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predigt[e].de

Die Predigt vom 26. März 2006 (Lätare):
»Wozu? Nicht: Warum?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 4. Sonntag der Passionszeit mit Namen Lätare („Freut euch“). Sein Thema ist das Geheimnis, dass man neues Leben und neue Perspektiven manchmal erst durch Leiden hindurch findet. Im Evangelium erzählt Jesus das Gleichnis vom Weizenkorn. In der Epistel redet Paulus von der Solidarität, die das Leiden herausfordert. Im Predigttext aus dem 1. Kapitel des Briefs an die Philipper erzählt er aus dem Gefängnis heraus von seiner Zuversicht, egal, wie die Zukunft für ihn ausgehen wird:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
12 Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten. 13 Denn dass ich meine Fesseln für Christus trage, das ist im ganzen Prätorium und bei allen andern offenbar geworden, 14 und die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind um so kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu. 15 Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: 16 diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; 17 jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. 18 Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; 19 denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi, 20 wie ich sehnlich warte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. 21 Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. 22 Wenn ich aber weiterleben soll im Fleisch, so dient mir das dazu, mehr Frucht zu schaffen; und so weiß ich nicht, was ich wählen soll. 23 Denn es setzt mir beides hart zu: ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre; 24 aber es ist nötiger, im Fleisch zu bleiben, um euretwillen. 25 Und in solcher Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen sein werde, euch zur Förderung und zur Freude im Glauben.
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Die Predigt
Paulus im Gefängnis

Die Biographie von Walter Habdank (1930-2001) und einige seiner Werke sind unter http://www.habdank-walter.de/ zu finden. Der Holzschnitt „Paulus im Gefängnis“ ist nicht darunter, findet sich im Netz aber unter http://www.phil.uni-sb.de/fr/kath_theologie/paulgef.gif

"Der Apostel Paulus im Gefängnis." Ein Holzschnitt des bayerischen Künstlers Walter Habdank. In vielen Kirchen hängen Werke von ihm. In Bayreuth hat er das Innere der Friedenskirche gestaltet. Vor knapp 5 Jahren ist er gestorben.
Paulus im Gefängnis. Folgende Zeilen schreibt er den besorgten Gemeindegliedern in Philippi. Es sind Zeilen, die uns einen Blick in sein Inneres tun lassen: (Text siehe oben)

Im Gefängnis, aber nicht gebeugt

Dieser Holzschnitt ist nach meinem Empfinden ganz diesem Abschnitt nachempfunden: Wir sehen den Apostel Paulus in seinem Kerker. Im Hintergrund das Gitter, das ihn von der Außenwelt trennt. Er sitzt auf einem Klotz. Die Beine in Eisen und aneinandergekettet. In seiner Bewegung eingeschränkt.
Schmal und ausgemergelt ist er durch die vielen Mühen auf seinen Reisen von Gemeinde zu Gemeinde. Aber dennoch: Er sitzt aufrecht. Er ist kein gebrochener Mann. Sein Rückgrat ist nicht gebeugt. Vertrauen und Zuversicht strahlt er aus. Nicht resignierend nach innen geht sein Blick. Die Augen sind erhoben. Der Blick geht nach draußen. Er wird die Sonne wieder sehen. Die Sonne draußen wird zum Zeichen der Lebenshoffnung.
Eine ruhige Gewissheit liegt in seinen Augen. Man könnte meinen, sein Blick sei auf Jesus Christus gerichtet, der ihm damals vor Damaskus begegnet ist. Auf diesen Jesus, der selber das Leiden erlebt hat, verlässt er sich zuversichtlich und gewinnt seinem Leiden einen Sinn ab. Versteckt ist Jesus in diesem Bild anwesend: Denn versteckt findet sich auf den Bildern Walter Habdanks fast immer das Kreuz. Hier sind es gleich drei: drei Kreuze, die von den Gitterstäben gebildet werden.
So sitzt Paulus hier in der Ungewissheit, die Verurteilung vor Augen. Doch seine Gedanken sind woanders: Zum einen bei Christus, seinem Herrn. Zum anderen bei seinen Gemeindegliedern: Den Schreibstift für den Brief hat er immer noch in seiner rechten Hand.
Paulus, ein ganz untypischer Gefangener. Für sein Leben und Denken will ich Ihnen ein wenig die Augen öffnen: wie er seinem Leiden einen Sinn abgewinnt. Und ich will versuchen, es in unsere Zeit zu übertragen.

