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Die Predigt |
Paulus
im Gefängnis
Die Biographie von Walter Habdank (1930-2001) und einige seiner Werke
sind unter http://www.habdank-walter.de/
zu finden. Der Holzschnitt „Paulus im Gefängnis“
ist nicht darunter, findet sich im Netz aber unter http://www.phil.uni-sb.de/fr/kath_theologie/paulgef.gif
"Der Apostel Paulus im Gefängnis." Ein Holzschnitt
des bayerischen Künstlers Walter Habdank. In vielen Kirchen hängen
Werke von ihm. In Bayreuth hat er das Innere der Friedenskirche gestaltet.
Vor knapp 5 Jahren ist er gestorben.
Paulus im Gefängnis. Folgende Zeilen schreibt er den besorgten
Gemeindegliedern in Philippi. Es sind Zeilen, die uns einen Blick
in sein Inneres tun lassen: (Text siehe oben)
Im Gefängnis, aber nicht gebeugt
Dieser Holzschnitt ist nach meinem Empfinden ganz diesem Abschnitt
nachempfunden: Wir sehen den Apostel Paulus in seinem Kerker. Im Hintergrund
das Gitter, das ihn von der Außenwelt trennt. Er sitzt auf einem
Klotz. Die Beine in Eisen und aneinandergekettet. In seiner Bewegung
eingeschränkt.
Schmal und ausgemergelt ist er durch die vielen Mühen auf seinen
Reisen von Gemeinde zu Gemeinde. Aber dennoch: Er sitzt aufrecht.
Er ist kein gebrochener Mann. Sein Rückgrat ist nicht gebeugt.
Vertrauen und Zuversicht strahlt er aus. Nicht resignierend nach innen
geht sein Blick. Die Augen sind erhoben. Der Blick geht nach draußen.
Er wird die Sonne wieder sehen. Die Sonne draußen wird zum Zeichen
der Lebenshoffnung.
Eine ruhige Gewissheit liegt in seinen Augen. Man könnte meinen,
sein Blick sei auf Jesus Christus gerichtet, der ihm damals vor Damaskus
begegnet ist. Auf diesen Jesus, der selber das Leiden erlebt hat,
verlässt er sich zuversichtlich und gewinnt seinem Leiden einen
Sinn ab. Versteckt ist Jesus in diesem Bild anwesend: Denn versteckt
findet sich auf den Bildern Walter Habdanks fast immer das Kreuz.
Hier sind es gleich drei: drei Kreuze, die von den Gitterstäben
gebildet werden.
So sitzt Paulus hier in der Ungewissheit, die Verurteilung vor Augen.
Doch seine Gedanken sind woanders: Zum einen bei Christus, seinem
Herrn. Zum anderen bei seinen Gemeindegliedern: Den Schreibstift für
den Brief hat er immer noch in seiner rechten Hand.
Paulus, ein ganz untypischer Gefangener. Für sein Leben und Denken
will ich Ihnen ein wenig die Augen öffnen: wie er seinem Leiden
einen Sinn abgewinnt. Und ich will versuchen, es in unsere Zeit zu
übertragen.
Die Umstände des Gefängnisaufenthaltes
Die Umstände sind schnell erzählt: Die Gemeindeglieder in
Philippi, der Lieblingsgemeinde des Paulus, machen sich Sorgen um
sein Ergehen im Gefängnis. Wie stehen die Aktien, was dein Urteil
betrifft? Wie geht es dir?
Und Paulus dazu kurz und bündig: Es geht mir gut, weil es dem
Evangelium gut geht. Es geht mir gut, weil wider Erwarten die Botschaft
von Jesus weiterläuft. Paulus ist geradezu stolz auf seine Gefangenschaft,
denn er ist nicht als Krimineller eingesperrt, sondern seines Glaubens
wegen. Das bringt ihm Sympathien sogar bei der römischen Wachmannschaft
ein. Die Befürchtungen der Philipper, dass durch seine Gefangennahme
die Ausbreitung des Evangeliums zum Erliegen kommen könnte, haben
sich überraschend nicht erfüllt. Ja, Paulus hat nun sogar
die Gelegenheit, mit Menschen über Gott zu reden, denen er sonst
nie begegnet wäre. Und noch eins: Die Christen in der Stadt haben
durch sein Schicksal noch mehr Mut bekommen, öffentlich von ihrem
Glauben zu reden.
Wozu? Und nicht: Warum?
Ein ganz untypischer Gefangener ist Paulus dadurch: Eingesperrt in
die kleine Zelle kreisen seine Gedanken nicht um sein eigenes Schicksal.
Er grübelt nicht. Er hadert nicht. Er ist nicht verbittert. Er
ist nicht einmal stolz, was er alles für Christus erleiden muss.
Paulus hat die Kraft und die Größe, von sich wegzusehen.
Er sucht das Gute und den Sinn in seiner Lage. Er fragt nicht: Warum
gerade ich? Ich habe doch nichts getan. Er fragt: Wozu? Wozu ist es
gut? Und seine Antwort: Das Evangelium läuft wie noch nie.
Was können wir von Paulus lernen? Wir in unseren Gefängnissen,
die da heißen: Alter, Krankheit, Misserfolg, Verlust, Unzufriedenheit
und was es sonst noch gibt? Wir werden eingeladen, nicht bitter zu
werden. Wir werden eingeladen, nicht zu fragen: Warum gerade ich?
