Predigt |
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Keine Zeit für den
Richtbaum?
Den Baufortschritt im Ginsterweg habe ich mir gestern wieder einmal
angeschaut. (Ginsterweg das hat sich noch nicht bei allen herumgesprochen
heißt die neue Straße hinter der Langen Zeile.) In allen
Stadien kann man dort das Bauen anschauen: Auf manchen Grundstücken steht
nicht mehr als ein Firmenschild. Und drei Bauherren haben inzwischen schon ein
Dach über dem Kopf.
Noch kann man die Grundmauern sehen, die entscheidenden, wenn auch
unscheinbaren Mauern eines Hauses. Später werden sie versteckt sein und schöne
Fassaden drängen sich in den Vordergrund. Fast wie bei den Menschen: Da
sollte man sich auch nicht von äußeren Fassaden blenden lassen,
sondern nach den versteckten Grundmauern fragen.
Eine Beobachterin hat gestern übrigens gemeint: "Was haben wir
doch für eine schnellebige Zeit: Nicht einmal die Zeit für einen
Richtbaum hat man sich genommen!"
Das Gleichnis vom Hausbau
"Vom Hausbau" sind die folgenden Worte Jesu bei Matthäus
7 überschrieben:
24 Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem
klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als nun ein Platzregen fiel und
die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es
doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. 26 Und wer diese meine Rede
hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein
Haus auf Sand baute. 27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die
Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war
groß.
Vom Haus des eigenen Lebens
Vom Hausbauen redet Jesus in diesem Gleichnis. Von der Stabilität
dessen, was man baut. Vom Bauen auf Sand, vom Bauen auf festen Grund. Von den Stürmen
und Wassern, die ein Haus auszuhalten hat, und von denen wir hier in der Saas
Gott sei Dank verschont bleiben. Und doch spürt wohl jeder beim Hören:
Jesus erzählt das alles nicht, weil er uns Nachhilfeunterricht geben wollte
im Bauwesen. Es geht wie bei allen seinen Gleichnissen um tiefere Fragen, um
Lebensfragen, ja um Überlebensfragen: Wie sieht es im Bild
gesprochen mit dem Bau meines Lebens aus? Worauf baue ich? Was gibt mir
Boden unter die Füße? Hat, was ich gebaut habe, auch Bestand in den
Stürmen und Herausforderungen des Leben? Hat es auch Bestand am letzten
Ende, dann, wenn das große Fazit gezogen wird und ich Rechenschaft ablegen
muß?
Bauen mit Verstand
Jesus verpackt solche knifflige Lebensfragen, über die man ja gar
nicht so gerne und so leicht redet, in Gleichnisse, in Bilder und Vergleiche aus
der alltäglichen Lebenswelt seiner Zeit. Jeder soll zum Nachdenken über
sich und Gott kommen. Glaube ist nicht eine Sache der Intelligenz, der
Schulbildung oder der Kenntnisse, sondern es geht, so will er sagen, um den
gesunden Menschenverstand: Keiner von euch, so sagt er seinen Zuhörern, wäre
so dumm und unvernünftig, sein Wohnhaus auf einem sandigen Untergrund zu
bauen.
Wahrscheinlich meinte er damit sie sog. Wadis, also die trockenen Flußtäler
in Israel, in denen sich der feine Sand ablagerte, den das Wasser mitbrachte.
Dort im Tal fällt das Bauen leichter als weiter oben am felsigen festen
Hang. Fast das ganze Jahr über ist trockenes, schönes Wetter, und kein
großes Risiko mit einem solchen Bauplatz verbunden. Doch jeder von den Zuhörern
weiß aus eigener Beobachtung: In der kurzen intensiven Regenzeit kann der
Boden das Wasser gar nicht so schnell aufnehmen, und es schießt so rasant
durch diese ehemals trockenen Flußtäler, daß es alles mit sich
reißt. Kein Haus könnte dort bestehen, wenn seine Grundmauern nicht
auf festem Grund gebaut wären.
Es geht um die Existenz
Das ist dann keine Frage der Schönheit mehr. Da geht es um die
Existenz. Es geht um Sein oder Nichtsein, um Gelingen und Mißlingen. Jeder
Hausherr kann das auch heute nachvollziehen, denn keiner will, daß ihm
sein Dach über dem Kopf zusammenfällt. Und auch wenn das Haus steht,
muß man für seinen Bestand sorgen. Wieviel Zeit, Engagement und Geld
in den Erhalt und die Verschönerung von Häusern gesteckt wird, merkt
man auf Schritt und Tritt, wenn man hier durch die Siedlung geht. Wenn man
einmal abtreten muß, möchte man etwas Ordentliches zurücklassen.
