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Die Predigt vom 19. März 2000: »Ein kleiner Rabe wie du und ich«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise

  Die Evangelische Kirche beging am Sonntag den 2. Sonntag der Passionszeit Reminiscere („Gedenke, Herr ...“). Unabhängig davon feierte die Gemeinde einen Familiengottesdienst zusammen mit den Kindern und dem Team des Kindergartens.

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  Gespielt wurde die Erzählung von Tao, dem kleinen Raben, der ein Goldstück findet, und sich dadurch in seinem Wesen verändert. Lesetext dazu, wenn auch nicht direkt Predigttext, war ein Abschnitt aus dem Markusevangelium Kapitel 10:

17 Als Jesus weitergehen wollte, kam ein Mann zu ihm gelaufen, warf sich vor ihm auf die Knie und fragte: »Guter Lehrer, was muß ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?« 18 Jesus antwortete: »Warum nennst du mich gut? Nur einer ist gut: Gott! 19 Und seine Gebote kennst du doch: Du sollst nicht morden, nicht die Ehe brechen, nicht stehlen, nichts Unwahres über deinen Mitmenschen sagen, niemand berauben; ehre deinen Vater und deine Mutter!« 20 »Lehrer«, erwiderte der Mann, »diese Gebote habe ich von Jugend an alle befolgt.« 21 Jesus sah ihn an; er gewann ihn lieb und sagte zu ihm: »Eines fehlt dir: Geh, verkauf alles, was du hast, und gib das Geld den Armen, so wirst du bei Gott einen unverlierbaren Besitz haben. Und dann komm und folge mir!« 22 Der Mann war enttäuscht über das, was Jesus ihm sagte, und ging traurig weg; denn er hatte großen Besitz.

Dazu gehörte folgende Kurzpredigt:

Predigt

  Wo ein Mensch Vertrauen gibt

"Wo ein Mensch Vertrauen gibt." haben wir vorhin nach dem Spiel der Kinder gesungen. Das Lied habe ich ausgewählt, weil ich meine, es hätte viel mit dieser Geschichte zu tun. Tao war ein kleiner Rabe wie du und ich. Und er hat Dinge erlebt, die du und ich erleben können. Er hat erlebt, wie das ist, wenn sich jemand von einer Sache blenden läßt und dann nichts anderes mehr sehen kann.

Wenn jemand nur an sich selber denkt

1. Wo ein Mensch Vertrauen gibt, nicht nur an sich selber denkt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht.

Der kleine Tao, ein ganz normaler Rabe wie du und ich. Er findet ein Goldstück. Und plötzlich ist er nicht mehr derselbe. Er kennt sich nicht mehr, und die anderen kennen ihn nicht mehr. Er ist reich. Er läßt sich blenden. Er sieht nur noch das eine. Er sieht nichts mehr und niemanden mehr um sich herum. Er denkt nur noch an sich selbst. "Ich, ich, ich." "Haben, haben, haben." Tao ist reich, aber er ist auch einsam. Er hat keinen Freund mehr. Die könnten ihm ja sein Goldstück wegnehmen. Er muß auf seinen schweren Schatz aufpassen. Er kann ihn nicht mitnehmen in die Luft. Er vergißt er das Fliegen. Stellt euch vor: Ein Vogel, der das Fliegen vergißt! Ein Mensch, der das Leben vergißt. Wie sagt das Lied: Das ist ein Leben wie eine Wüste. Wie ein Garten, dem das Wasser fehlt.

Loslassen können

3. Wo ein Mensch sich selbst verschenkt und den alten Weg verläßt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht.

Gott sei Dank! Tao merkt, wie es um ihn steht. Gott sei Dank! Er kann Hilfe annehmen. Doch: Den alten Weg verlassen, ist schwer. Umkehren, anders werden, das kostet etwas. Sein Gold, seinen ganzen Schatz soll er bei der weisen Eule lassen. Sie hat entdeckt, was sein Problem ist. Er wird erst dann wieder auf einen anderen Weg finden, er wird erst dann wieder Augen für andere bekommen, wenn ihn sein Schatz nicht mehr hindert. Schweren Herzens läßt Tao los. Und siehe, indem er losläßt, wird der nicht ärmer, wie er glaubt. Er wird reicher. Er findet einen anderen Schatz: Er findet Ruhe. Was das für ein Schatz ist, viele mehr wert als Geld, das weiß, wer Unruhe und schlaflose Nächte kennt. Aber wer weiß, wieviele schlaflose Nächte bei Kleinen und bei Großen damit zu tun haben: Sie können etwas nicht loslassen. Sie können etwas nicht hergeben. Und sie können es auch im Schlaf nicht. Tao ist verwandelt: Gefühllos hatte ihn sein Schatz gemacht. Jetzt fühlt er wieder etwas.

Wieder Augen und Ohren für andere bekommen

2. Wo ein Mensch den andern sieht, nicht nur sich und seine Welt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht.

In seiner kleinen Welt war Tao eingesperrt. Taub für andere ist er gewesen. Jetzt hört er wieder. Nichts und niemanden konnte er mehr riechen. Jetzt riecht er wieder. Für nichts anderes hatte er Augen. Gefesselt war er. Jetzt sieht er wieder.

3. Wo ein Mensch sich selbst verschenkt und den alten Weg verläßt, fällt ein Tropfen von dem Regen, der aus Wüsten Gärten macht.

Jetzt, wo Tao wieder mit sich selbst im Reinen ist, kann er auch für andere da sein: Er verschenkt sich: Er verschenkt Freude. Er hilft. Er liebt und wird geliebt. Und siehe da: Er kann wieder fliegen. Er hat wieder leben gelernt. Zuletzt bekommt er sein Goldstück wieder. Und siehe: Er kann bleiben, wie er ist. Er läßt sich nicht mehr blenden. Geld muß nicht gefühllos machen.

Vom Umgang mit dem Geld

Also: Wer Geld oder einen anderen Schatz hat, muß heute nicht mit schlechtem Gewissen nach Hause gehen. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. "Woran du dein Herz hängst, und worauf du dich verläßt, das ist eigentlich dein Gott." So sagt Luther im Großen Katechismus. Das ist auch ein Sinn der Fastenzeit, in der wir stehen: Einmal etwas loslassen, um zu spüren, ob man überhaupt noch loslassen kann. Einmal etwas loslassen, um dadurch vielleicht etwas ganz Anderes, etwas ganz Neues zu entdecken. Loslassen und Gott finden. Loslassen und sich selbst finden. Loslassen und wieder leben. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de