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Die Predigt vom 7. November 1999: »Heute noch an Dämonen glauben?«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

Die evangelische Kirche beging am Sonntag den Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres, bei dem es um das "Reich Gottes" geht. Predigttext war die Erzählung einer Dämonenaustreibung durch Jesus im Lukasevangelium im 11. Kapitel:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben
.)

14 (Jesus) trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwun derte sich. 15 Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten. 16 Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. 17 Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andre. 18 Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die bösen Geister aus durch Beelzebul. 19 Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. 20 Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. 21 Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. 22 Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. 23 Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

Predigt

"Tanze, o Mensch, denn du bist frei!"

Vorgestern abend und gestern tagsüber hatten wir in unserem Gemeindehaus ein Seminar zum Meditativem Tanz. Vor nunmehr zehn Jahren hat Frau Ammon zum ersten Mal zu einem solchen Angebot eingeladen. Jetzt noch trifft sich regelmäßig einmal im Monat eine offener Kreis mit Interessierten aus unserer Kirchengemeinde und aus ganz Bayreuth. Ich lese aus einem Gedicht, das an diesen beiden Tagen das Nachdenken angestoßen hat:

"Tanze, Adam, tanze Eva, tanze, o Mensch, denn du bist frei!
Freigelassen von einer Schöpferhand.
Du bist an kein Schicksal geschmiedet.
Du bist an keine Dämonen gebunden.
Du bist an keine Götter gekettet. ...
Tanze wie ein buntes Blatt im Herbst ... den Tanz eines Menschen."

Beherrscht von anderen Mächten?

Zur Freiheit hat uns Gott geschaffen. Wer an Gott glaubt, der ist frei von allen anderen Mächten und Zwängen. Und wer meint, Gott nicht zu brauchen, der muß gewärtig sein, daß ihn irgendetwas anderes in seinen Bann zieht.

Menschen unter dem Bann des Bösen, des Negativen, des Lebensfeindlichen. Das ist nicht unbedingt ein Thema im Alltag. Die Zeitungen und die Öffentlichkeit interessiert es erst dann, wenn wieder einmal jemand wie ein Tier, wie ein Besessener über Menschen hergefallen ist, oder wenn z.B. ein Triebtäter vor Gericht sagt: "Ich weiß gar nicht, wie das passiert ist. Es ist einfach über mich gekommen." Daß andere Mächte von einem Menschen Besitz ergreifen können, das war im Gegensatz zu unserer Zeit eine bekannte und gängige Vorstellung zur Zeit Jesu. Hören Sie eine dieser Geschichten aus dem Lukasevangelium Kapitel 11:

14 (Jesus) trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich. 15 Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten. 16 Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. 17 Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andre. 18 Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die bösen Geister aus durch Beelzebul. 19 Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. 20 Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. 21 Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. 22 Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. 23 Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

Dämonenglaube zur Zeit Jesu

Der Kern dieser Worte heute an sich ist einfach: "Gott ist stärker als alles Böse, was dich bedrängen könnte." Doch beim näheren Hinsehen bleibt manches fremd, weil uns die Erzählung in eine fremde Welt eintaucht. Ich will das Ganze noch einmal erklärend nacherzählen.

Jesus heilt einen Menschen, der nicht mehr sprechen kann, indem er ihm einen bösen Geist, einen Dämon, austreibt. Ein stummer Geist soll es gewesen sein, und zwar deswegen, weil man meinte, die fremde Macht, die von einem Menschen Besitz ergreift, dränge ihm sein eigenes Wesen auf. Weil nun der Mensch stumm war, mußte nach der Meinung der Menschen auch der böse Geist stumm sein. Die Leute, die um Jesus herumstanden, staunten, heißt es. Wer würde nicht staunen, wenn er so etwas erlebt, was mit dem gesunden Menschen verstand nicht erklärbar ist! Doch so außergewöhnlich, wie man heute meinen könnte, war die Sache damals nicht. Daß es Menschen gibt, die Macht über das Böse haben, damit rechnete man damals ganz selbstverständlich. Menschen, die im Namen Gottes böse Geister austrieben, gab es in der jüdischen Welt, und Jesus war nur einer von ihnen. Und auch aus der griechischen Welt der damaligen Zeit wird so etwas berichtet.

Hat Jesus Macht von Gott oder vom Bösen?

Die Umstehenden stören sich also nicht so sehr an der Begebenheit an sich, sondern die Diskussion entzündete sich an der Frage, woher Jesus wohl seine Macht habe. Die einen meinen: Die bösen Geister gehorchen Jesus nur deswegen, weil er seine Macht von ihrem Chef hat, von Beelzebul, dem Fürsten der Geister. Die anderen meinten: Wir wollen dir schon glauben, daß deine Macht von Gott kommt. Aber dieses eher alltägliche Wunder reicht uns nicht. Das können andere auch. Gib uns einen eindeutigeren Beweis deiner Macht!

Jesus geht auf den Vorwurf ein. Das ist völlig unlogisch, was Ihr das behauptet, meint er. Ihr wißt doch: Wenn in einem Königreich die eigenen Leute aufeinander losgehen, dann wird dieses Reich nicht lange Bestand haben. Wenn es wirklich stimmen würde, daß ich meine Macht vom Chef der Dämonen habe, dann würde der Teufel ja gegen sich selber kämpfen. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Und außerdem, so sagt er den Umstehenden weiter: Es gibt ja auch unter Euch welche, die Dämonen austreiben. Müßtet Ihr denen dann nicht denselben Vorwurf machen?

