondern er gibt sich selber. Die damaligen jüdischen Zuhörer haben zwangsläufig noch einen engeren Horizont. Sie merken nur: Er redet hier von einem Brot, das mehr und besser ist als das Manna-Brot des Mose damals in der Wüste. Das interessiert sie. Solches Brot bräuchte man. So einen Menschen, der Brot schaffen kann, bräuchte man. Deswegen: Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.

Jesus – der Bedürfnisbefriediger?

Das würde ihnen also als Zeichen vollauf genügen. Da wäre er wirklich ihr Meister. Gerne würden sie nur ihm nachlaufen, wenn er ihnen nur immer und überall ihre äußeren Bedürfnisse befriedigen könnte. Was wäre, wenn heute einer käme, der Arbeit und Brot für alle schaffen könnte, oder es zumindest verspräche, wie es das schon einmal gab? Wieviele würden sich genauso wie damals mit der äußeren Sattheit begnügen und ihm begeistert nachlaufen. Und noch kurzlebiger sind heute oft jene anderen Meister, denen man eine Zeitlang nachläuft, um sie dann zu wechseln wie ein verschwitztes Hemd.

Jesus – das Lebensbrot

"Aber nein", sagt Jesus. "Ihr habt mich mißverstanden: Nicht um das äußerliche Sattwerden geht es mir. Ich könnte es wohl, aber was wäre damit geholfen? Wärt ihr zufriedener, wäre alles in Ordnung, wenn ihr nur satt wärt?" Und so gibt er die Gleichnisrede auf und redet deutlich: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Das ist der springende Punkt: Jesus beschafft nicht Lebensmittel. Er ist es selber. Wer Leben haben will, wer wirklich satt werden will, der bekommt nichts von ihm, sondern der bekommt ihn. Der muß sich auf ihn einlassen, der muß sich ihn einverleiben. Aber wie bringt man das unter die Leute? Wie macht man den Menschen auf der Suche nach dem Meister klar, daß sie ihn gar nicht zu suchen brauchen, weil er ja schon da ist, weil er selber sie sucht und sie bloß zu kommen bräuchten?

Ich kann mich in dieser Livesendung heute morgen erst einmal nur an Sie wenden: Als Kirchgänger wissen Sie, wo man wirklich satt werden kann. Als Kirchgänger wissen Sie, wer der eigentliche Meister ist. Machen Sie also immer wieder neu ernst mit diesem Wissen! Mein Kollege Kraus, wenn er hier stehen würde, würde auf Luther und seinen Katechismus verweisen: Täglich neu muß der alte Adam in uns ersäuft werden, damit ein neuer Mensch herauskommt.

Vom Meister erzählen

Und die anderen, die das nicht wissen, bzw. nur flüchtig wissen? Könnte es nicht eine Antwort sein auf ihre Sehnsucht nach Zufriedenheit und richtigem Leben? Ist es nicht genau das, wonach viele suchen: Nicht nur Geld, sondern Zufriedenheit; nicht nur eine Arbeit, sondern Erfüllung; nicht nur Bekannte und Kollegen, sondern Freunde; nicht nur dynamische Lebensversicherung, sondern Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft. Ich glaube, wir täten vielen Unrecht, wenn wir behaupten würden, daß es den meisten heute doch nur ums Geld geht. Ich denke, die biblische Überzeugung hat sich viel weiter durchgesetzt als man meint, die Überzeugung, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, wie Jesus das einmal ausgedrückt hat. Sonst würde man nicht so vielen verschiedenen Meistern nachlaufen.

Wer weiß, wo Leben zu finden ist, der sollte es den anderen nicht verheimlichen. Und wer das unter uns nicht mit Worten kann oder sich nicht traut, der tue es durch sein Leben. Gott schenke uns den Mut dazu, die rechten Worte und die Glaubwürdigkeit. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de