Die Umstände des Gefängnisaufenthaltes

Die Umstände sind schnell erzählt: Die Gemeindeglieder in Philippi, der Lieblingsgemeinde des Paulus, machen sich Sorgen um sein Ergehen im Gefängnis. Wie stehen die Aktien, was dein Urteil betrifft? Wie geht es dir?
Und Paulus dazu kurz und bündig: Es geht mir gut, weil es dem Evangelium gut geht. Es geht mir gut, weil wider Erwarten die Botschaft von Jesus weiterläuft. Paulus ist geradezu stolz auf seine Gefangenschaft, denn er ist nicht als Krimineller eingesperrt, sondern seines Glaubens wegen. Das bringt ihm Sympathien sogar bei der römischen Wachmannschaft ein. Die Befürchtungen der Philipper, dass durch seine Gefangennahme die Ausbreitung des Evangeliums zum Erliegen kommen könnte, haben sich überraschend nicht erfüllt. Ja, Paulus hat nun sogar die Gelegenheit, mit Menschen über Gott zu reden, denen er sonst nie begegnet wäre. Und noch eins: Die Christen in der Stadt haben durch sein Schicksal noch mehr Mut bekommen, öffentlich von ihrem Glauben zu reden.

Wozu? Und nicht: Warum?

Ein ganz untypischer Gefangener ist Paulus dadurch: Eingesperrt in die kleine Zelle kreisen seine Gedanken nicht um sein eigenes Schicksal. Er grübelt nicht. Er hadert nicht. Er ist nicht verbittert. Er ist nicht einmal stolz, was er alles für Christus erleiden muss.
Paulus hat die Kraft und die Größe, von sich wegzusehen. Er sucht das Gute und den Sinn in seiner Lage. Er fragt nicht: Warum gerade ich? Ich habe doch nichts getan. Er fragt: Wozu? Wozu ist es gut? Und seine Antwort: Das Evangelium läuft wie noch nie.

Was können wir von Paulus lernen? Wir in unseren Gefängnissen, die da heißen: Alter, Krankheit, Misserfolg, Verlust, Unzufriedenheit und was es sonst noch gibt? Wir werden eingeladen, nicht bitter zu werden. Wir werden eingeladen, nicht zu fragen: Warum gerade ich? Sondern: Wozu ist es gut? Wir werden eingeladen, auch den negativen Erfahrungen einen Sinn abzugewinnen. Will mich mein Alter vielleicht gelassener machen? Will mich meine Krankheit vielleicht auf den Raubbau an meinem Körper aufmerksam machen? Will mich ein Misserfolg auf das eigentlich Wichtige hinweisen?

Einander den Erfolg gönnen

Ein ganz untypischer Gefangener ist Paulus. Er kann es sogar ertragen, wenn andere aus seinem Ergehen Nutzen ziehen. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, heißt es so schön: Die, die sich als Konkurrenten des Paulus verstanden haben bei der Verkündigung des Evangeliums, die freuen sich nun diebisch, dass er aus dem Verkehr gezogen ist. Nun kommen sie selber auch einmal zum Zug, nachdem sie bisher immer in seinem Schatten standen. Nun kommen sie groß heraus. Auf seine Kosten machen sie sich einen Namen.
Und was sagt Paulus dazu? Hauptsache, sie verkündigen Christus, mögen ihre Motive noch so eigennützig sein.

