Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 23. Juli 2006 (6. Sonntag nach Trinitatis):
»Im richtigen Moment am richtigen Ort«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 6. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die Taufe und die Tauferinnerung. Evangelium (1. Lesung) war der Taufbefehl Jesu und Epistel (2. Lesung) das Verständnis der Taufe bei Paulus. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war die Erzählung von der Taufe des Kämmerers in Apostelgeschichte 8:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
26 Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. 27 Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. 28 Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! 30 Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? 31 Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. 32 Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja 53,7.8): »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. « 34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? 35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. 36 Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse? 38 Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. 39 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Vom Glauben erzählen - aber wie?

„Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“

Den sogenannten Taufbefehl aus dem Matthäusevangelium haben wir als Evangelium gehört. Menschen zu Jüngern machen. Menschen vom eigenen Glauben erzählen. Den Kindern und Enkeln weitererzählen, warum sich aus unserer Sicht das Leben lohnt. Dazu sind wir alle eingeladen. Wie könnte das gehen?
Hören Sie beispielhaft die Geschichte von der Taufe des afrikanischen Kämmerers, also des Finanzministers der nubischen Königin. (Heute der Bereich Äthiopien bzw. Sudan.) Als sog. „Gottesfürchtiger“, also als einer, der die wichtigsten jüdischen Gesetze hielt, ohne wirklich zum Judentum überzutreten, machte er aus Afrika kommend eine Wallfahrt nach Jerusalem. Und dann heißt es in der Apostelgeschichte des Lukas im Kapitel 8:
(Text siehe oben.)

Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort

Nicht irgendwelche Zufälle leiten den Lebensweg eines Menschen, sondern Gottes Wille. Das will der Evangelist Lukas, von dem die Apostelgeschichte stammt, deutlich machen. Das führt Gott im richtigen Moment die beiden richtigen Menschen zusammen: den schwarzen Finanzminister auf der Suche nach Antworten für sein Leben und Philippus, der sich von Gott einen Weg zeigen lässt.
Ein Engel des Herrn, so heißt es, sorgt dafür, dass Philippus sich aufmacht. Und der Heilige Geist, so heißt es, zeigt ihm dann den Menschen, um den es geht. Der Heilige Geist ist es auch, der ihn dann am Ende wie einen Geheimagenten nach vollendeter Mission verschwinden lässt, um ihn dann an anderer Stelle, wo er gebraucht wird, wieder auftauchen zu lassen.
Gott sorgt für solche Begegnungen immer wieder im Alltag, dessen bin ich mir sicher. Gott sorgt immer wieder dafür, dass der richtige Mensch am richtigen Platz ist. „Dich hat mir der Himmel geschickt.“ Haben Sie diesen Satz vielleicht schon einmal verwendet? Oder haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Gott sei Dank im rechten Moment der rechte Mensch angerufen hat oder vor der Tür stand. Durften Sie vielleicht selber schon einmal so ein Engel sein?
Und so glaube ich auch, dass wir uns die Situationen, wo wir im richtigen Moment am richtigen Platz sein sollen, nicht selber aussuchen sollen. Doch wenn Gott es arrangiert, dann sind wir gefordert. Die Geschichte vom Kämmerer als Auslegung des Taufbefehls:

Da lässt sich einer in den Dienst nehmen

„Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin ...“
Philippus geht. Er macht sich auf auf die Straße von Jerusalem nach Gaza, also von den Höhen Jerusalems hinunter an die Mittelmeerküste. Dort erreicht man dann die große Handelsstraße nach Süden, nach Ägypten und noch weiter. Den sog. Gazastreifen kennen Sie als palästinensisches Gebiet aus den aktuellen Nachrichten. Noch weiß Philippus nicht, was er dort soll. Aber er geht.
Es ist Spekulation: Aber hätte Gott ihm vorher gesagt, was er vor hat, wäre Philippus vielleicht gar nicht gegangen. Dass das Evangelium über die Juden hinaus auch in andere Völker getragen wird, wie es dann Paulus tat, das konnte man sich damals noch nicht so recht vorstellen. Zwei Kapitel später wird die Geschichte erzählt, wo Petrus zum nichtjüdischen, zum heidnischen Hauptmann Kornelius hingehen soll, um ihm seine Lebensfragen zu beantworten. Lesen Sie, wie Gott zu kämpfen hatte, bis Petrus begriffen hat, dass es wirklich Gottes Wille ist, dorthin zu gehen.
Philippus geht. Er geht hinaus auf eine Straße, „die öde ist“, so heißt es. Dort wartet er geduldig, was Gott von ihm will, und erfährt, dass er sich in der Nähe dieses Wagens halten soll.

