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Die Predigt vom 12. Februar 2006 (Septuagesimä):
»Soli deo gloria«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag vor der Passionszeit (Septuagesimä). Sein Thema ist die unverdiente Gnade. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg und Epistel (2. Lesung) das Gleichnis vom Leben als Lauf in der Arena. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) waren Worte aus dem Propheten Jeremia Kapitel 9:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. 23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
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Die Predigt
Notabene: Wegen der Teilnahme der Hochschule für Kirchenmusik am Gottesdienst war das Thema „Soli Deo Gloria“ im Gottesdienst schon angeklungen.

Leben ist Geschenk


Im normalen Leben wird es einem oft gar nicht bewusst, dass der Mensch überhaupt unendlich viel mehr empfängt, als er gibt, und dass Dankbarkeit das Leben erst reich macht. Man überschätzt recht leicht das eigene Wirken und Tun in seiner Wichtigkeit gegenüber dem, was man nur durch andere geworden ist.

So schrieb Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis. Wir können es nachlesen im Gesangbuch auf S. 593.

(Text wiederholen.) „Im normalen Leben“ war er damals nicht, sondern gefangen genommen mit unsicherem Ausgang. Auf sich selber geworfen in der Einzelhaft. Mit viel Zeit zum Nachdenken über den Gang seines Lebens. Und dann u.a. diese beiden Bekenntnisse: Man empfängt in seinem Leben mehr, als man gibt. Und: Was man geworden ist, ist man mehr durch andere geworden als durch eigene Leistung.

Von der Gefahr des Stolzes

Leben ist Geschenk, nicht Verdienst. Genau das ist das Thema des heutigen Sonntags. Und es ist auch das Thema des Predigttextes. Gotteswort aus dem Buch des Propheten Jeremia Kapitel 9:

22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. 23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Mit diesen Worten werden nicht die Weisheit, die Stärke und der Reichtum an sich abgelehnt. Sie sollen heute nicht aus der Kirche gehen und gesenkten Kopfes sagen: „Ich bin klug. Das gefällt Gott nicht. Ich muss dümmer werden.“ Oder: „Ich bin stark. Das gefällt Gott nicht. Ich muss schwächer werden.“ oder: „Ich habe Geld. Das gefällt Gott nicht. Ich muss es verschenken.“ Das wäre nicht Evangelium. Da würde man die Bibel zum nassen Waschlappen machen, den man anderen um die Ohren haut.

Und doch ist da die Lebenserfahrung: Wenn jemand viele Gaben hat und auch Erfolg, ist der Weg zum Stolz oft leichter als der Weg zur Dankbarkeit.
Es ist schön, wenn jemand weise ist. Und es ist auch keine Schande. Es ist schön, wenn jemand stark ist. Und es ist auch keine Schande. Es ist schön, wenn jemand reich ist. Und es ist auch keine Schande.
Vor dem Rühmen wird gewarnt. „Sich rühmen“ meint hier: Mehr als stolz sein auf das, was man geschafft hat. Es vor lauter Stolz als eigenes Verdienst anschauen. Sich anderen gegenüber herausheben. Nicht wahrhaben wollen, wie viel im Leben unverdientes Geschenk ist. Und vor allem: Gott darüber vergessen.

Vieles ist Geschenk

22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Weise zu sein und weiser zu werden, ist keine Schande. Bewusst leben, Lebenserfahrungen sammeln. Wissen mehren. Die Welt immer tiefer verstehen.
Aber auch bedenken: Wie viel davon ist durch die Vererbung Geschenk von Eltern und Großeltern? Und wie viel davon ist Verdienst von Lehrern und Ratgebern, die einem einen Weg gebahnt und einen gefördert haben?
Und das andere, was in dem Jeremiawort mitschwingt: Kann man auf Weisheit sein Leben bauen? Macht sie glücklich? Man könnte ja durchaus auch zum schrulligen Erfinder, zum abgehobenen Künstler oder lebensfremden Einzelgänger werden.

Stark zu sein und stärker zu werden, ist keine Schande. Seinen Körper trainieren. sich nicht hängen lassen. Gesund leben.
Nur: Stärke ist mehr als Körperkraft und Muskeln. Ein Kraftmensch und ein starker Mensch sind zwei paar Schuhe. Was bringt's, wenn körperliche Stärke nicht mit seelischer Stärke und Charakterstärke verbunden sind?
Und: Wessen Verdienst ist es denn, dass jemand gesund auf die Welt gekommen ist und nicht schon als Säugling oder Kind dem Tod preisgegeben war?
Und auch wieder die Frage des Jeremia: Kann man auf Kraft sein Leben bauen? Trägt sie bis ins Alter? Macht sie glücklich?

