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Die Predigt vom 14. April 2006 (Karfreitag):
»Karfreitag: Geistliches Schwarzbrot«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Karfreitag. Sein Thema ist der Tod Jesu Christi am Kreuz und seine Bedeutung. Evangelium (1. Lesung) war die Erzählung der Kreuzigung nach Johannes und Epistel (2. Lesung) der Aufruf des Paulus zur Versöhnung mit Gott. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) waren Verse aus dem Hebräerbrief Kapitel 9. Ich habe mich auf Vers 15 beschränkt:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
15 Christus ist der Mittler des Neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
26 Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer, die Sünde aufzuheben. 27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.
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Die Predigt
Herzstück des christlichen Glaubens

Karfreitag: Heute geht es um das Zentrum, um das Herzstück unseres evangelischen Glaubens. Zwar ist der Karfreitag nicht der früher einmal sogenannte „höchste evangelische Feiertag“, denn Sieg des Lebens an Ostern ist und bleibt die wichtigste Botschaft. Aber der Karfreitag ist sozusagen geistliches Schwarzbrot. Lang und geduldig zu kauen. Nicht leicht verdaulich. Aber für den, der zu kauen und zu verdauen bereit ist, nahrhaft wie nichts anderes. Karfreitag - kein Angebot für den schnellen geistlichen Hunger, kein Fast-Food.

Hartes Brot – Schwarzbrot des Glaubens

„Wir danken dir, Herr Jesu, Christ, dass du für uns gestorben bist.“ „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder.“ Weswegen ist das Evangelium vom Kreuz so ein hartes Brot? Zwei Gründe sind es aus meiner Sicht:
Die Verfasser unserer biblischen Bücher und Briefe, die damals ihren Hörern das Heil im Tod Jesu erschließen, aufschließen wollten, taten es natürlich mit Begriffen und Vorstellungen ihrer damaligen Zeit. Zwischen ihnen und uns aber liegt ein 2.000 Jahre breiter Graben der Geschichte, dessen Tiefe wir oft gar nicht recht ermessen können.
Und zum andern packt uns das Evangelium vom Kreuz an einem ganz wunden Punkt unseres Menschseins, unserer Eitelkeit: Wir lassen uns ungern die Grenzen unserer eigenen Möglichkeiten aufzeigen. Und wir lassen uns ungern etwas schenken.

Solches hartes Brot oder besser: solches geistliches Vollkornbrot wird uns auch mit den Worten des heutigen Predigttextes aus dem 9. Kapitel des Hebräerbriefs geboten: Wort für Wort, Bissen für Bissen muss man ihn kauen. So will ich mich bewusst mit einem Satz des Textes, dem ersten, begnügen. Ihn zu kauen und zu verdauen, ist Aufgabe genug:

„Christus ist der Mittler des Neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.“

Was heißt das nun alles, was den damaligen Lesern und Hörern des Hebräerbriefes schneller klar war als uns: Mittler, alter Bund, neuer Bund, Erlösung, Berufung, ewiges Erbe?

Ein Bund zwischen Gott und den Menschen

Bund - dieses Wort, das eigentlich aus dem zwischenmenschlichen Bereich kommt, nimmt die Glaubenserfahrung auf, dass zwischen Gott und den Menschen eine Beziehung besteht: Eine Beziehung, die, wie zwischen Menschen auch, einmal entsteht, gepflegt werden muss, aber auch Schaden nehmen kann. Mit dem entscheidenden Unterschied aber, dass Gott und Mensch nicht zwei gleichberechtigte Partner auf derselben Augenhöhe sind: Gott nimmt nach unserer christlichen Glaubenserfahrung eine Beziehung zu uns Menschen auf, aus freien Stücken. Von ihm geht die Initiative aus. Er will mit mir zu tun haben.

Der alte Bund und seine Grenzen

Der alte Bund, das war jene Beziehung, die Gott unter der Vermittlung des Mose, mit den Israeliten einging.
„Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker - denn du bist das kleinste unter allen Völkern -, sondern weil er euch geliebt hat.“ (Dtn 7,7f)
Dafür verpflichtet Gott die Israeliten, seine Gebote zu halten, und er verpflichtet sich, ihnen treu zu bleiben.
Das Bewusstsein, dass sie selber als der Juniorpartner dieser Beziehung, diese Treue letztlich nicht halten, war bei den Israeliten da. Mit Tieropfern versuchte man, dieses Missverhältnis in Ordnung zu bringen. Einmal im Jahr am großen Versöhnungstag schickte der Hohepriester einen Ziegenbock, beladen mit den Sünden des Volks, in die Wüste: „Dass aber der Bock alle ihre Missetat auf sich nehme und in die Wildnis trage.“ so heißt es. (3. Mose 16,22)

Mehr und mehr entwickelte sich aber bei den Sensiblen das Bewusstsein, dass das alles nur Kosmetik war, dass der Bruch im Verhältnis zwischen Gott und Mensch dadurch nur notdürftig gekittet, aber nicht grundlegend bereinigt war. Und Jeremia träumt von dem neuen, ganz anderen Bund, den Gott mit seinen Menschen eingehen will:
„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“ (Jeremia 31,31-33)

