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Die Predigt vom 8. Oktober 2000: »Diakonie«


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  Die Evangelische Kirche beging am Sonntag den 16. Sonntag nach Trinitatis. In Bayern wurde an diesem Tag die Opferwoche (mit Haus- und Straßensammlung) des Diakonischen Werkes eröffnet. Aus diesem Grund ging die Predigt über das Thema Diakonie. Es lag ihr ein neues Lied mit diesem Thema zugrunde:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  1. Danket dem Schöpfer unsrer Welt, der uns läßt Treue erfahren:
Er hat uns in den Dienst gestellt, daß wir sein Werk nun bewahren.
Brüder und Schwestern, wehrt dem Leid mit Werken der Barmherzigkeit.
Dienet dem Herren mit Freuden.

2. Folgt unserm Bruder Jesus Christ, ein Beispiel hat er gegeben:
Der aller Menschen Diener ist, kam so, die Welt zu erlösen.
Betet zu ihm und kommt und seht, wer in des Herren Ernte steht.
Dienet dem Herren mit Freuden.

3. Öffnet euch Gottes gutem Geist, damit er täglich uns leite:
Daß er uns zu den Menschen weist und uns zum Dienen bereite.
Ein treuer Samariter ist, wer Jesu Auftrag nie vergißt.
Dienet dem Herren mit Freuden.

Text: Helmut Millauer 1990
Melodie: Bjarte Vinnes 1989
Evangelisches Gesangbuch (Ausgabe Bayern) Nr. 635

Predigt

  Diakonie heute

In der kommenden Woche werden wieder die Sammlerinnen und Sammler vor Ihrer Tür stehen. Zweimal im Jahr, im März und im Oktober, wird für unser evangelisches Hilfswerk, das sog. "Diakonische Werk" gesammelt. "Innere Mission", so sagte man früher im Gegensatz zur Äußeren Mission. "Innere Mission" also: Hilfe an den Notleidenden im Inland. "Äußere Mission": die Arbeit in den ausländischen Partnerkirchen, z.B. in Tansania und in Papua-Neuguinea. Mission, jemanden Missionieren, das hat für viele einen mißverständlichen Klang bekommen. So trägt unser evangelisches Hilfswerk nun den Namen "Diakonisches Werk", oder kurz "Diakonie".

Ähnlich ging es der entsprechenden Einrichtung in Bayreuth: Das Diakonische Werk am Kirchplatz hinter der Stadtkirche ist den meisten Bayreuthern immer noch besser bekannt unter dem alten Namen "Stadtmission". Geduldig versucht man dort seit Jahren, den Begriff und den Namen "Diakonie" bei den Menschen zu verwurzeln. Unser Evangelischer Kindergarten gehört z.B. neben 12 weiteren zu dieser Diakonie, oder das Matthias-Claudius-Heim oder die Beratungsstellen in der Schulstraße.

Dienen nach dem Vorbild Jesu

Diakonie kommt aus dem Griechischen und heißt einfach "Dienst". Von der Urbedeutung des Wortes her der Dienst bei Tisch. Es liegt also bei diesem Dienen die Betonung nicht darauf, daß jemand ein Untergebener wäre, sondern daß er für jemand da ist. Diakonie hat also nichts mit Unterwürfigkeit zu tun, sondern mit Nächstenliebe. So war es für die ersten Christen das passende Wort für ihr gegenseitiges Helfen im Auftrag Jesu. Und die es mit einem besonderen Auftrag taten, bekamen den Namen Diakon.

Seit es die Diakonie als eigenständige Einrichtung und den Diakon als bezahltes Amt gibt, meinen viele: Die sind nun zuständig. Die machen das schon. Und es wird vergessen, daß jede Kirchengemeinde einen diakonischen Auftrag hat, daß jeder einzelne Christ einen diakonischen Auftrag hat, den er nicht abschieben kann. Natürlich kann nicht jeder überall helfen. Natürlich hat nicht jeder die nötige Zeit, Kraft und Geduld. Es darf jemand guten Gewissens sagen: Ich spende für die Diakonie und mache damit möglich, daß andere diese Arbeit weiterhin tun können. Aber die Diakonie im Kleinen, das spontane oder das regelmäßige Dasein für einen Menschen, der mich braucht wie den barmherzigen Samariter, das kann ich mit Geld nicht abschieben und abgelten.