Und das dritte: Reich sein ist keine Schande. Mit der eigenen Hände Arbeit, mit der Kraft des Geistes oder auch mit der Arbeit seines Geldes auf ehrliche Weise reich werden. Sich selbst versorgen und anderen nicht auf der Tasche liegen. Den Nachkommenden einen Weg bahnen.
Aber: Wessen Verdienst ist es denn, hier in Deutschland und nicht in Eritrea oder Äthiopien oder dem Niger oder sonst wo geboren zu sein?
Und noch einmal die Frage des Jeremia: Kann man darauf bauen? Was ist, wenn bei allem Reichtum die Gesundheit fehlt oder die Zufriedenheit? Wenn auf der Höhe des Erfolgs die vernachlässigte Ehefrau davonläuft, die Intrigen der Neider wachsen oder eine schwere Krankheit einen Strich durch die Rechnung macht?

Wenn ich die Gabe hätte für Karikaturen, würde ich vielleicht zeichnen: „Auf diese Steine können sie bauen.“ Und statt der bekannten vier roten Steine vielleicht vier schöne schwarze Geldkoffer. Und obendrauf einer, der merkt, wie der Boden langsam wackelig wird.
Und für das Bauen auf Kraft und auf Weisheit würde mir vielleicht auch etwas einfallen. Aber das überlasse ich Ihrer Phantasie. Jeder, was er selber gut kann ...

Soli Deo Gloria

22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. 23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin.

„Soli Deo Gloria“. So schrieb Joh. Seb. Bach unter viele seiner Werke. Allein Gott gebührt die Ehre. Seine Musik ist nicht zum Lob der Menschen da, sondern zur höheren Ehre Gottes. Der eigentliche Grund zum Rühmen, die eigentliche Klugheit ist, zu erkennen, dass nicht ich der Herr bin, sondern dass Gott der Herr ist. Ich soll fein säuberlich unterscheiden lernen und demütig anerkennen, was ich aus eigener Kraft kann, und was ich mir nur schenken lassen kann, was mir in die Wiege gelegt wurde.
Und wie als Antwort auf die Fragen vorhin: Kann man auf Klugheit bauen? Kann man auf Kraft bauen? Kann man auf Reichtum bauen? Der, der weiß, wer der Herr ist, der weiß, worauf er mit Sicherheit bauen kann.

Ein politischer Text

... wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
In diesen Worten wird deutlich, dass es hier weniger um den einzelnen Menschen als um eine ganze Gesellschaft geht. Ein politischer Text ist es, den man auch mit Recht politisch predigen könnte.
Damals hat der Prophet Jeremia die Großen seiner Zeit gewarnt: Die politischen Ratgeber am Jerusalemer Königshof, sie waren klug. Die militärischen Führer, sie waren stark. Und die königliche und die adelige Oberschicht, sie waren reich. Aber sie waren klug und stark und reich auf Kosten des Volkes. Deswegen stellt er der Weisheit, der Stärke und dem Reichtum bewusst die Barmherzigkeit, das Recht und die Gerechtigkeit gegenüber:

Eine Gesellschaft, die auf sich stolz sein will, soll sich nicht so sehr ihrer Klugheit, ihrer Forschung, ihres technischen Fortschritts rühmen, die soll sich nicht ihrer Stärke, ihrer Wehrfähigkeit und ihrer Waffentechnik rühmen, die soll sich nicht ihres Reichtum, ihres Bruttosozialprodukts und ihrer Inflationsrate rühmen, sondern sie soll schauen, ob sie auch stolz sein kann auf die soziale Gerechtigkeit oder auf den Anteil der Entwicklungshilfe an ihren Gesamthaushalt.

Gott hat nichts gegen Klugheit, gegen Technik und Fortschritt. Aber: Was hilft alle Klugheit, wenn sie unbarmherzig macht oder wenn sie sich als Schöpfergott aufspielt?
Gott hat nichts gegen Stärke. Aber: Was hilft alle Stärke, wenn sie sich über das Recht setzt?
Gott hat nichts gegen Reichtum. Aber: Was hilft aller Reichtum, wenn er ungerechte Verhältnisse schafft und unterstützt?

Von der Dankbarkeit

Es wäre nun ein Leichtes, sich an den Politikern, „denen da oben“, schadlos zu halten. Da kann man auch auf der Kanzel schnell Lob und Kopfnicken ernten. Doch sie sind nicht da. Sie können nicht zuhören und sie können sich nicht verteidigen.

Deswegen will ich nicht anderen, sondern uns etwas ins Stammbuch schreiben, nämlich einen Aufruf zur Dankbarkeit für das, was uns ohne unser Zutun geschenkt wird:
Schön, wenn jemand Weisheit hat. Er sei Gott dafür dankbar. Soli Deo Gloria.
Schön, wenn jemand Stärke hat. Er sei Gott dafür dankbar. Soli Deo Gloria.
Schön, wenn jemand sich keine Sorgen um seinen Lebensunterhalt machen muss. Er sei Gott dafür dankbar. Soli Deo Gloria.
Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de