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Die Predigt |
Notabene: Wegen der
Teilnahme der Hochschule für Kirchenmusik am Gottesdienst war
das Thema „Soli Deo Gloria“ im Gottesdienst schon angeklungen.
Leben ist Geschenk
Im normalen Leben wird es einem oft gar nicht bewusst, dass der Mensch
überhaupt unendlich viel mehr empfängt, als er gibt, und
dass Dankbarkeit das Leben erst reich macht. Man überschätzt
recht leicht das eigene Wirken und Tun in seiner Wichtigkeit gegenüber
dem, was man nur durch andere geworden ist.
So schrieb Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis. Wir können
es nachlesen im Gesangbuch auf S. 593.
(Text wiederholen.) „Im normalen Leben“ war er damals
nicht, sondern gefangen genommen mit unsicherem Ausgang. Auf sich
selber geworfen in der Einzelhaft. Mit viel Zeit zum Nachdenken über
den Gang seines Lebens. Und dann u.a. diese beiden Bekenntnisse: Man
empfängt in seinem Leben mehr, als man gibt. Und: Was man geworden
ist, ist man mehr durch andere geworden als durch eigene Leistung.
Von der Gefahr des Stolzes
Leben ist Geschenk, nicht Verdienst. Genau das ist das Thema des heutigen
Sonntags. Und es ist auch das Thema des Predigttextes. Gotteswort
aus dem Buch des Propheten Jeremia Kapitel 9:
22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner
Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein
Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. 23 Sondern wer sich
rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und
mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit
übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
Mit diesen Worten werden nicht die Weisheit, die Stärke und der
Reichtum an sich abgelehnt. Sie sollen heute nicht aus der Kirche
gehen und gesenkten Kopfes sagen: „Ich bin klug. Das gefällt
Gott nicht. Ich muss dümmer werden.“ Oder: „Ich bin
stark. Das gefällt Gott nicht. Ich muss schwächer werden.“
oder: „Ich habe Geld. Das gefällt Gott nicht. Ich muss
es verschenken.“ Das wäre nicht Evangelium. Da würde
man die Bibel zum nassen Waschlappen machen, den man anderen um die
Ohren haut.
Und doch ist da die Lebenserfahrung: Wenn jemand viele Gaben hat und
auch Erfolg, ist der Weg zum Stolz oft leichter als der Weg zur Dankbarkeit.
Es ist schön, wenn jemand weise ist. Und es ist auch keine Schande.
Es ist schön, wenn jemand stark ist. Und es ist auch keine Schande.
Es ist schön, wenn jemand reich ist. Und es ist auch keine Schande.
Vor dem Rühmen wird gewarnt. „Sich rühmen“ meint
hier: Mehr als stolz sein auf das, was man geschafft hat. Es vor lauter
Stolz als eigenes Verdienst anschauen. Sich anderen gegenüber
herausheben. Nicht wahrhaben wollen, wie viel im Leben unverdientes
Geschenk ist. Und vor allem: Gott darüber vergessen.
Vieles ist Geschenk
22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner
Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein
Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Weise zu sein und weiser zu werden, ist keine Schande. Bewusst leben,
Lebenserfahrungen sammeln. Wissen mehren. Die Welt immer tiefer verstehen.
Aber auch bedenken: Wie viel davon ist durch die Vererbung Geschenk
von Eltern und Großeltern? Und wie viel davon ist Verdienst
von Lehrern und Ratgebern, die einem einen Weg gebahnt und einen gefördert
haben?
Und das andere, was in dem Jeremiawort mitschwingt: Kann man auf Weisheit
sein Leben bauen? Macht sie glücklich? Man könnte ja durchaus
auch zum schrulligen Erfinder, zum abgehobenen Künstler oder
lebensfremden Einzelgänger werden.
Stark zu sein und stärker zu werden, ist keine Schande. Seinen
Körper trainieren. sich nicht hängen lassen. Gesund leben.
Nur: Stärke ist mehr als Körperkraft und Muskeln. Ein Kraftmensch
und ein starker Mensch sind zwei paar Schuhe. Was bringt's, wenn körperliche
Stärke nicht mit seelischer Stärke und Charakterstärke
verbunden sind?
Und: Wessen Verdienst ist es denn, dass jemand gesund auf die Welt
gekommen ist und nicht schon als Säugling oder Kind dem Tod preisgegeben
war?
Und auch wieder die Frage des Jeremia: Kann man auf Kraft sein Leben
bauen? Trägt sie bis ins Alter? Macht sie glücklich?
Und das dritte: Reich sein ist keine Schande. Mit der eigenen Hände
Arbeit, mit der Kraft des Geistes oder auch mit der Arbeit seines
Geldes auf ehrliche Weise reich werden. Sich selbst versorgen und
anderen nicht auf der Tasche liegen. Den Nachkommenden einen Weg bahnen.
