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predigt[e].de

Die Predigt vom 24. Juni 2007 (Waldgottesdienst):
»Geh raus!«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist das Interesse Jesu an den Außenseitern seiner Zeit. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom verlorenen Sohn und in der Epistel (2. Lesung) bedankt sich Paulus, dass Gott auch ihm geduldig nachgegangen ist. Anlässlich des Waldgottesdienstes ging die Predigt über das Lied "Geh aus, mein Herz, und suche Freud":
Predigttext
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Der Predigttext
(Liedtext siehe unten)
Predigt
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Die Predigt
Gott in seiner Schöpfung

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud.“ Dieses Lied von Paul Gerhard ist wahrscheinlich das bekannteste geistliche Volkslied. Geistliche Volkslieder bleiben nicht einfach nur bei der Betrachtung und der Beschreibung der Natur stehen. Sie blicken tiefer. Die Natur ist eine Art Spiegel, in dem man etwas entdecken kann. Wer Augen hat zu sehen, der entdeckt Gott in seiner Schöpfung.
Geistliche Volkslieder laden ein, nicht nur über die Schöpfung zu staunen, sondern über den Schöpfer, der hinter ihr steht. Sie laden ein, nicht einfach nur dankbar zu sein, sondern Gott danken.
Unsere Waldgottesdienste sind geeignet, uns dafür jedes Jahr neu die Augen zu öffnen.

Geh raus!

„Geh aus, mein Herz“. Mit einer Aufforderung beginnt das Lied. Wer etwas entdecken will, muss hinausgehen. Wer etwas entdecken will, muss sich aufmachen. Wer zu Hause bleibt, entdeckt nichts, zumindest nichts Neues. Das gilt auch geistlich. Es gilt auch für das Herz: „Geh aus, mein Herz. Mach dich auf.“
Sie sind heute ausgegangen. Sie haben sich aufgemacht. Und Sie haben sich sicher nicht nur körperlich aufgemacht, sondern auch mit dem Herzen. Sonst wären Sie nicht hier.

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud". Hinausgehen in Gottes Natur, so Paul Gerhardt, soll vor allem der, der gerade nach Freude sucht. Wer betrübt, traurig oder depressiv ist, und gerade gar nichts findet, woran er sich freuen kann. Geh hinaus aus deiner Enge in die Weite der Natur. Und wenn du in deinem Leben gerade nichts Schönes entdecken kannst, dann geh hinaus und lass dir die Augen öffnen für die Schönheit der Natur. Und wenn du meinst, Gott kümmert sich gerade nicht um dich, dann geh hinaus und nimm wahr, dass diese Schönheit ein Geschenk Gottes für dich ist:

1. Geh aus, mein Herz, und such Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.

Es gibt sogar eine Auslegung des Liedes, die meint, Paul Gerhardt habe diese Verse für seine Frau gedichtet, die durch den Tod ihrer Kinder und andere Nöte der Familie sehr depressiv war: „Geh hinaus in die Natur, mein Herz, mein Schatz. Verkriech dich nicht im Haus. Schau dich um. Mach die Augen auf, damit sich deine Gedanken wieder aufhellen.“
Wir singen die erste Strophe des Liedes.

Eine Einladung zum Hinschauen

Und dann beschreibt Paul Gerhardt die Schönheit von Gottes Natur um sich herum in sechs verschiedenen Strophen. Zwei schauen wir uns an: In der zweiten Strophe verweist er auf die Pflanzen und in der dritten auf die Vögel.
Und er macht eigentlich nicht viel mehr, als unsere Blicke zu lenken: Hinauf zu den Wipfeln der Bäume, hinunter auf die Erde. Narzissen und Tulpen passen eigentlich nicht in die Sommerzeit, die er besingt. Aber er nimmt sie als deutsches Beispiel für die Lilien Israels, von denen Jesus in der Bergpredigt sagt, sie seien viel schöner gekleidet als der große König Salomo in seiner Pracht.
Und ist es nicht so: Wenn man sich einmal die Zeit nimmt und die Mühe macht und ein solches Kunstwerk der Natur von nahem betrachtet, vielleicht noch mit einem Vergrößerungsglas, dann kann man nur staunen.
Und ähnlich lädt Paul Gerhardt zum genauen Hinschauen und auch Hinhören im Blick auf die Vögel ein.
Wir singen die zweite und dritte Strophe des Liedes.

Sich den Blick weiten lassen

8. Ich selber kann und mag nicht ruhn, des großen Gottes großes Tun / erweckt mir alle Sinnen; / ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, / aus meinem Herzen rinnen, aus meinem Herzen rinnen.

