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predigt[e].de

Die Predigt vom 28. Januar 2001: »Licht am Ende des Tunnels«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging am Sonntag den 4. Sonntag nach Epiphanias. Er hat die Macht Jesu über die Natur zum Thema. Evangelium ist die Erzählung von der Stillung des Sturms. In der Epistel erzählt Paulus von seinen Errettungen. Der Predigttext steht beim Propheten Jesaja im 51. Kapitel:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  9 Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des HERRN! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat? 10 Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe, der den Grund des Meeres zum Wege machte, daß die Erlösten hindurchgingen? 11 So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen. 12 Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn, daß du dich vor Menschen gefürchtet hast, die doch sterben, und vor Menschenkindern, die, wie Gras vergehen, 13 und hast des HERRN vergessen, der dich gemacht hat, der den Himmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat, und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tag vor dem Grimm des Bedrängers, als er sich vornahm, dich zu verderben? Wo ist nun der Grimm des Bedrängers? 14 Der Gefangene wird eilends losgegeben, daß er nicht sterbe und begraben werde und daß er keinen Mangel an Brot habe. 15 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der das Meer erregt, daß seine Wellen wüten - sein Name heißt HERR Zebaoth -; 16 ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen, auf daß ich den Himmel von neuem ausbreite und die Erde gründe und zu Zion spreche: Du bist mein Volk.

Predigt

  Wie in einem dunklen Loch

Ein Mensch, der Sorgen, Probleme oder Nöte hat, körperlicher Art oder seelischer Art, oder von der Familie oder Arbeit her, fällt oft wie in ein tiefes schwarzes Loch. Wie findet er aus einem solchen Loch wieder heraus ins Freie, ins Licht? Wie findet wieder zurück ins Leben? Verschiedene Schritte sind es nach der menschlichen Erfahrung:

Zuerst ist einmal alles dunkel. Man kann hinschauen, wo man will, man dreht sich im Kreis: Alles ist dunkel. Alles ist schwarz. Der Blick ist gefangen. Denken und Fühlen sind gefangen. Hilfe von außen ist nicht möglich oder schwer möglich. Sie wird gar nicht wahrgenommen. Der Blick geht nach innen. Die Gedanken kreisen um sich selbst. Zusammengekauert und verkrümmt ist der Mensch.

Es ist nicht alles dunkel

Bis dann früher oder später die Zeit kommt, wo jemand seinen Kopf wieder ein wenig heben kann. Und siehe da: Es ist nicht alles schwarz. Es leuchtet von draußen her ein wenig Licht in das schwarze Loch. Ein wenig nur: wie ein kleiner runder weißer Schein, wie Licht am Ende eines langen dunklen Tunnels. Die Verbindung zur Außenwelt wird wieder möglich: Man kann einen Zuspruch hören. Man kann auch wieder etwas Schönes sehen. Man kann eine Hand fühlen, die einem jemand in das dunkle Loch hinein entgegenstreckt.

Und dann wieder ein wenig später: Es hebt sich nicht nur der Kopf. Auch der zusammengekauerte und verkrümmte Mensch kann sich langsam wieder aufrichten. Er kann wenigstens mit seinem Haupt über den Rand des Loches hinausschauen. Noch ist der Mensch gefangen. Doch der Blick weitet sich. Ein neuer Horizont tut sich auf.

Ein neuer Horizont

Solche Menschen, die schon ein wenig über ihr schwarzes Loch hinausschauen können und deren Horizont sich weitet, sind in unserem heutigen Predigttext gemeint und angesprochen: Israeliten sitzen in der Verbannung in Babylonien. 50 Jahre schon, fast zwei Generationen. 900 km entfernt von der Heimat. Die erste Phase des großes Schocks ist lange vorbei: Die ohnmächtige Klage über den eigenen Gott, der sich als schwächer erwiesen hat als die babylonischen Götter. Das gebrochene Herz durch den Verlust der geliebten Stadt Jerusalem und des Tempels, in dem Gott zu Hause war. Die Depression und Resignation, daß alles nun keinen Sinn mehr hat.

