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predigt[e].de

Die Predigt vom 24. September 2006 (Michaelstag):
»Hast du den Engel des Lichts gesehen?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 15. Sonntag nach Trinitatis. In der Kirchengemeinde wird aber am letzten Sonntag im September traditionell zum ökumenischen Gottesdienst zum Michaelstag eingeladen. Sein Thema sind die Engel. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war die Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis nach Apostelgeschichte 5:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
12 Es geschahen aber viele Zeichen und Wunder im Volk durch die Hände der Apostel; und sie waren alle in der Halle Salomos einmütig beieinander. 17 Es erhoben sich aber der Hohepriester und alle, die mit ihm waren, nämlich die Partei der Sadduzäer, von Eifersucht erfüllt, 18 und legten Hand an die Apostel und warfen sie in das öffentliche Gefängnis. 19 Aber der Engel des Herrn tat in der Nacht die Türen des Gefängnisses auf und führte sie heraus und sprach: 20 Geht hin und tretet im Tempel auf und redet zum Volk alle Worte des Lebens. 21 Als sie das gehört hatten, gingen sie frühmorgens in den Tempel und lehrten. Der Hohepriester aber und die mit ihm waren, kamen und riefen den Hohen Rat und alle Ältesten in Israel zusammen und sandten zum Gefängnis, sie zu holen. 27Und der Hohepriester fragte sie 28 und sprach: Haben wir euch nicht streng geboten, in diesem Namen nicht zu lehren? ... 29 Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
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Die Predigt
Am Anfang der Predigt stand eine Bildbetrachtung aus dem Evangelischen Gesangbuch. Aus Urheberrechtsgründen will ich das Bild hier nicht einfach abdrucken. Mein Vorschlag: Kaufen Sie sich ein Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe für Bayern und Thüringen. Es lohnt sich!

Der Engel, der befreit

Zur Betrachtung eines Bildes im Evangelischen Gesangbuch lade ich Sie heute ein: Sie finden es neben dem Lied Nr. 567 (auf der Seite 984). ...

Die Verteilung von Dunkel und Hell fällt zuerst ins Auge. Da ist ein klarer Aufbau: Von links unten nach rechts oben setzt sich langsam das Licht durch.
Links unten auf das erste Hinsehen ein unförmiger, konturenloser schwarzer Fleck. Wenn sich dann die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, tritt langsam eine Figur hervor: Ein Mann. Der rechte Fuß ist zu sehen. Dann Schemenhaft auch der linke Fuß. Der Mann scheint sich langsam zu erheben. Sein kahles Haupt mit einem zottigen Bart schaut schon ins Licht.
Das Licht – es kommt von einer zweiten Figur. Zart angedeutete helle Flügel zeigen einen Engel, so wie ihn sich viele vorstellen. Die Flügel sind ein Zeichen, ein Symbol: In den Flügeln brachten die Menschen einer vorwissenschaftlichen Zeit zum Ausdruck, dass der Engel sehr schnell überall sein kann. Zeit und Ort hindern einen Gottesboten nicht. Auch der Götterbote der Griechen, Hermes, hatte kleine Flügelchen an seinen Schuhen.
Der Gottesbote ist die Gegenfigur zu dem Mann im Dunkel: Dort ein dunkler Körper, hier ein heller. Dort das Gesicht schon im Licht, hier eher ein dunkles Gesicht, weil darauf der Schatten des Mannes fällt.

Vom Dunkel ins Licht

Beide sind miteinander in Verbindung: mit den Augen und mit den Händen:
Eindringlich, ja ernst und streng schaut der Gottesbote den Mann an. Er nimmt Kontakt auf. Er macht sich bemerkbar. Wenn man einem etwas Wichtiges zu sagen hat, muss man sich in die Augen schauen. Wenn man mit jemand spricht, darf man dem Dunkel des anderen nicht ausweichen.
Mit seiner linken Hand, die nach den Händen des Mannes greift, hebt er den Mann langsam aus dem Dunkel hervor. Der Kopf ist schon im Licht. Bald wird der ganze Körper licht sein. Langsam richtet sich der Mann auf.
Die rechte Hand des Gottesboten weist den Weg. Einen Weg gehen soll der Mann, wenn er aufgestanden ist. Sich nicht nur erheben, sondern sich auf den Weg machen. Nicht in Richtung des Engels soll er gehen. Er ist nicht entscheidend. Er wird wieder weg sein, wenn er seine Aufgabe erfüllt hat. Nein: da wo er her gekommen ist, in sein Leben zurück, soll der Mann gehen.
Wem so etwas in seinem Leben widerfährt, dass er überraschend aus seinem Dunkel ins Licht gehoben wird, dass die Nacht für ihn zum Tag wird, der kann nicht stehen bleiben, der muss gehen. Verwandelt ins Leben zurück gehen.

Gott mehr gehorchen als den Menschen

Das Verzeichnis der Bilder am Ende des Gesangbuches verrät uns Titel und Künstler. „Befreiung Petri.", also die Befreiung des Apostels Petrus aus dem Gefängnis, eine Federzeichnung des großen holländischen Malers Rembrandt. Zweimal wird in der Apostelgeschichte erzählt, dass man Petrus ins Gefängnis warf, weil er nach dem Tod und der Auferstehung Jesu öffentlich den Messias Jesus verkündigte. Und zweimal kam er auf wunderbare Weise frei. So lesen wir im 5. Kapitel der Apostelgeschichte:
(Text siehe oben)

Diese Erzählung entdecke ist in Rembrandts Zeichnung wieder:
Petrus und die anderen Apostel im Dunkel des Gefängnisses und im Dunkel der Nacht. Wie mag es ihnen gegangen sein: für eine gute Sache, für die eigene Glaubensüberzeugung unschuldig eingesperrt, zum Schweigen gebracht? Als Heilige erscheinen die Jünger allzu leicht. Die Evangelien beschreiben sie nicht so. Sie zeigen Menschen, die versagen, die Angst haben, die verleugnen, die den Sinn des Ganzen nicht verstehen. Und gerade Petrus ist ja der Prototyp dessen, der erst himmelhoch jauchzend und dann zu Tode betrübt ist. Petrus – einer der das Dunkel des Lebens und das Dunkel des Zweifels und des Glaubens kennt.

