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Die Predigt vom 1. August 1999: »Fester Boden unter den Füßen?«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

Die evangelische Kirche beging am Sonntag den 9. Sonntag nach Trinitatis. Predigttext war das Gleichnis Jesu vom Hausbau aus dem 7. Kapitel des Matthäusevangeliums:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben
.)

24 Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. 26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß.

Predigt

Keine Zeit für den Richtbaum?

Den Baufortschritt im Ginsterweg habe ich mir gestern wieder einmal angeschaut. (Ginsterweg – das hat sich noch nicht bei allen herumgesprochen – heißt die neue Straße hinter der Langen Zeile.) In allen Stadien kann man dort das Bauen anschauen: Auf manchen Grundstücken steht nicht mehr als ein Firmenschild. Und drei Bauherren haben inzwischen schon ein Dach über dem Kopf.

Noch kann man die Grundmauern sehen, die entscheidenden, wenn auch unscheinbaren Mauern eines Hauses. Später werden sie versteckt sein und schöne Fassaden drängen sich in den Vordergrund. Fast wie bei den Menschen: Da sollte man sich auch nicht von äußeren Fassaden blenden lassen, sondern nach den versteckten Grundmauern fragen.

Eine Beobachterin hat gestern übrigens gemeint: "Was haben wir doch für eine schnellebige Zeit: Nicht einmal die Zeit für einen Richtbaum hat man sich genommen!"

Das Gleichnis vom Hausbau

"Vom Hausbau" sind die folgenden Worte Jesu bei Matthäus 7 überschrieben:

24 Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. 25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. 26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. 27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß.

Vom Haus des eigenen Lebens

Vom Hausbauen redet Jesus in diesem Gleichnis. Von der Stabilität dessen, was man baut. Vom Bauen auf Sand, vom Bauen auf festen Grund. Von den Stürmen und Wassern, die ein Haus auszuhalten hat, und von denen wir hier in der Saas Gott sei Dank verschont bleiben. Und doch spürt wohl jeder beim Hören: Jesus erzählt das alles nicht, weil er uns Nachhilfeunterricht geben wollte im Bauwesen. Es geht wie bei allen seinen Gleichnissen um tiefere Fragen, um Lebensfragen, ja um Überlebensfragen: Wie sieht es – im Bild gesprochen – mit dem Bau meines Lebens aus? Worauf baue ich? Was gibt mir Boden unter die Füße? Hat, was ich gebaut habe, auch Bestand in den Stürmen und Herausforderungen des Leben? Hat es auch Bestand am letzten Ende, dann, wenn das große Fazit gezogen wird und ich Rechenschaft ablegen muß?

Bauen mit Verstand

Jesus verpackt solche knifflige Lebensfragen, über die man ja gar nicht so gerne und so leicht redet, in Gleichnisse, in Bilder und Vergleiche aus der alltäglichen Lebenswelt seiner Zeit. Jeder soll zum Nachdenken über sich und Gott kommen. Glaube ist nicht eine Sache der Intelligenz, der Schulbildung oder der Kenntnisse, sondern es geht, so will er sagen, um den gesunden Menschenverstand: Keiner von euch, so sagt er seinen Zuhörern, wäre so dumm und unvernünftig, sein Wohnhaus auf einem sandigen Untergrund zu bauen.

Wahrscheinlich meinte er damit sie sog. Wadis, also die trockenen Flußtäler in Israel, in denen sich der feine Sand ablagerte, den das Wasser mitbrachte. Dort im Tal fällt das Bauen leichter als weiter oben am felsigen festen Hang. Fast das ganze Jahr über ist trockenes, schönes Wetter, und kein großes Risiko mit einem solchen Bauplatz verbunden. Doch jeder von den Zuhörern weiß aus eigener Beobachtung: In der kurzen intensiven Regenzeit kann der Boden das Wasser gar nicht so schnell aufnehmen, und es schießt so rasant durch diese ehemals trockenen Flußtäler, daß es alles mit sich reißt. Kein Haus könnte dort bestehen, wenn seine Grundmauern nicht auf festem Grund gebaut wären.