Der befreiende Gott

Nein, ich habe meine Macht von Gott. Im Namen und mit der Macht Gottes treibe ich die bösen Geister aus. Gott ist der Stärkere, deswegen muß sich ihm das Böse beugen. In seinem Namen nehme ich dem Teufel die Beute ab. Ich entreiße ihm die Menschen, die er unter seine Gewalt gebracht hat. Gottes Herrschaft über die Welt ist im Kommen. An solchen Befreiungen wie dieser könnt Ihr das sehen. Wartet nur, Gott wird sich noch ganz und gar durchsetzen auf dieser Erde. Wer sich da nicht auf meine Seite schlägt, sondern gegen mich arbeitet und redet, der stellt sich Gott selber in den Weg.

Heute noch an Dämonen glauben?

Gott ist stärker als alles Böse. Gibt es solche bösen Mächte, Dämonen, die Menschen in ihre Gewalt bringen? Dämonen, mit denen die Menschen der damaligen Zeit bei unerklärlichen Phänomenen ganz selbstverständlich rechneten? Kann man heute noch so reden? Ich will, ja ich kann keine eindeutige Antwort geben. Ein paar Beobachtungen:

Wenn jemand epileptische Anfälle hat, galt er damals als von einem Dämon besessen. Das ist ja Besessenheit, wenn ich nicht mehr mein eigener Herr bin. Ein Epileptiker ist, wenn er einen Anfall hat, nicht Herr seines Körpers und seines Willens. Ist heute jemand Epileptiker, dann bringt man ihn nicht zum Pfarrer und bittet, im Namen Jesu über ihm zu beten, daß er befreit wird, sondern man bringt ihn zu einem geeigneten Arzt. Man weiß etwas über die Vorgänge im Gehirn, die dahinterstehen, und man kennt Mittel, die die Epilepsie zwar nicht heilen, aber doch für das Alltagsleben in den Griff bringen.

Was sich auch im Laufe der Zeit zu Recht geändert hat, ist, daß wir uns einen Dämon nicht mehr als Person und Lebewesen vorzustellen brauchen wie damals. Alle diese Vorstellungen vom Teufel mit dem Pferdefuß, den Hörnern und dem Schwefelgeruch gehören ja dorthin. Doch andererseits besteht die Gefahr, mit den eher lächerlichen Bildern auch das Böse als lebensfeindliche und gottfeindliche Macht in die Mottenkiste zu stecken. Auch wenn wenig darüber geredet wird, gibt es doch durchaus Menschen, die mit sich selber zeitweise nicht im Reinen sind und den Eindruck haben, etwas Anderes habe sie in ihrem Bann. Auch Jugendliche, die sich spielerisch und neugierig mit Tischerücken u.ä. beschäftigt haben, haben schon Beängstigendes erlebt.

Böse Mächte ernst nehmen

Sehr eingeleuchtet hat mir vor Jahren, was ich bei einem Theologieprofessor gelesen habe. Er hatte viel mit solchen Phänomenen zu tun, weil er v.a. Studenten aus der Dritten Welt hatte, wo die Naturreligionen noch große Bedeutung haben. Der schreibt sinngemäß:

Schaut euch die Jesusgeschichten im Neuen Testament genau an. Jesus selbst ist nie auf einen Menschen zu und hat ihm die Diagnose gestellt: Du hast einen Dämon. Jesus hat nie eine Lehre oder eine Theorie der Dämonen entwickelt. Wenn aber Menschen zu ihm kamen oder wenn man welche zu ihm brachte in der Überzeugung, sie hätten einen Dämon, dann hat Jesus diese Menschen ernst genommen und gezeigt, daß Gottes Macht stärker ist als dämonische Macht. Deswegen, so sagte der Theologe: Macht auch Ihr keine unnötige Theorie daraus. Kümmert Euch auch gar nicht so sehr um die Frage. Doch wenn jemand mit einem solchen Eindruck zu euch kommt, dann macht ihn nicht lächerlich, sondern nehmt ihn seelsorgerlich ganz ernst, und ruft über ihm mit Gebet und Segen Gottes Macht aus.

Das Reich Gottes: Zeichen des Lichts entdecken

So gilt für mich - wie im Leben und Glauben überhaupt - auch hier: Macht nicht so sehr die dunklen Seiten zum Thema, sondern die hellen. Meditiert auf keinen Fall die Dunkelheit, sondern das Licht. Deswegen zum Abschluß noch ein Licht auf einen weiteren Kernsatz der Geschichte: 20 Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.

Jesus hat in seiner Verkündigung das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes im Blick. Trotz allem, wo sich offensichtlich Böses und Gottfeindliches noch aufbäumt, ist und bleibt der eigentliche Herr Gott. Seine Herrschaft ist angebrochen und wird sich auch durchsetzen. Da, wo Menschen durch Gott vom Bösen frei werden, leuchtet ein Stückchen dieser kommenden Herrschaft Gottes auf. Da kann man schon ein Zipfelchen davon greifen.

Da z.B. wo ein Alkoholkranker von der Sucht, die wie eine böse Macht über ihm lag, frei wird. Da wo zwei Menschen, die jahrelang Feinde waren, auf einmal wieder aufeinander zugehen können. Da wo einer, der lange und ohne Hoffnung getrauert hat, doch wieder eine Zukunft für sich sieht. Da wo ein depressiver und niedergeschlagener Mensch wieder neue Freude am Leben findet.

Für solche überraschenden Siege des Lichtes über die Dunkelheit, des Guten über das Böse müssen wir ein Auge bekommen. Und vor allem: wir sollen damit rechnen, daß im Vertrauen auf Gott auch in unserem persönlichen Leben so etwas Wirklichkeit werden kann. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de