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predigt[e].de

Die Predigt vom 28. September 2008 (Michaelstag):
»Lebenswenden«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 19. Sonntag nach Trinitatis. In der Kirchengemeinde wird aber Ende September der Michaelstag begangen. Sein Thema sind die Engel. Evangelium (1. Lesung) war die Botschaft von der Entmachtung des Satan und Epistel (2. Lesung) der Endkampf gegen die bösen Mächte nach der Offenbarung. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war aus Josua 5:
Predigttext
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Der Predigttext
13 Und es begab sich, als Josua bei Jericho war, dass er seine Augen aufhob und gewahr wurde, dass ein Mann ihm gegenüberstand und ein bloßes Schwert in seiner Hand hatte. Und Josua ging zu ihm und sprach zu ihm: Gehörst du zu uns oder zu unsern Feinden? 14 Er sprach: Nein, sondern ich bin der Fürst über das Heer des HERRN und bin jetzt gekommen. Da fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde nieder, betete an und sprach zu ihm: Was sagt mein Herr seinem Knecht? 15 Und der Fürst über das Heer des HERRN sprach zu Josua: Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du stehst, ist heilig. Und so tat Josua.
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Die Predigt
An einer Lebenswende

Ein junger Mensch steht an einer entscheidenden Lebenswende. Man hat ihm einen verantwortlichen Auftrag gegeben. Die Entscheidung ist getroffen. Wird er es schaffen? Wie wird es werden?
Ich rede von Josua, dem Schüler und Nachfolger des Mose. Mose ist tot. Unter der Führung des Josua haben die Israeliten den Jordan überschritten und stehen an der Schwelle zum verheißenen Land. Wie eine Sperre liegt die uneinnehmbare Stadt Jericho vor ihnen. Ohne Kampf wird es nicht gehen.
In dieser entscheidenden und unsicheren Situation erlebt Josua eine Begegnung mit Gott, so wie Mose damals am Dornbusch:

13 Und es begab sich, als Josua bei Jericho war, dass er seine Augen aufhob und gewahr wurde, dass ein Mann ihm gegenüberstand und ein bloßes Schwert in seiner Hand hatte. Und Josua ging zu ihm und sprach zu ihm: Gehörst du zu uns oder zu unsern Feinden? 14 Er sprach: Nein, sondern ich bin der Fürst über das Heer des HERRN und bin jetzt gekommen. Da fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde nieder, betete an und sprach zu ihm: Was sagt mein Herr seinem Knecht? 15 Und der Fürst über das Heer des HERRN sprach zu Josua: Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du stehst, ist heilig. Und so tat Josua.

Lebenswenden als Herausforderung

An einer entscheidenden Lebenswende, vor einer entscheidenden Herausforderung begegnen Mose und Josua Gott. Sie begegnen Gott, aber sie begegnen ihm sozusagen nicht „persönlich“: Mose begegnet Gott im Feuer des Busches, der nicht verbrennt, und in der Stimme, die er hört. Josua begegnet Gott in seinem Boten. Bote Gottes, Gesandter Gottes, auf deutsch: Engel. Der Engel mit dem blanken Schwert steht vor ihm wie der, der das verlorene Paradies bewacht.
„Ich bin der Fürst über das Heer des HERRN und bin jetzt gekommen.“
Der Fürst, der Anführer von Gottes himmlischen Heerscharen. An anderen Stellen der Bibel hat er einen Namen: Michael.
Wer wie die beiden Gott begegnet, der bekommt einen Auftrag: Mose soll die Israeliten aus der Sklaverei in die Freiheit führen, und Josua in das verheißene Land hinein.
Und da, wo ein Mensch Gott begegnet, ist heilige Stätte. Da muss er seine Schuhe ausziehen. Da senkt er seine Augen. Da haben Hochmut und Selbstsicherheit keinen Platz.

Fünf Punkte lese ich heraus aus dieser Geschichte, der Geschichte von Josua, die aber ohne weiteres auch deine oder meine Geschichte sein kann:
An einer Lebenswende kann ein Mensch Gott begegnen.
Wer Gott begegnet, der muss erst einmal Halt machen.
Wer Gott begegnet, der wird demütig.
Wer Gott begegnet, der bekommt einen Auftrag.
Wer Gott begegnet, der wird dadurch für diesen neuen Auftrag gestärkt.

1. An einer Lebenswende kann ein Mensch Gott begegnen.
13 Und es begab sich, als Josua bei Jericho war, dass er seine Augen aufhob ...
Was sind solche Lebenswenden? Wenn jemand einen Ort verlässt, um anderswo heimisch zu werden. - Wenn jemand beruflich eine neue Stelle antritt oder eine neue Herausforderung bekommt. - Wenn das erste Kind geboren wird, oder das letzte das Haus verlässt. - Wenn ein runder Geburtstag eine neue Lebensphase einläutet. - Wenn der Berufsalltag zu Ende geht und der Ruhestand bevorsteht. - Wenn eine Krankheit entdeckt wird ...
Das kann eine Aufgabe vor einem liegen: hoch wie die Mauern von Jericho. Josua hebt seine Augen auf, heißt es. Die Einheitsübersetzung sagt es besser: Josua hält Ausschau. Er bleibt stehen und sieht seiner Aufgabe ins Auge. Andere Menschen haben andere Jerichos. Jericho ist überall.