Auch wir wissen oft nicht so recht, warum wir in einem bestimmten Moment gerade einem bestimmten Menschen begegnet sind. Und hinterher stellt sich dann heraus, dass diese Begegnung wichtig war. Oder, was auch oft passiert: dass diese Begegnung wichtig gewesen wäre. Weil wir nämlich in diesem Moment nicht gespürt haben, dass Gott etwas will. Oder weil wir uns gedrückt haben, geniert haben. „Ach, hättest du doch in diesem Moment besser aufgepasst, besser hingehört, dir ein wenig mehr Zeit genommen.“ So denkt man sich manchmal hinterher.
Weiter in der Geschichte als Auslegung des Taufbefehls:

Geduldig ein Stück Weg mitgehen

Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker ...“
Wie macht man das: Zu Jüngern machen? Ich schaue mir den Philippus an. Er weiß nun, dass es um diesen Wagen und um diesen Menschen geht. Jetzt könnte er sich wie ein Zeuge Jehovas am Sonntagvormittag zu den Mittagessensvorbereitungen herandrängen und seine Sache anpreisen. Nein, Philippus geht nebenher und wartet ab. Er hat Geduld. Er drängt sich nicht auf. Er kommt nicht wie einer, der unbedingt etwas verkaufen will.
Er drängt sich nicht mit seiner Botschaft auf, sondern er hat Interesse am Menschen. Und als die Gelegenheit sich bietet, fragt er: „Verstehst du auch, was du da liest?“ Aufmerksam sein, spüren, was ein anderer braucht, was gerade seine Frage sein könnte, was ihn gerade umtreibt, aber sich nicht aufdrängen. Der Gefragte muss die Freiheit haben zu entscheiden: „Komm, hab ein wenig Zeit für mich.“ Oder: „Sei so gut. Lass mich jetzt in Ruhe.“
Der Kämmerer bittet den Philippus in seinen Wagen. Er soll sich neben ihn setzen und ihm, wie es heißt, die Schrift öffnen. Jetzt ist Philippus dran.

Sich für den anderen öffnen

„Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker ... Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“
Ausgehend von einer konkreten Frage zum Alten Testament, zum Propheten Jesaja, erzählt Philippus dem Kämmerer von Jesus. Er erzählt ihm von seinem Glauben.
Anknüpfung, so nennt man das manchmal. Nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern anknüpfen. Anknüpfen an dem, was die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner freiwillig als Thema angestoßen hat. Da öffnet sich ein Mensch und sagt damit: „Erzähl mir mehr.“ Da bringt jemand Vertrauen entgegen und signalisiert: „Mich interessiert, wie du damit umgehst. Was würdest du tun? Was glaubst du? Worauf verlässt du dich? Was gibt dir festen Boden unter den Füßen?“

„... und er zog seine Straße fröhlich“

„Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Philippus hat den Kämmerer, der ja vom jüdischen Glauben schon wusste, der also theoretisch ein wenig auf Jesus vorbereitet war, offenbar im Herzen getroffen. Er möchte den festen Grund, der ihm angeboten wird, annehmen. Er möchte ja sagen zur Taufe, in der Gott ja zu ihm sagt. Als Eunuch, als Kastrat, als Verschnittener, wie man sagte, hätte er nach jüdischer Vorstellung nie ein vollgültiger Jude, ein Beschnittener, werden können. Aber das Angebot von Gottes bedingungsloser Nähe in Jesus Christus erreicht ihn. „Siehe, da ist Wasser, was hindert's, dass ich mich taufen lasse.“ Und dann endet die Geschichte: „Und er zog seine Straße fröhlich.“

Wenn Gott einen solchen Segen auch auf unsere Gespräche im Alltag legen könnte: dass Menschen, wenn sie mit uns gesprochen haben, gestärkt und fröhlich wieder ihrer Wege gehen können. Diesen Segen können wir nicht machen, aber die hinführenden Schritte im allgemeinen schon: aufmerksam sein für die sog. zufälligen Begegnungen; nicht nur flüchtig, nichtssagend und oberflächlich miteinander reden; hinhören, ob Gott nicht vielleicht etwas von uns will; sich nicht aufdrängen, aber sich doch für die konkrete Sorge des anderen interessieren; und dann, wenn es darauf ankommt, auch den eigenen Glauben nicht verschweigen; von der eigenen Hoffnung erzählen und von dem Grund, der einen trägt.

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de