Die Weise, wie Paulus seine eigene Person gegenüber der Aufgabe in den Hintergrund stellt, beschämt mich. Wie schwer fällt es uns, den Erfolg anderer gelassen und dankbar hinzunehmen. Da neidet der eine Pfarrer dem anderen seine Beliebtheit oder die Zahl seiner Predigthörer, der eine Arzt dem anderen seine Patientenzahlen, der eine Nachbar dem anderen die Größe seines Autos ...

Leiden ist kein Zeichen der Ferne Gottes

Ein ganz untypischer Gefangener ist Paulus. Er kann trotz seiner Gefangenschaft, trotz seines Leidens zuversichtlich in die Zukunft schauen. Alles ist unsicher. Die Todesstrafe liegt im Bereich des Möglichen. Und er sagt: Es wird alles gut hinausgehen. Es wird gut hinausgehen durch die Gebete der Gemeindeglieder und durch die Kraft des Heiligen Geistes. Ganz egal, wie es ausgeht, sagt er, Hauptsache, Christus wird verherrlicht; Hauptsache, Gott wird bekannt. Dass er leiden muss, ist für Paulus gerade kein Zeichen der Abwesenheit und Ferne Gottes. Das Leiden ist kein Beweis gegen Gott. Auch und gerade in seiner Situation ist Gott da.

Ich denke an Menschen im Krankenhaus; an Menschen, die vor einer schweren Operation stehen; an Menschen vor einer schweren Aufgabe. Sie alle fragen bang: Wie wird es hinausgehen? Was wird draus werden?
Dem Paulus haben die Gebete der anderen geholfen. Er wusste: Andere denken an mich in ihrem Gebet. Andere rufen für mich zu Gott. Das weiß ich auch von Menschen unter Ihnen, dass sie sich in einer solchen Situation mit unsicherem Ausgang von den Gebeten anderer getragen wussten und wissen. Und mancher bittet im Krankenhaus: „Herr Pfarrer, beten Sie für mich.“ Oder wenn sie es nicht ganz so offen ausdrücken wollen: „Herr Pfarrer, denken Sie an mich.“

Egal, wie es hinausgehen mag

Und nun der Höhepunkt in der Zuversicht des Paulus, dieses ganz und gar untypischen Gefangenen: Es geht auf jeden Fall gut hinaus – auch wenn es ans Sterben geht. Auch der nach menschlichem Ermessen schlimmste Ausgang ist für ihn ein guter Ausgang. Er meint das so: Bleibt er am Leben, ist es gut. Dann kann er weiter das Evangelium verkündigen und damit für Jesus und auch für seine Gemeinde da sein. Wird er zum Tode verurteilt, ist es auch gut. Dann kommt er direkt zu seinem Herrn. Nirgends würde es ihm besser gehen als in seiner Nähe. Von Jesus her gesehen hat sowohl sein Leben als auch sein Sterben einen Sinn. "Christus, der ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn." An Jesus Christus zu glauben, bedeutet wirkliches und echtes Leben zu haben. Im Glauben an ihn zu sterben, heißt, umso mehr zu leben.

Paulus korrigiert dadurch unseren Wortschatz: Leben heißt für uns körperlich lebendig sein. Sterben heißt für uns körperlich tot sein. Und das eine ist das absolute Gegenteil des anderen.
Für Paulus aber bedeutet leben: bei Gott aufgehoben sein, in seiner Hand stehen. Und das gilt sowohl im Leben als auch im Tod. Diese Art von Leben kann nicht einmal der Tod wegnehmen, sondern durch den Tod kommt das eigentliche Leben erst.

Dafür könnte Paulus, der so zuversichtlich in seinem Gefängnis sitzt, auch uns den Blick weiten: Mit Gott können auch die tiefsten Tiefen des Lebens einen Sinn gewinnen. Von Gott her gesehen ist alles zu etwas gut. „Ich glaube aber, dass denen die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen.“ So sagt er. Gott öffne uns die Augen dafür in unserem ganz persönlichen Schicksal. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de