Es geht um die Existenz

Das ist dann keine Frage der Schönheit mehr. Da geht es um die Existenz. Es geht um Sein oder Nichtsein, um Gelingen und Mißlingen. Jeder Hausherr kann das auch heute nachvollziehen, denn keiner will, daß ihm sein Dach über dem Kopf zusammenfällt. Und auch wenn das Haus steht, muß man für seinen Bestand sorgen. Wieviel Zeit, Engagement und Geld in den Erhalt und die Verschönerung von Häusern gesteckt wird, merkt man auf Schritt und Tritt, wenn man hier durch die Siedlung geht. Wenn man einmal abtreten muß, möchte man etwas Ordentliches zurücklassen. Und für manchen ist es eine innere Not, daß das, wo man so viel Mühe hineingesteckt hat, einmal in fremde Hände gehen muß.

Es geht um deine Existenz

Und nun der springende Punkt in den Worten Jesu: So viel Zeit, Engagement und Geld Ihr aufwendet für den Bestand Eurer Häuser, in denen Ihr wohnt, so viel solltet Ihr eigentlich auch einsetzen für das Haus Eures Lebens. Auch in diesem tieferen Sinn braucht jeder in seinem Leben festen Boden unter den Füßen. Die Angst, auf Sand gebaut zu haben, die Angst, am Ende vielleicht umsonst und ohne Sinn gelebt zu haben, beschleicht wohl jeden irgendwann einmal.

Es wäre eigentlich, so verstehe ich Jesus, so wie bei einem Hausbau eine Frage des gesunden Menschenverstandes, daß man auch sein Leben, seine Existenz auf einen festen Grund stellt. Sicher geht es oft lange gut, wenn man geradezu und vor sich hin lebt, ohne besonders für seine Seele zu sorgen. Bei manchen scheint es sogar bis zum Ende ganz gut zu gehen, von außen betrachtet zumindest. Doch gesunder Menschenverstand muß einplanen, daß auf das eigene Leben Stürme zukommen können: Situationen, in denen man den Halt verliert und keinen Grund mehr unter die Füße bekommt. Situationen, wo einem das Wasser bis zum Hals steht und manchmal noch ein wenig höher.

Wer Schweres im Leben mitgemacht hat, weiß es. Doch auch wem Schweres bisher durch Gottes Gnade erspart wurde - worauf wir ja als Menschen kein Anrecht haben -, hat sich vielleicht schon gefragt: Wie würde ich wohl in einer solchen Situation reagieren? Wie käme ich zurecht, wenn mir das oder jenes passieren würde? Wie würde ich es verkraften?

Boden unter den Füßen?

Die Psychologen in der Werbewirtschaft kennen diese Lebensfragen auch und packen die Menschen dort: "Auf diese Steine können sie bauen." "Versicherung erst macht Sicherheit perfekt." Die eigene körperliche und berufliche Leistungsfähigkeit, der sichere Arbeitsplatz, das Bankkonto, das eigene Häuschen, die richtige Versicherung für jedes mögliche und unmögliche Risiko. Das sind die Grundmauern der meisten Lebensentwürfe. – Felsiger Grund oder sandiger Grund?

... der gleicht einem klugen Menschen

Klugheit, Lebensklugheit ist nach Jesus gefragt. Eine Klugheit wie gesagt, die nichts mit Intelligenz, Wissen oder Alter zu tun hat. Eine Klugheit, die weiß und spürt, worauf es im Leben wirklich ankommt, bzw. die sich dauernd neu auf die Suche danach macht. Eine Klugheit, die merkt: Hier geht es wirklich um die Existenz, und da darf ich nicht schludern.

24 Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Menschen, der sein Haus auf Fels baute.

Klug ist, wer seine Worte hört und auch tut: Klug ist, wer vom Glauben und von Gott nicht nur theoretisch weiß, sondern wer das im täglichen Leben ausprobiert und in die Tat umsetzt. Dieser Glaube hat die Verheißung, daß er auch den Stürmen des Lebens trotzen kann, daß er auch fest steht, wenn der Boden unter den Füßen einmal wackelig werden sollte.

Das nächste Schrittchen tun

"Wer diese meine Worte hört und tut sie." Das Hören steht also am Anfang. Sie sind heute morgen in diesen Gottesdienst gekommen, um zu hören, und das ist gut so. Was Gott heute einer jeden und einem jeden von Ihnen gesagt hat, weiß ich nicht. Aber wenn Sie meinen, Sie hätten eine Botschaft bekommen – was ja nicht in jedem Gottesdienst der Fall sein muß – dann gehen Sie um Gottes Willen und um Ihretwillen nicht hinaus aus diesem Haus, ohne sich einen kleinen Schritt vorzunehmen. Das Abendmahl als Wegzehrung und der Segen für diesen Schritt werden Ihnen angeboten. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de