Ein Lied vom Dienen

Davon, von der Diakonie im Alltag, handelt ein neues Lied in unserem Gesangbuch. Wir haben es schon gesungen. Ich möchte es Ihnen heute noch einmal ans Herz legen. Es ist es wert. "Danket dem Schöpfer unsrer Welt", die Nr. 635. Sie können, aber Sie müssen im Gesangbuch den Text nicht mitverfolgen. Wir wollen aber die einzelnen Strophen schon in die Predigt hinein singen.

Durch die bewußte Wiederholung wird klar, worum es beim ganzen Lied geht: "Dienet dem Herren mit Freuden.", so endet jede Strophe. Und das ist der eigentliche, heimliche Titel des Liedes. Und noch ein zweites Wort zum äußeren Aufbau: trinitarisch, mit einem Fremdwort, ist es aufgebaut, von der Dreieinigkeit her. Von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist ist jeweils am Strophenanfang die Rede: Gott, dem Schöpfer danken. Jesus, seinem Sohn, unserem Bruder folgen. Sich Gott, dem heiligen Geist öffnen.

Pfarrer Helmut Millauer, von dem der Text stammt, ist seit vier Jahren Kreisdekan in Regensburg, und war vorher 12 Jahre Rektor der Rummelsberger Anstalten und der Diakonengemeinschaft. Bjarte Vinnes, der Schöpfer der Melodie, ist Diakon in Bergen in Norwegen. Ein Lied also über die Diakonie von Menschen aus der Diakonie:

Erst kommt die Dankbarkeit

1. Danket dem Schöpfer unsrer Welt, der uns läßt Treue erfahren: Er hat uns in den Dienst gestellt, daß wir sein Werk nun bewahren. Brüder und Schwestern, wehrt dem Leid mit Werken der Barmherzigkeit. Dienet dem Herren mit Freuden.

Wenn wir alle zur Diakonie, zum Dienst aneinander aufgerufen sind, so sagt Helmut Millauer, dann aus Dankbarkeit. Aus Dankbarkeit für das, was Gott uns schenkt. Das Leben hat er uns geschenkt; geschaffen hat er uns. Treu ist er uns. Gott ist mir treu: Daß das stimmt, und was das persönlich heißen könnte, da muß jeder an sein eigenes Leben denken. Daß jemand gesund ist oder gesund geworden ist. Daß jemand Arbeit und Familie hat, keine äußeren Sorgen, usw. Helfen aus der Dankbarkeit heraus. Wer das Gefühl hat, ihm sei nie etwas geschenkt worden, der wird sich auch schwer tun mit dem uneigennützigen Helfen. Der wird eher schauen, wie er auf Schritt und Tritt zu seinem Recht und zu seinem Anteil kommt.

Indem uns Gott geschaffen hat, so sagt Helmut Millauer, hat er uns auch in den Dienst genommen. Wir sind nicht geschaffen, um für uns selbst da zu sein. Wer nur für sich selbst lebt, verfehlt den Sinn des Lebens, ob er nun Christ ist, Atheist, Muslim oder was sonst noch.

Und Inhalt und Ziel unseres Dienstes ist, das zu bewahren, was Gott geschaffen hat: meinen Mitmenschen, die Welt um mich herum, aber auch mit selbst als Geschöpf. Und bewahren können wir, indem wir uns dem Leid entgegenstellen; gegen das Leid, egal welches Gesicht es hat, angehen. Wenn wir auch nicht jedes Leid abnehmen können, so können wir doch tragen helfen, oder wir können Beistand leisten und jemand mit seinem nicht alleine lassen. Dem Leid wehren mit Werken der Barmherzigkeit. Da sind die sog. sieben Werke der Barmherzigkeit gemeint: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Fremde aufnehmen, Nackte kleiden, Kranke besuchen und Gefangene. Und zuletzt: den letzten Liebesdienst an einem Verstorbenen tun. Nicht jede und jeder kann alles tun. Begabung, Kraft und Zeit würden nicht reichen. Aber keinem von uns erspart Gott die Frage: Gibt es einen Kranken in meiner Nähe, der mich braucht? Einen Einsamen, einen Alten, einen Bedürftigen, der gerade mich und niemand anderen braucht?

