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Die Predigt vom 1. Januar 2001: »Schatzsuche«


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Kirchenjahr

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  Am Neujahrstag 2001 stand in der Auferstehungskirche die Losung für das Neue Jahr im Mittelpunkt. Dazu wurde die neue Faltkarte der Kirchengemeinde verteilt, die auf der Vorderseite das Kreuz in der Apsis der Kirche und auf der Rückseite den Text der Jahreslosung zeigt.

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

 

„In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“

(Brief an die Kolosser Kapitel 2 Vers 3)

Predigt

  Jahreslosung 2001

Die „Weisen aus dem Abendland“

Einmal im Jahr sind alle, die in unserer Gesellschaft eine tragende Funktion haben, ganz aufmerksam: die Politiker quer durch alle Parteien, die Verantwortlichen in der Wirtschaft, die Journalisten. Jeder möchte der erste sein, und schon vorher etwas erhaschen von dem sorgsam gehüteten Geheimnis, das da verkündigt wird: Dann nämlich, wenn die sog. "fünf Wirtschaftsweisen" ihre Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung des kommenden Jahres bekannt geben.

Die "Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung", das klingt zu einfach, zu banal für das Wichtige, was da geschieht. Und deswegen kommt das alte Wort zu Geltung, was man sonst nicht mehr gebraucht: Die Wirtschafts"weisen". Weise. Der Duden sagt: Das bedeutet klug. Aber das reicht nicht. Wer weise ist, blickt tiefer. Er blickt hinter die Dinge. Aber er blickt auch voraus. Er weiß die entscheidenden Geheimnisse.

"Weisheit", "weise". Die Wörter kommen im Alltag selten vor. Von der "Weisheit des Alters" reden wir. Oder sprichwörtlich: Jemand habe den "Stein der Weisen" gefunden: Die Lösung. Den Schlüssel. Das, worauf es ankommt. In der heutige Zeit oft auch das, was sich verkaufen läßt. Jede Gesellschaft braucht ihre Weisen. Sie braucht Menschen, die hinter die Dinge blicken und die voraus schauen. Im alten Griechenland hat man von den "sieben Weisen" gesprochen, das sind sieben entscheidend wichtige Philosophen gewesen.

Die Weisen aus dem Morgenland

Drei andere Weise sind für unseren christlichen Glauben wichtig gewesen: Die "Weisen aus dem Morgenland", die nach Matthäus den neugeborenen König im Stall von Bethlehem aufgesucht haben. Von Weisen steht da ja gar nichts. Drei magioi, also drei Magier, drei Sternenkundige, drei Astrologen hatten sich damals auf den Weg gemacht. Drei Männer, die hinter die Kulissen des Sichtbaren und der Geschichte schauten. Großartiges hatten sie erwartet, aber sich dann von dem unscheinbaren Kind nicht verwirren lassen.

Nicht nur eine Gesellschaft, wir alle brauchen solche Weisheit für das Leben: wissen, was wichtig ist. Wissen, worauf es ankommt. Sich nicht mit den vordergründigen Antworten zufrieden geben. Hinter die Dinge blicken. Wir suchen und brauchen Perspektiven, auf deutsch Durchblick, Weitblick.

Die Jahreslosung 2001

Um solche Perspektiven, um solchen Durchblick, um das Entscheidende geht es in der Jahreslosung für das Jahr 2001. Die Jahreslosung, das christliche Motto für das neue Jahr aus dem Brief an die Kolosser, Kapitel 2 Vers 3: "In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis."

"Alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis" in einem vordergründigen Sinn kann man heute über das Internet finden. Da gibt es nichts, was es nicht gibt. Aber das ist nicht gemeint: Erkenntnis, das ist wie die Weisheit nicht einfach nur die Fülle des Wissens. Nicht viel wissen, sondern das Entscheidende wissen. Lebenswissen haben. Wie findet man solches Wissen? Woher bekommt man es? Jede Zeit und jede Gesellschaft weiß, daß es entscheidende Fragen gibt, die man sich nicht selbst beantworten kann. Heute ist das nicht anders. Manche tun zwar so, als wäre mittlerweile alles machbar und beantwortbar. Aber wenn das wirklich so wäre, bräuchte es nicht die vielen Angebote auf dem Jahrmarkt der Weltanschauungen.

Schatzsuche

"In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis." Die Suche nach Weisheit und Erkenntnis, die Suche nach dem Entscheidenden, nach den Perspektiven, sie wird hier im Kolosserbrief mit einer Schatzsuche verglichen: Das Entscheidende ist wie ein Schatz. Ein Schatz, der verborgen liegt. Ein Schatz, der bereit liegt, daß ihn jemand hebt und findet. Ein Schatz, das heißt: Was man finden kann, ist entscheidend wichtig und wertvoll. Ein Schatz, das heißt: man bekommt ihn nicht einfach so. Nicht ohne Mühe und nicht ohne Suche. Ein Schatz, das heißt aber auch: Er liegt bereit, für jeden bereit. Er muß nicht erst gemacht werden. Er muß nur gesucht und gefunden werden.