Und dann in dieses Dunkel des Gefängnisses hinein, kurz und bündig, fast wie nebenbei berichtet, tritt der Engel des Herrn, öffnet die Türen und führt die Jünger heraus. Und er rettet sie nicht, damit sie sich im Dunkel der Nacht davon machen und sich in Sicherheit bringen. Seine Hand weist zurück. Zurück sollen sie. Dorthin, wo man sie gefangen genommen hat. Zurück an ihre Aufgabe:
20 Geht hin und tretet im Tempel auf und redet zum Volk alle Worte des Lebens.
Nicht ihr Leben ist entscheidend, sondern das Leben der anderen. Ihnen soll das Wort des Lebens nicht vorenthalten werden. Die Menschen brauchen Worte des Lebens. Und damit sie gesagt werden, braucht es Menschen, die sich nicht genieren und keine Angst haben. Und die Engelsbegegnung hat ganz offensichtlich Mut gemacht:
29 Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Unsere Nächte und Gefängnisse

Immer wieder neu trägt sich diese alte Geschichte zu, dass Gott in das Dunkel von Menschen hinein überraschend sein Licht schickt. Spätestens im Advent werden wir dafür wieder empfänglich. Da ist Hilfe, wo man sie nicht erwartet hat.
Menschen im Dunkel: Verzweiflung, durchwachte Nächte, Schmerzen, die einen nicht schlafen lassen, Warum-Fragen, Aussichtslosigkeit. Gefängnisse von Krankheit, von Sorgen, von Einsamkeit ...
Und dann auf einmal ein Licht, mit dem man nicht gerechnet hätte, eine Hilfe, die man schon gar nicht mehr für möglich gehalten hat. Ein Mensch, eine Stimme, ein offenes Ohr, ein Anruf, eine Hand, ein Lichtblick.
Der Engel Gottes ist ein Bild für Gottes tausend Möglichkeiten, die über unsere Vernunft und Phantasie hinaus gehen. Der Engel, auf deutsch „Gesandter", „Bote", Gottes rechte Hand, Gott selber verborgen in den Möglichkeiten seiner Schöpfung.

Der Engel des Lichtes

Einen Engel des Lichtes, einen Engel, der in der Nacht Licht in das Dunkel von Menschen bringt, beschreibt einer der vielen Texte unseres Gesangbuches. (Wer mitlesen will: auf Seite 525)

Engel des Lichtes

hast du
den Engel des Lichtes
gesehen
sanft
streift er
durch die Nächte der Welt
legt hier
seine Hand auf ein Stöhnen
blickt dort
voll Erbarmen
der Angst in die Augen
und sagt
in den Schrei der Verzweiflung
sein lichtendes Wort
hast du
den Engel des Lichtes
gesehen
hier war er
und dort
und doch überall
er streift durch die Nächte der Welt
und gräbt
in die Finsternis tief
den Samen des ewigen Morgens
streut
Schweigen
in jegliche Not
hast du
den Engel
des Lichtes
gesehen
er trägt
deine Nacht
in den Händen
du
findest ihn
immer
in dir

Annette Soete

Samen des Lichtes tief in die Finsternis

Menschen, die wie Petrus im Dunkel sind, und auf ein Zeichen und auf Hilfe warten, werden hier eindringlich beschrieben:
Da ist einer, der stöhnt, vor Schmerzen vielleicht oder vor Einsamkeit. Er erfährt, dass da jemand seine Hand auf ihn legt.
Da hat einer Augen voller Angst. Er erfährt, dass ihn jemand anblickt voll Erbarmen.
Da ist ein Schrei der Verzweiflung. Und in diesen Schrei hinein erfährt er ein Wort, das es Licht werden lässt.

Sanft, lautlos und unaufdringlich: „er streift durch die Nächte der Welt". Wie mögen diese Nächte aussehen, verborgen in den Häusern, verborgen hinter Mauern, die nichts nach außen dringen lassen. Wie viel verborgene Tränen werden geweint, und der am Gehsteig vorüber geht, weiß nichts davon. Der Engel aber, der kommt ins Haus.
Der Engel des Lichts: „hier war er und dort und doch überall". Was da in Worten steht, das sind auf dem Bild die Flügel.

Ein Engel des Lichtes ist er, weil er sich mit der Nacht und der Finsternis und der Not nicht zufrieden gibt. Hoffnung lässt er in Menschen aufkeimen, indem er den Samen des Lichtes, den Samen des ewigen Morgens streut, tief in die Finsternis hinein.

Und dann zum Ende des Gedichts hin die Anrede an die Leserin und den Leser: Auch deine Nacht ist gemeint. Deine Finsternis. Dein Stöhnen. Deine Angst. Deine Verzweiflung.
Auch deine Nacht trägt er in seinen Händen. Dich trägt er in seinen Händen. Du fällst nicht ins Bodenlose. „Hast du den Engel des Lichtes gesehen?" Hast du deinen Engel schon gesehen? Er ist da. Gott ist da. „Du findest ihn immer in dir." Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de