Da kann ein Mensch Gott begegnen, sagte ich. Er muss nicht. Begegnungen mit Gott kann man nicht „machen“. Gott lässt sich nicht herbeizitieren. Mehr als offen sein dafür, kann man wohl nicht. Ich bin mir sogar unsicher, ob man einfach so darum bitten darf. Eine Begegnung mit Gott ist kein Zuckerlecken. Sie wird einen auch erschrecken.

2. Wer Gott begegnet, muss erst einmal Halt machen.
13 Und es begab sich, als Josua bei Jericho war, dass er seine Augen aufhob und gewahr wurde, dass ein Mann ihm gegenüberstand und ein bloßes Schwert in seiner Hand hatte. Und Josua ging zu ihm und sprach zu ihm: Gehörst du zu uns oder zu unsern Feinden?
Entscheidende Lebenssituationen sind wie eine Tür, vor der man steht. Eine Tür, von der man nicht genau weiß, was einen erwartet. Fast so, wie wenn man ein Krankenzimmer betritt: Da geht man nicht forsch hindurch. Man besinnt sich vielleicht noch einmal. Man atmet noch einmal durch und drückt die Klinke nicht so frech wie sonst.
Auge in Auge steht Josua auf einmal diesem Mann gegenüber. „Freund oder Feind?“ so fragt er. „Meinst du es gut, oder meinst du es böse?“
Das gezückte Schwert, das der Gottesbote in der Hand hat, ist ein Hinweis, dass das versprochene Land nicht ohne Kampf zu bekommen ist.
Es fällt mir nicht leicht, das so einfach auf unsere entscheidenden Lebenswenden heute zu übertragen. Die Einnahme des versprochenen Landes damals war eine durchaus kriegerische und auch brutale Angelegenheit. Seit Jesus können wir diese Abschnitte des Alten Testaments nicht mehr einfach so stehen lassen. Oft genug ist dann auch im Laufe der Kirchengeschichte im Namen Gottes das Schwert erhoben worden. Allzu schnell sind Menschen auf beiden Seiten mit einem „Gott mit uns!“ auf den Lippen gegeneinander gezogen. So ist es hier nicht gemeint, denn es gilt:

3. Wer Gott begegnet, der wird demütig.
15 Und der Fürst über das Heer des HERRN sprach zu Josua: Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du stehst, ist heilig.
Wer eine islamische Moschee betritt, zieht seine Schuhe aus. Wer in eine jüdische Synagoge geht, setzt eine Kippa auf. Das sind äußere Zeichen einer inneren Haltung. Das Wort „Demut“ kommt in unserer deutschen Sprache nicht mehr oft vor. Es klingt veraltet. Es klingt unterwürfig. Wer will schon demütig sein?
Menschen gegenüber mag es ja richtig sein. Doch Josua begegnet nicht irgendjemand. Er begegnet einem Boten Gottes. Und er begegnet damit Gott selbst. Was eigentlich nicht möglich ist, dass sich die himmlische und die irdische Welt berühren, das geschieht hier. Ein Lichtblick in eine andere Wirklichkeit.
Menschen, die so etwas erleben, in einer schweren Krankheit, bei einer wichtigen Entscheidung oder wo auch immer, erzählen genau das: Hochmut und Stolz gab es da nicht mehr, sondern bloß noch Beschenktsein und tiefe Dankbarkeit. Und wer das erlebt, der kann nicht bleiben, wie er ist. Es gilt:

4. Wer Gott begegnet, der bekommt einen Auftrag.
Da fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde nieder, betete an und sprach zu ihm: Was sagt mein Herr seinem Knecht?
Josua fällt auf sein Angesicht. Das ist die alttestamentliche Formulierung für die tiefste Verbeugung, die es gibt. Das Geschöpf steht vor seinem Schöpfer. Der Knecht steht vor seinem Herrn. Und da im Hebräischen das Wort auch „Sohn“ bedeutet: Der Sohn steht vor seinem Vater wie der verlorene Sohn in Jesu Gleichnis.
Begegnet jemand in einer entscheidenden Lebenssituation seinem Herrn und Vater, dann bleibt ihm wohl auch heute noch nur diese eine Frage: „Gott, was hast du mir zu sagen?“ „Worauf kommt es jetzt an?“ „Was willst du von mir?" „Wo brauchst du mich?“
Wie die Antwort bei dir und mir genau ausfällt, das steht nicht hier. Jericho ist überall und Jericho sieht jedes Mal anders aus. Aber dieses eine gehört wohl überall dazu, nämlich:

5. Wer Gott begegnet, der wird für diesen neuen Auftrag gestärkt.
Ich bin der Fürst über das Heer des HERRN und bin jetzt gekommen.
„Ich bin gekommen.“ „Ich bin da.“ sagt Gott zu Josua. „Ich bin, der ich bin.“ sagte er zu Mose am Dornbusch. „Ich bin der Ich-bin-da." so übersetzen manche Ausleger.
Wer an einer Lebenswende Gott begegnet, der geht aus dieser Begegnung zwar erschrocken, aber gestärkt und ermutigt hervor.
„Ich bin da.“ sagt die Mutter am Bett eines Kindes, das krank ist, Angst hat oder nicht schlafen kann. „Ich bin da.“ „Ich bin dabei.“ sagt Gott dem, der einen neuen Weg vor sich hat.
Und wenn jemand das Schwert des Engels nicht kriegerisch missversteht: Gott ist da und kämpft an meiner Seite, da wo die unbekannten neuen Wege auch Kampf bedeuten.
„Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du der Herr der Engel bist und uns die Wächter sendest. Erhalte uns in deiner Hut und rette uns, Herr, durch dein Blut, wenn du den Streit beendest.“
Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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