Aber: Wessen Verdienst ist es denn, hier in Deutschland und nicht
in Eritrea oder Äthiopien oder dem Niger oder sonst wo geboren
zu sein?
Und noch einmal die Frage des Jeremia: Kann man darauf bauen? Was
ist, wenn bei allem Reichtum die Gesundheit fehlt oder die Zufriedenheit?
Wenn auf der Höhe des Erfolgs die vernachlässigte Ehefrau
davonläuft, die Intrigen der Neider wachsen oder eine schwere
Krankheit einen Strich durch die Rechnung macht?
Wenn ich die Gabe hätte für Karikaturen, würde ich
vielleicht zeichnen: „Auf diese Steine können sie bauen.“
Und statt der bekannten vier roten Steine vielleicht vier schöne
schwarze Geldkoffer. Und obendrauf einer, der merkt, wie der Boden
langsam wackelig wird.
Und für das Bauen auf Kraft und auf Weisheit würde mir vielleicht
auch etwas einfallen. Aber das überlasse ich Ihrer Phantasie.
Jeder, was er selber gut kann ...
Soli Deo Gloria
22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner
Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein
Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. 23 Sondern wer sich
rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und
mich kenne, dass ich der HERR bin.
„Soli Deo Gloria“. So schrieb Joh. Seb. Bach unter viele
seiner Werke. Allein Gott gebührt die Ehre. Seine Musik ist nicht
zum Lob der Menschen da, sondern zur höheren Ehre Gottes. Der
eigentliche Grund zum Rühmen, die eigentliche Klugheit ist, zu
erkennen, dass nicht ich der Herr bin, sondern dass Gott der Herr
ist. Ich soll fein säuberlich unterscheiden lernen und demütig
anerkennen, was ich aus eigener Kraft kann, und was ich mir nur schenken
lassen kann, was mir in die Wiege gelegt wurde.
Und wie als Antwort auf die Fragen vorhin: Kann man auf Klugheit bauen?
Kann man auf Kraft bauen? Kann man auf Reichtum bauen? Der, der weiß,
wer der Herr ist, der weiß, worauf er mit Sicherheit bauen kann.
Ein politischer Text
... wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass
ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt
auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
In diesen Worten wird deutlich, dass es hier weniger um den einzelnen
Menschen als um eine ganze Gesellschaft geht. Ein politischer Text
ist es, den man auch mit Recht politisch predigen könnte.
Damals hat der Prophet Jeremia die Großen seiner Zeit gewarnt:
Die politischen Ratgeber am Jerusalemer Königshof, sie waren
klug. Die militärischen Führer, sie waren stark. Und die
königliche und die adelige Oberschicht, sie waren reich. Aber
sie waren klug und stark und reich auf Kosten des Volkes. Deswegen
stellt er der Weisheit, der Stärke und dem Reichtum bewusst die
Barmherzigkeit, das Recht und die Gerechtigkeit gegenüber:
Eine Gesellschaft, die auf sich stolz sein will, soll sich nicht so
sehr ihrer Klugheit, ihrer Forschung, ihres technischen Fortschritts
rühmen, die soll sich nicht ihrer Stärke, ihrer Wehrfähigkeit
und ihrer Waffentechnik rühmen, die soll sich nicht ihres Reichtum,
ihres Bruttosozialprodukts und ihrer Inflationsrate rühmen, sondern
sie soll schauen, ob sie auch stolz sein kann auf die soziale Gerechtigkeit
oder auf den Anteil der Entwicklungshilfe an ihren Gesamthaushalt.
Gott hat nichts gegen Klugheit, gegen Technik und Fortschritt. Aber:
Was hilft alle Klugheit, wenn sie unbarmherzig macht oder wenn sie
sich als Schöpfergott aufspielt?
Gott hat nichts gegen Stärke. Aber: Was hilft alle Stärke,
wenn sie sich über das Recht setzt?
Gott hat nichts gegen Reichtum. Aber: Was hilft aller Reichtum, wenn
er ungerechte Verhältnisse schafft und unterstützt?
Von der Dankbarkeit
Es wäre nun ein Leichtes, sich an den Politikern, „denen
da oben“, schadlos zu halten. Da kann man auch auf der Kanzel
schnell Lob und Kopfnicken ernten. Doch sie sind nicht da. Sie können
nicht zuhören und sie können sich nicht verteidigen.
Deswegen will ich nicht anderen, sondern uns etwas ins Stammbuch schreiben,
nämlich einen Aufruf zur Dankbarkeit für das, was uns ohne
unser Zutun geschenkt wird:
Schön, wenn jemand Weisheit hat. Er sei Gott dafür dankbar.
Soli Deo Gloria.
Schön, wenn jemand Stärke hat. Er sei Gott dafür dankbar.
Soli Deo Gloria.
Schön, wenn jemand sich keine Sorgen um seinen Lebensunterhalt
machen muss. Er sei Gott dafür dankbar. Soli Deo Gloria.
Amen |
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