Sondern: Wozu ist es gut? Wir werden eingeladen, auch den negativen
Erfahrungen einen Sinn abzugewinnen. Will mich mein Alter vielleicht
gelassener machen? Will mich meine Krankheit vielleicht auf den Raubbau
an meinem Körper aufmerksam machen? Will mich ein Misserfolg
auf das eigentlich Wichtige hinweisen?
Einander den Erfolg gönnen
Ein ganz untypischer Gefangener ist Paulus. Er kann es sogar ertragen,
wenn andere aus seinem Ergehen Nutzen ziehen. Wer den Schaden hat,
braucht für den Spott nicht zu sorgen, heißt es so schön:
Die, die sich als Konkurrenten des Paulus verstanden haben bei der
Verkündigung des Evangeliums, die freuen sich nun diebisch, dass
er aus dem Verkehr gezogen ist. Nun kommen sie selber auch einmal
zum Zug, nachdem sie bisher immer in seinem Schatten standen. Nun
kommen sie groß heraus. Auf seine Kosten machen sie sich einen
Namen.
Und was sagt Paulus dazu? Hauptsache, sie verkündigen Christus,
mögen ihre Motive noch so eigennützig sein.
Die Weise, wie Paulus seine eigene Person gegenüber der Aufgabe
in den Hintergrund stellt, beschämt mich. Wie schwer fällt
es uns, den Erfolg anderer gelassen und dankbar hinzunehmen. Da neidet
der eine Pfarrer dem anderen seine Beliebtheit oder die Zahl seiner
Predigthörer, der eine Arzt dem anderen seine Patientenzahlen,
der eine Nachbar dem anderen die Größe seines Autos ...
Leiden ist kein Zeichen der Ferne Gottes
Ein ganz untypischer Gefangener ist Paulus. Er kann trotz seiner Gefangenschaft,
trotz seines Leidens zuversichtlich in die Zukunft schauen. Alles
ist unsicher. Die Todesstrafe liegt im Bereich des Möglichen.
Und er sagt: Es wird alles gut hinausgehen. Es wird gut hinausgehen
durch die Gebete der Gemeindeglieder und durch die Kraft des Heiligen
Geistes. Ganz egal, wie es ausgeht, sagt er, Hauptsache, Christus
wird verherrlicht; Hauptsache, Gott wird bekannt. Dass er leiden muss,
ist für Paulus gerade kein Zeichen der Abwesenheit und Ferne
Gottes. Das Leiden ist kein Beweis gegen Gott. Auch und gerade in
seiner Situation ist Gott da.
Ich denke an Menschen im Krankenhaus; an Menschen, die vor einer schweren
Operation stehen; an Menschen vor einer schweren Aufgabe. Sie alle
fragen bang: Wie wird es hinausgehen? Was wird draus werden?
Dem Paulus haben die Gebete der anderen geholfen. Er wusste: Andere
denken an mich in ihrem Gebet. Andere rufen für mich zu Gott.
Das weiß ich auch von Menschen unter Ihnen, dass sie sich in
einer solchen Situation mit unsicherem Ausgang von den Gebeten anderer
getragen wussten und wissen. Und mancher bittet im Krankenhaus: „Herr
Pfarrer, beten Sie für mich.“ Oder wenn sie es nicht ganz
so offen ausdrücken wollen: „Herr Pfarrer, denken Sie an
mich.“
Egal, wie es hinausgehen mag
Und nun der Höhepunkt in der Zuversicht des Paulus, dieses ganz
und gar untypischen Gefangenen: Es geht auf jeden Fall gut hinaus
– auch wenn es ans Sterben geht. Auch der nach menschlichem
Ermessen schlimmste Ausgang ist für ihn ein guter Ausgang. Er
meint das so: Bleibt er am Leben, ist es gut. Dann kann er weiter
das Evangelium verkündigen und damit für Jesus und auch
für seine Gemeinde da sein. Wird er zum Tode verurteilt, ist
es auch gut. Dann kommt er direkt zu seinem Herrn. Nirgends würde
es ihm besser gehen als in seiner Nähe. Von Jesus her gesehen
hat sowohl sein Leben als auch sein Sterben einen Sinn. "Christus,
der ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn." An Jesus Christus
zu glauben, bedeutet wirkliches und echtes Leben zu haben. Im Glauben
an ihn zu sterben, heißt, umso mehr zu leben.
Paulus korrigiert dadurch unseren Wortschatz: Leben heißt für
uns körperlich lebendig sein. Sterben heißt für uns
körperlich tot sein. Und das eine ist das absolute Gegenteil
des anderen.
Für Paulus aber bedeutet leben: bei Gott aufgehoben sein, in
seiner Hand stehen. Und das gilt sowohl im Leben als auch im Tod.
Diese Art von Leben kann nicht einmal der Tod wegnehmen, sondern durch
den Tod kommt das eigentliche Leben erst.
Dafür könnte Paulus, der so zuversichtlich in seinem Gefängnis
sitzt, auch uns den Blick weiten: Mit Gott können auch die tiefsten
Tiefen des Lebens einen Sinn gewinnen. Von Gott her gesehen ist alles
zu etwas gut. „Ich glaube aber, dass denen die Gott lieben,
alle Dinge zum besten dienen.“ So sagt er. Gott öffne uns
die Augen dafür in unserem ganz persönlichen Schicksal.
Amen |
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