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predigt[e].de

Die Predigt vom 12. November 2000: »Ab nach Mallorca«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise
Feiertagskalender (Tabelle)

  Die Evangelische Kirche beging den Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres. Mit ihm beginnt die letzte Phase des Kirchenjahres, die den Monat November prägt.

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  Nachdem "Gottesdienst einmal anders" angesagt war, und die Betonung v.a. auf den Liedern lag, habe ich ein neues Lied aus dem Kapitel "Ende des Kirchenjahres" in der Predigt vorgestellt: "Herr. mach uns stark im Mut, der dich bekennt" (Gesangbuch Nr. 154)

Predigt

  Alle Jahre wieder ...

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind. Alle Jahre wieder kommen nicht nur Advent und Weihnachten. Alle Jahre wieder kommt auch das Ende des Kirchenjahres. Der November, oft genug verbunden mit Dunkelheit, Nebel und Trauer. November, der neunte Monat: das ist die Zählung der Römer, deren Jahr mit dem März, also mit dem Frühling anfing. Nebelung oder Nebelmond, so nannten ihn unsere germanischen Vorfahren.

Alle Jahre wieder erinnert diese Zeit an den Tod lieber Menschen und auch an die Endlichkeit des eigenen Lebens. Muß das sein? Leistet die Kirche nicht der Resignation Vorschub, indem sie die Menschen jedes Jahr neu hineintunkt in ihre Erinnerungen? Sollte man nicht lieber das Gegenteil tun: die Leute durch Feiern ihre Sorgen vergessen lassen. Alle Senioren spätestens im Oktober auf Krankenkassenkosten nach Mallorca schicken. Die Weihnachtsmärkte und Weihnachtsfeiern Anfang November beginnen lassen, damit man unmerklich ins Weihnachtsfest hinüberfeiern und hinüberkaufen kann?

Nicht verdrängen – sich stellen

Sie merken: Ich übertreibe. Und vielleicht sind wir auch einig, daß das keine Lösung wäre. Es wäre Verdrängung. Verdrängung schiebt das Dunkle nur weg. Ein dünner Vorhang hängt davor. Wehe, wenn er auf einmal reißt!

Christlicher Glaube verdrängt das Dunkle nicht. Er will Kraft geben, ihm ins Auge zu sehen, sich ihm zu stellen und trotz allem und in allem auch das Licht zu entdecken. Davon singen auch die Lieder dieser Kirchenjahreszeit: Gott will Halt geben, da wo jemand haltlos ist. Er will Boden unter die Füße geben, da wo jemand keinen Grund mehr sieht. Er will ein Licht scheinen lassen, da wo jemand nur Dunkelheit entdeckt.

Lieder gegen die Angst

Zwei neue Lieder stehen in unserem Gesangbuch gegenüber dem vorherigen im Abschnitt "Ende des Kirchenjahres". Das eine von diesen beiden faßt, so meine ich, die christliche Botschaft von vorhin ganz besonders gut in Worte: Das Dunkle nicht verdrängen, sondern sich ihm stellen und das Licht entdecken. Die Nr. 154: "Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt"

Auf den ersten Blick will es nicht recht in diese Zeit passen: Mit Halleluja, mit einem doppelten Halleluja noch dazu in beschwingtem und fröhlichen Ton endet jeder Vers. Halleluja: Lobet Gott, lobet den Herrn. Das kennen wir eher von den Osterliedern. Halleluja soll nicht einfach nur gesungen werden, damit jemand seine Traurigkeit vergißt. In jedem Vers wird nach einem kleinen oder großen Grund gesucht, weshalb man auch in dieser Jahreszeit dankbar sein kann. Jeder Vers schaut zuerst der Wirklichkeit ins Auge, verschweigt sie nicht, sucht dann aber nach einem Lichtschein in der Dunkelheit.

Der sechste Vers ist ein Zusatz. Der erste Vers und der eigentlich letzte, also der fünfte, gleichen sich fast aufs Wort und bilden damit einen Rahmen. Wichtiger ist dieser Vers, glaube ich, für den Schluß. Leichter kann man ihn singen, besser kann man sie verstehen, wenn man vorher 2-4 gesungen und verstanden hat. Zum Einsingen und der Melodie wegen Vers 1. Lied Nr. 154 Vers 1:

1. Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt, daß unser Licht vor allen Menschen brennt! Laß uns dich schaun im ewigen Advent! Halleluja, Halleluja!

170 junge Menschen und der Tod

2. Tief liegt des Todes Schatten auf der Welt. Aber dein Glanz die Finsternis erhellt. Dein Lebenshauch bewegt das Totenfeld. Halleluja, Halleluja!