Ein neuer Bund in Jesus Christus

Diesen neuen Bund sehen die ersten Christen in Jesus erfüllt. Für den Verfasser des Hebräerbriefs ist Jesus Christus der Hohepriester des Großen Versöhnungstages und das Opfer zugleich: Wie der Sündenbock des Alten Bundes nimmt er, nun aber freiwillig, stellvertretend auf sich, was Menschen und Gott voneinander trennt. Er tritt selber als der Mittler freiwillig zwischen Gott und Mensch wie heutzutage die Vermittler zwischen zwei Parteien und bringt beide wieder zusammen.
Das hebt den alten Bund aus den Angeln, denn nun muss nicht mehr notdürftig Jahr für Jahr gekittet werden, sondern ein für allemal ist von Gott her das Verhältnis in Ordnung gebracht. Gott will keine jährlichen Opfer mehr. Er sagt einfach: Nun ist es gut.

Was hat das mit uns zu tun?

Und nun die Gretchenfrage und der härteste Brocken, der zu kauen ist: Wieso soll das, was damals geschehen ist, zwischen Gott und den Israeliten im alten Bund, und der neue Bund durch Jesus Christus mit mir und mit dir heute zu tun haben?
Inwiefern ist das alles in die Gegenwart und in mein und dein Leben hinein bedeutsam, so als wären wir selber dabei gewesen? Wieso stirbt Jesus auch für meine Sünden, obwohl ich damals noch gar nicht am Leben war? Hier kann unsere Logik nur noch stammelnde und fragende Antworten geben.

Wie hätten wir gehandelt?

So vielleicht, dass wir fragen: Was hätten wir getan, wie hätten wir uns verhalten, wären wir damals dabei gewesen in Jerusalem, in Gethsemane oder unter dem Kreuz?
Angenommen, wir könnten eine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen wie in manchen Filmen, könnten eingreifen in das Geschehen damals, das Rad der Geschichte zurückdrehen, die Dinge zum Guten wenden - die Geschichtsbücher und Evangelien müssten unsretwegen gewiss nicht umgeschrieben werden:
Hätten wir nicht auch unser Schäfchen ins Trockene gebracht wie die Zöllner? Hätten wir uns nicht auch mit den Besatzern arrangiert wie die Oberschicht? Hätten wir nicht auch die Nase gerümpft über Jesu Umgang mit dem Gesindel seiner Zeit? Hätten wir nicht auch mit der Menge geschrieen „Hosianna“, als er in Jerusalem einzog? Hätte uns nicht auch der Schlaf übermannt wie die drei Jünger im Garten Gethsemane? Hätten wir nicht auch mit der Menge gegrölt „Kreuzige, kreuzige“? Wären wir nicht auch davongelaufen wie die Jünger nach der Gefangennahme und hätten dreimal kräftig bekundet: „Ich kenne diesen Menschen nicht.“

Leben nach dem Alten Bund

Alter und Neuer Bund, und mögen sie mehr als 2.000 Jahre her sein, beschreiben auch heute noch zwei verschiedene Arten zu leben und zu glauben:
Wie viele unserer Zeitgenossen leben wie lebendige Fossilien heute noch als Christen des Alten Bundes? Im Müssen, Sollen und Nicht-dürfen besteht ihr Christsein. Sie bemühen sich, so recht und schlecht nach Gottes Geboten zu leben, ihrer Bundesverpflichtung nach bestem Wissen nachzukommen. Wie ein moderner Sisyphus, der nie zum Ziel kommt, hecheln sie dem Frieden mit Gott und sich selbst hinterher.
Die von Jesus durchkreuzte Logik des Alten Bundes bestimmt sie immer noch: Du bekommst nichts von Gott, was du ihm nicht zuvor selbst schon gegeben hättest. Und weil das nicht gelingt, nicht gelingen kann, gehen sie ein oder zweimal im Jahr zur Beichte wie die Juden am großen Versöhnungstag, um wieder einmal Ordnung machen zu lassen mit Gott wie beim alljährlichen Frühjahrsputz.

Die befreiende Botschaft des neuen Bundes

Dagegen die gute, frohe und befreiende Botschaft des Neuen Bundes:
Die Welt ist mit jenem Karfreitag und Osterfest des Jahres 30 nach Christus ein für allemal eine andere geworden. Du brauchst nicht mehr recht und schlecht dem Frieden mit Gott hinterherzuhecheln, denn Gott selbst hat ein für allemal Frieden mit dir gemacht. Wenn es dir ein Herzensanliegen ist, den Graben, der dich von Gott trennt, zu überspringen, die Mauer zwischen ihm und dir einzureißen, dann wisse, dass das alles schon längst geschehen ist. Der Vorhang zum Allerheiligsten im Tempel ist zerrissen. Die Tür ist auf. Der Frieden ist gemacht. Die Schulden sind bezahlt. Die Arme Gottes sind ausgebreitet.
Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de