Wenn einer nun auf diese Weise aufmerksam durch die Natur geht: die Augen aufmacht, die Ohren aufmacht, das Staunen wieder lernt, dann kann ihn das, so Paul Gerhardt, aus seiner Traurigkeit herausholen. Er sieht nicht nur die Enge des eigenen Lebens. Sein Blick weitet sich. Er sieht nicht nur, was ihm fehlt. Er sieht auch, was ihm alles geschenkt ist. Und er entdeckt hinter der Schönheit der Natur Gottes Wirken.
Depression und Traurigkeit haben ihn verstummen lassen. Die Kehle war wie zugeschnürt. Doch nun weitet sich alles und er kann tief aus seinem Herzen heraus mit den anderen einstimmen.

Sehnsucht nach dem Himmel

9. Ach, denk ich, bist du hier so schön und lässt du’s uns so lieblich gehn auf dieser armen Erden: was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelszelt und güldnen Schlosse werden.

Dass Paul Gerhardt hier so unvermittelt an den Tod und an die himmlische Heimat denkt, mag uns verwundern. Man kann es nur recht verstehen, wenn man weiß, dass er mitten im 30-jährigen Krieg aufgewachsen ist. Sterben und Tod haben zu seinem Alltag als Kind und Jugendlicher gehört, so wie heute für Kinder und Jugendliche im Gazastreifen oder im Irak. Dass da eine ganz tiefe Sehnsucht nach Frieden entsteht, kann man vielleicht ein wenig nachvollziehen: Wenn diese arme Welt nun schon so schön ist, wie mag es dann erst im Himmel werden. Und so haben Menschen in dieser schlimmen Zeit damals Trost gefunden, der uns vielleicht fremd anmutet. Sehen wir es doch positiv und dankbar: Wir können mit dieser Sehnsucht nach dem Himmel deswegen nur wenig anfangen, weil es uns im Vergleich zu den damaligen und auch im Vergleich zu Menschen in anderen Ländern so gut geht.
Wir singen die achte und neunte Strophe des Liedes.

Frucht bringen im Leben

13. Hilf mir und segne meinen Geist mit Segen, der vom Himmel fleußt, / dass ich dir stetig blühe; / gib, dass der Sommer deiner Gnad in meiner Seele früh und spat / viel Glaubensfrüchte ziehe.

Geistliche Volkslieder machen die Natur durchsichtig für ihren Schöpfer. Die Natur wird zum Spiegel für den Menschen, der ja auch aus der Natur kommt und zu ihr gehört. Und so deutet Paul Gerhard in den letzten drei Strophen Dinge aus der Natur auf den Menschen: der Segen von oben, das Blühen, Früchte bringen. Und dann in der nächsten Strophe: Der Mensch als Baum.
Die Natur hat den Segen von oben, hat Sonne und Regen im rechten Maß und zur rechten Zeit nötig. Eine andere Antwort kann man dem nicht geben, der klagt, das Wetter könne an diesem Wochenende besser sein.
Und so wie die Natur Segen von oben braucht, braucht ihn auch der Mensch, um blühen zu können und Frucht zu bringen. Ohne Früchte bleibt das Leben ohne Sinn. Und eine der Früchte, die einem Leben Sinn verleihen, ist nach den Worten Paul Gerhardts auch der Glaube.

Einen festen Stand im Leben finden

14. Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, / und lass mich Wurzel treiben. / Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum / und Pflanze möge bleiben, und Pflanze möge bleiben.

Selber schenken kann sich den Glauben niemand. Man kann ihn sich nur schenken lassen. Wieder mit einem Bild aus der Natur: Gott selber muss sich und seinem Heiligen Geist Platz schaffen. Nur dann kann ich zu einem guten Baum werden, der gute Früchte bringt. Nur dann kann ich die nötigen Wurzeln treiben, die ich brauche, um wie ein Baum in den Stürmen des Lebens fest zu stehen. Wie lange stehen diese Bäume hier schon? Wie viele Menschen mögen sich inzwischen unter ihnen versammelt haben. In seinem Leben so fest verwurzelt sein, das wäre etwas.

15. Erwähle mich zum Paradeis und lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen, so will ich dir und deiner Ehr allein und sonsten keinem mehr hier und dort ewig dienen.
In der letzten Strophe noch einmal, wie vorhin schon, Paul Gerhardts Blick in die Zukunft: Wenn du, Gott, es mir schenkst, dass ich bis zum Ende meines Lebens grünen und blühen darf. Wenn mein Leben Früchte trägt. Wenn ich etwas schaffen darf. Wenn mir etwas gelingt in meinem Leben. Wenn andere sich freuen, dass es mich gibt. Wenn ich am Ende sagen kann, ich habe nicht umsonst gelebt. Dann will ich dir dafür danken und dir dienen.
Wir singen die drei letzten Strophen des Liedes.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de