Wir singen die erste Strophe des Liedes. Beachten Sie dabei bitte den Druckfehler in vielen Gesangbüchern: "daß wir sein Werk nun bewahren"

Der Pferdeflüsterer

2. Folgt unserm Bruder Jesus Christ, ein Beispiel hat er gegeben: Der aller Menschen Diener ist, kam so, die Welt zu erlösen. Betet zu ihm und kommt und seht, wer in des Herren Ernte steht. Dienet dem Herren mit Freuden.

Wenn wir im Alltag Diakonie üben, wenn wir diakonisch leben, dann folgen wir damit dem Beispiel, das Jesus vorgelebt hat: Er hat als Diener gelebt, das war sein Grundgesetz. "Der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele." (Mt 20,28) So sagt er von sich selbst. Oder zu seinen Jüngern: "Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener." (Mt 20,26) Wir Menschen können wie Jesus die Welt nicht erlösen, wir können sie nur ein wenig besser machen. Mit Dienen, mit Machtlosigkeit, nicht mit Macht und Gewalt wird die Welt erlöst.

Ich muß an den sog. „Pferdeflüsterer“ denken, jenen Amerikaner, der mit viel Erfolg wilde Pferde zähmt allein mit Liebe, mit Geduld und Einfühlungsvermögen. Und er sagt, das gilt auch für das ganze menschliche Leben bis hinein in die Politik. In seinen eigenen Worten: "Lösungen kommen nie durch Gewalt. Wenn man einmal Gewalt benutzt hat, ist es von da an das einzige Mittel, das man benutzen kann."

Doch wer es auf die andere Art probiert, begibt sich auf einen gefährlichen Weg. Er erlebt Rückschläge. Er wird vielleicht auch ausgenutzt. Und Helmut Millauer empfiehlt als Mittel gegen solche Rückschläge, gegen die Resignation, das Gebet. Das Gebet um die nötige Kraft, das nötige Einfühlungsvermögen, die nötige Geduld. Und er empfiehlt als zweites: "Schaut euch um, wer noch mithilft. Registriert, daß ihr nicht allein seid.": "Betet zu ihm und kommt und seht, wer in des Herren Ernte steht." Das Bild, das Millauer hier verwendet, stammt von Jesus, der einmal zu seinen Jüngern gesagt hat: "Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende." (Mt 9,37-38) "Es gibt viel zu tun. Packen wir's an." So heißt es in einer Firmenwerbung. Wir singen die zweite Strophe des Liedes.

Vom Burn-out-Syndrom

3. Öffnet euch Gottes gutem Geist, damit er täglich uns leite: Daß er uns zu den Menschen weist und uns zum Dienen bereite. Ein treuer Samariter ist, wer Jesu Auftrag nie vergißt. Dienet dem Herren mit Freuden.

Wer anderen dienen will, wer Geduld und Einfühlungsvermögen einbringen will, braucht seinerseits Kraft. Man kann nicht immer nur geben. Wer geben will, muß auch empfangen. Empfangen können wir, sagt Helmut Millauer, wenn wir uns Gottes gutem Geist öffnen. Wenn wir auf Empfang gehen. Wenn wir uns Kraft schenken lassen. Wenn wir - mit einem Bild aus Technik - uns von Gott unseren Akku immer wieder neu aufladen lassen. Gottes Geist will uns leiten. Er will uns zeigen, wo es lang geht. Aber Vorsicht! Wenn sich jemand auf ihn verläßt, dann muß er auch gewärtig sein, daß Gott ihm die Menschen zeigt, die ihn brauchen. Wenn sich einer auf Gottes Geist einläßt, wird die Arbeit nicht weniger. Aber das ist die Erfahrung aller, die aus dem Glauben heraus anpacken: Mit den Herausforderungen, mit der Arbeit wächst einem immer auch die nötige Kraft zu. Und Millauer erinnert dabei an das bekannte Beispiel vom Barmherzigen Samariter: Er kommt sieht die Not und packt an, ohne lange zu überlegen. Ohne zu überlegen, daß er als Geschäftsmann eigentlich keine Zeit verlieren sollte. Ohne Angst, daß der Verletzte am Wegrand vielleicht gar eine Falle sein könnte. Ohne Rücksicht darauf, daß er und der unter die Räuber Gefallene zwei verfeindeten Völkern angehören. Ein Beispiel für Diakonie. Ein Beispiel auch für uns?

Wir hören die dritte Strophe des Liedes zum Nachdenken von der Orgel. Ich lade Sie ein, währenddessen den Text still mitzulesen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de