Und für manchen ist es eine innere Not, daß das, wo man so viel Mühe
hineingesteckt hat, einmal in fremde Hände gehen muß.
Es geht um deine Existenz
Und nun der springende Punkt in den Worten Jesu: So viel Zeit,
Engagement und Geld Ihr aufwendet für den Bestand Eurer Häuser, in
denen Ihr wohnt, so viel solltet Ihr eigentlich auch einsetzen für das Haus
Eures Lebens. Auch in diesem tieferen Sinn braucht jeder in seinem Leben festen
Boden unter den Füßen. Die Angst, auf Sand gebaut zu haben, die
Angst, am Ende vielleicht umsonst und ohne Sinn gelebt zu haben, beschleicht
wohl jeden irgendwann einmal.
Es wäre eigentlich, so verstehe ich Jesus, so wie bei einem Hausbau
eine Frage des gesunden Menschenverstandes, daß man auch sein Leben, seine
Existenz auf einen festen Grund stellt. Sicher geht es oft lange gut, wenn man
geradezu und vor sich hin lebt, ohne besonders für seine Seele zu sorgen.
Bei manchen scheint es sogar bis zum Ende ganz gut zu gehen, von außen
betrachtet zumindest. Doch gesunder Menschenverstand muß einplanen, daß
auf das eigene Leben Stürme zukommen können: Situationen, in denen man
den Halt verliert und keinen Grund mehr unter die Füße bekommt.
Situationen, wo einem das Wasser bis zum Hals steht und manchmal noch ein wenig
höher.
Wer Schweres im Leben mitgemacht hat, weiß es. Doch auch wem
Schweres bisher durch Gottes Gnade erspart wurde - worauf wir ja als Menschen
kein Anrecht haben -, hat sich vielleicht schon gefragt: Wie würde ich wohl
in einer solchen Situation reagieren? Wie käme ich zurecht, wenn mir das
oder jenes passieren würde? Wie würde ich es verkraften?
Boden unter den Füßen?
Die Psychologen in der Werbewirtschaft kennen diese Lebensfragen auch
und packen die Menschen dort: "Auf diese Steine können sie bauen."
"Versicherung erst macht Sicherheit perfekt." Die eigene körperliche
und berufliche Leistungsfähigkeit, der sichere Arbeitsplatz, das Bankkonto,
das eigene Häuschen, die richtige Versicherung für jedes mögliche
und unmögliche Risiko. Das sind die Grundmauern der meisten Lebensentwürfe.
Felsiger Grund oder sandiger Grund?
... der gleicht einem klugen Menschen
Klugheit, Lebensklugheit ist nach Jesus gefragt. Eine Klugheit wie
gesagt, die nichts mit Intelligenz, Wissen oder Alter zu tun hat. Eine Klugheit,
die weiß und spürt, worauf es im Leben wirklich ankommt, bzw. die
sich dauernd neu auf die Suche danach macht. Eine Klugheit, die merkt: Hier geht
es wirklich um die Existenz, und da darf ich nicht schludern.
24 Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem
klugen Menschen, der sein Haus auf Fels baute.
Klug ist, wer seine Worte hört und auch tut: Klug ist, wer vom
Glauben und von Gott nicht nur theoretisch weiß, sondern wer das im täglichen
Leben ausprobiert und in die Tat umsetzt. Dieser Glaube hat die Verheißung,
daß er auch den Stürmen des Lebens trotzen kann, daß er auch
fest steht, wenn der Boden unter den Füßen einmal wackelig werden
sollte.
Das nächste Schrittchen tun
"Wer diese meine Worte hört und tut sie." Das Hören
steht also am Anfang. Sie sind heute morgen in diesen Gottesdienst gekommen, um
zu hören, und das ist gut so. Was Gott heute einer jeden und einem jeden
von Ihnen gesagt hat, weiß ich nicht. Aber wenn Sie meinen, Sie hätten
eine Botschaft bekommen was ja nicht in jedem Gottesdienst der Fall sein
muß dann gehen Sie um Gottes Willen und um Ihretwillen nicht hinaus
aus diesem Haus, ohne sich einen kleinen Schritt vorzunehmen. Das Abendmahl als
Wegzehrung und der Segen für diesen Schritt werden Ihnen angeboten. Amen |