Beim Alten bleiben!?

"In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis." Den Suchenden seiner damaligen Zeit, den Menschen in der griechischen Stadt Kolossae, sagt der Schreiber des Briefes: Wenn Ihr in Eurer modernen Zeit nach dem Entscheidenden sucht, dann fangt bei dem an, den man Euch beigebracht hat und auf den Ihr getauft worden seid: fangt bei Christus an. Er ist der Weg zum Schatz. Alle Schätze sind über ihn und bei ihm zu finden. Das betont er ganz besonders. Also: Über Christus hinaus braucht man nichts.

Diese Betonung hatte ihren Grund: Den Menschen in Kolossä, den suchenden Menschen der damaligen Zeit, reichte der alte Christus nicht. Er war ihnen zu einfach, sie suchten Besonderes darüber hinaus. Sie waren nicht wie die drei Weisen aus dem Morgenland, die sich überraschen ließen von der Unscheinbarkeit ihrer Entdeckung. Nein, sie waren auf der Suche auf dem damaligen Jahrmarkt der Weltanschauungen. Ein paar Verse weiter hinten kann man es nachlesen, wenn der Schreiber warnt: 8 Seht zu, daß euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. 9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. (Kolosser 2,8-9) Alles, was man Euch sonst noch anbietet, ist Menschenlehre, warnt er. Es ist äußere Fassade ohne Inhalt. Wenn Ihr Christus habt, braucht Ihr nichts darüber hinaus. In ihm ist die Fülle. Alles, was es zu suchen und zu finden gibt.

Den Reichtum ausschöpfen

Die Bibelausleger sind sich nicht ganz einig, was die Philosophien und Lehren gewesen sind, die die Menschen in Kolossae angelockt haben. Ab anscheinend hat man wie so oft in der griechischen Philosophie die Welt und alles Geschaffene, auch den menschlichen Körper, als das Unwichtige angesehen. Die Seele allein sei wichtig. Sie müsse sich zu ihrer Rettung vom Körper und von dieser Welt lösen und aufsteigen auf höhere Stufen. Christus ist wichtig. Aber wer wirklich "in" sein will, braucht noch das Besondere, braucht tiefere Weisheit und Erkenntnis, braucht eine Art Geheimwissen.

Nein!, sagt der Schreiber des Briefes. Christus reicht. Nur: Ihr habt den Schatz noch nicht ganz gehoben. Ihr habt noch nicht alles entdeckt, was in ihm zu finden ist. Ihr habt den Reichtum noch gar nicht ausgeschöpft.

Das Leben ist ein Werden

Dazu lade ich Sie mit dieser Jahreslosung 2001 ein: Lassen Sie sich von dem heutigen Jahrmarkt der Heilsangebote nicht verwirren. Bleiben Sie bei dem, was man Ihnen beigebracht hat. Bleiben Sie bei dem Christus, auf den Sie getauft sind. Aber, wenn es Ihnen vielleicht nicht interessant genug oder zu wenig scheint, dann denken Sie daran: Vielleicht haben Sie den Schatz noch gar nicht ganz gehoben. Vielleicht gibt es da noch vieles, was sich zu entdecken lohnt: Im persönlichen Glauben, in Gebet und Bibel, in Meditation und Tanz, in Gottesdienst und Predigt. Das Leben und der Glaube sind nach Martin Luther ein ständiges Werden. So steht da nach dem Lied Nr. 200 in unserem Gesangbuch:

Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden,
nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden,
nicht ein Sein, sondern ein Werden,
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind's noch nicht, wir werden's aber.
Es ist noch nicht getan oder geschehen,
es ist aber im Gang und im Schwang.
Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.
Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles.

Zur Jahreslosung haben wir Ihnen die neue Faltkarte unserer Kirchengemeinde geschenkt. Sie zeigt das Kreuz in der Apsis unserer Kirche und vor allem das rote Fenster in der Mitte. Das Kreuz ist ein Hinweis auf Christus. Die Fenster sind Christusfenster: Nach Osten ist die Apsis einer Kirche ausgerichtet und fängt das Morgenlicht ein. Es ist ein Bild für Christus, das Licht. Das Violett aus den vier Fenstern in Kreuzesform weist als Farbe der Passionszeit auf sein Leiden. Das blendende Weiß der vier anderen Fenster daneben weist als Farbe der Osterzeit auf seine Auferstehung. Und das leuchtende Rot in der Mitte weist auf den Heiligen Geist, den uns Gott schenkt, und auf die Liebe, die wir als Antwort darauf an andere Menschen weitergeben.

Es wäre schön, wenn Sie mit jedem Gottesdienstbesuch in unserer Kirche diesen Hinweis auf Christus immer wieder neu im Fenster entdecken würden: "In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis." Christus - mehr ist nicht nötig. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de