Noch einmal der Aufbau jedes Verses: Der Wirklichkeit in die Augen schauen, aber doch das Licht in der Dunkelheit entdecken, das einen Halleluja singen läßt: Was ist die Wirklichkeit? Der Schatten des Todes liegt über der Welt. Tief liegt er über der Welt. Wir brauchen nur das gestrige schreckliche Zugunglück anzuschauen, wo 170 junge Menschen am Morgen fröhlich los und mitten in den Tod hinein gefahren sind. Staatstrauer in Österreich. Erinnern Sie sich an Eschede? Da waren es "nur" (in Anführungszeichen) 100. Wir mögen ein ganzes Stück weg sein davon. Wahrscheinlich ist auch niemand Bekanntes dabei. Aber wen kann eine solche Botschaft ruhig lassen? Für die Angehörigen wird dieses Weihnachten anders sein als alle Weihnachten vorher. Aber vielleicht, ja hoffentlich kann doch ein wenig Glanz in ihre Finsternis hinein kommen, wie es hier im zweiten Vers heißt. Vielleicht können sie etwas von Gottes Lebenshauch entdecken.

Mit diesem Wort erinnert die Liederdichterin an eine Stelle aus dem Propheten Hesekiel. Sie finden die Bibelstelle unter dem Vers vermerkt und können Sie bei Interesse nachlesen. (Hesekiel 37,1-10) Der Prophet hat eine Vision von einem Feld voller Totengebeine, in das durch Gottes Odem Bewegung und Leben kommt. Eine leise Andeutung der Auferstehungshoffnung, die es ja im Alten Testament noch nicht gibt. Wir singen den zweiten Vers dieses Liedes. ...

Dem eigenen Tod ins Auge sehen

3. Welch ein Geheimnis wird an uns geschehn! Leid und Geschrei und Schmerz muß dann vergehn, wenn wir von Angesicht dich werden sehn. Halleluja, Halleluja!

Dem Dunklen ins Auge sehen, auch dem Dunklen im eigenen Leben. Was ist es in diesem Vers? Leid, Geschrei und Schmerz gehören zum Leben. Der eigene Tod gehört zum Leben. Es ist noch einmal etwas anderes, über 170 andere erschüttert zu sein, oder sich dem eigenen Tod zu stellen. Auch das gehört in diesen Kirchenjahreszeit hinein. Von einem Geheimnis, das da geschieht, redet die Dichterin und erinnert damit an Worte aus der Offenbarung des Johannes, die oft an Gräbern zu hören sind:

Offenbarung 21: 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!

Die Lichtbotschaft, die die Dichterin im Tod entdeckt, ist, daß uns der Tod von Angesicht zu Angesicht vor Gott stellt. Auge in Auge gibt es dann nichts mehr zu sagen. Da gibt es keine Fragen mehr. "Von Angesicht zu Angesicht." Ich denke an Worte des Apostels Paulus:

1. Korinther 13: 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.

Wir singen den dritten Vers des Liedes. ...

Das Kleid dieser Erde

4. Aber noch tragen wir der Erde Kleid. Uns hält gefangen Irrtum, Schuld und Leid; doch deine Treue hat uns schon befreit. Halleluja, Halleluja!

Dem Dunklen in die Augen sehen. Was ist das Dunkle in diesem Vers? Noch steht die Begegnung mit Gott von Angesicht zu Angesicht noch aus. Noch ist es nicht so weit. Noch gibt es den Irrtum, die Schuld, das Leid. Sie sind das Kleid dieser Erde, das wir nicht einfach ausziehen können. Wieder denke ich an Worte des Apostels Paulus, der in seinem Leben oft an Punkten war, wo er dieses Kleid der Erde gerne hinter sich gelassen hätte: 2. Korinther 5: 2 Darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, daß wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden.

So sagt es die Dichterin: Irrtum, Schuld und Leid gehören zu dieser Welt. Aber unsere Herren sind sie nicht. Gott hat uns schon befreit. Und sie erinnert damit an die Reformationsbotschaft, die wir am vergangenen Sonntag gehört haben. Sie erinnert an Jesus, von dem Paulus sagt: Galater 5: 1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Wir singen den dritten Vers des Liedes. ...

Und dann ...

5. So mach uns stark im Mut, der dich bekennt, daß unser Licht vor allen Menschen brennt! Laß uns dich schaun im ewigen Advent! Halleluja, Halleluja!

Weil wir wissen, so sagt die Dichterin, was wir gerade gesungen haben: daß auch in die Todesschatten ein Licht fällt, daß uns der Tod Gott von Angesicht zu Angesicht sehen läßt, daß uns Irrtum und Schuld nicht gefangen nehmen können – weil wir das wissen, Gott, mach uns stark. Gib uns den Mut, dich inmitten des übermächtigen Todes zu bekennen. Laß uns selbst Licht in die Dunkelheit anderer bringen. Und dann, wenn es am Ende so weit ist, laßt uns dich schauen!

Wir singen den fünften und für uns letzten Vers des Liedes.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de