Noch immer sind sie gefangen, doch ihr Blick geht, durch die Botschaft der Propheten ermutigt, langsam wieder nach vorne. Der Horizont weitet sich. Gott erscheint nicht mehr als der Ohnmächtige. Die Resignation weicht neuem zaghaftem Glauben. Gott war mächtig und bleibt mächtig. Warum sollte er sie nicht auch aus diesem schwarzen Loch herausholen können?

Gott kann helfen

9 Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des HERRN! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat? 10 Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe, der den Grund des Meeres zum Wege machte, daß die Erlösten hindurchgingen? 11 So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen.

Und dann durch den Mund des Propheten die Antwort Gottes, die ja jemand erst dann hören kann, wenn er schon ein wenig nach vorne schauen kann:

12 Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn, daß du dich vor Menschen gefürchtet hast, die doch sterben, und vor Menschenkindern, die, wie Gras vergehen, 13 und hast des HERRN vergessen, der dich gemacht hat, der den Himmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat, und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tag vor dem Grimm des Bedrängers, als er sich vornahm, dich zu verderben? Wo ist nun der Grimm des Bedrängers? 14 Der Gefangene wird eilends losgegeben, daß er nicht sterbe und begraben werde und daß er keinen Mangel an Brot habe. 15 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der das Meer erregt, daß seine Wellen wüten, ... 16 ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen, auf daß ich den Himmel von neuem ausbreite und die Erde gründe und zu Zion spreche: Du bist mein Volk.

Schläft Gott?

9 Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des HERRN!

Mit dem Blick nach draußen aus dem schwarzen Loch ist auch wieder ein Gebet möglich. Der Blick geht zu Gott hin. "Schläfst du, Gott? Hast du mich vergessen? Wach doch auf! Zeige, daß du Macht hast. Setz deine Macht ein. Hilf mir mit deinem starken Arm." Gottes Arm, das ist Gott selber, Gott, der hilft. Sein Arm ist ein Hinweis auf seine Macht und seine Eingreifmöglichkeiten.

Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat? 10 Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der großen Tiefe?

Wie eine vertrauensvolle Einladung zum neuen Helfen wird Gott daran erinnert, was seine Macht und sein Eingreifen damals, vor Zeiten, schon zuwege gebracht haben: Wenn Gott die Welt geschaffen hat, warum sollte er jetzt nicht helfen können und wollen? Hinter dem Drachen Rahab verbirgt sich ein sagenhaftes, gottfeindliches Meerungeheuer, das Gott bei der Schöpfung besiegt hat. Das Urchaos hat Gott durch seine Schöpferhand geordnet. Leben wurde möglich, weil Gott die lebensfeindlichen Wasser der Tiefe zurückdrängte. Die Erde als Lebensraum des Menschen wurde wie eine Feste zwischen den Wassern. So heißt es in der Schöpfungsgeschichte. Es gibt also nichts, was stärker wäre als Gott, der Schöpfer. Warum sollte er jetzt nicht helfen können?

Die Befreiung am Horizont

Warst du es nicht, ... der den Grund des Meeres zum Wege machte, daß die Erlösten hindurchgingen?

Und auch an die zweite, die für den Glauben Israels wichtigste Tat wird Gott erinnert: wie er seinem Volk die Flucht aus Ägypten ermöglichte, indem ein starker Wind den Boden des flachen Schilfmeers trocknete.

11 So werden die Erlösten des HERRN heimkehren und nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauern und Seufzen wird von ihnen fliehen.

Ein neuer Horizont tut sich auf nach den Jahren der Gefangenschaft, der Resignation, der Zweifel an Gott: Wie damals würden nun sie bald die Erlösten sein, die Losgelassenen, die Befreiten. Nach Zion, also nach Jerusalem werden sie zurückkehren dürfen. Trauer und Seufzen, die sie so lange bestimmt haben, werden vergessen und vorbei sein. Neues Leben tut sich auf.

Auch heute noch hilft Gott

So könnte es auch heute noch Menschen gehen, die über den Rand des tiefen Loches, das sie gefangen hält, langsam wieder hinausschauen können: Indem jemand nach vorne schaut, entdeckt er das Gebet wieder. Indem der Blick nicht mehr nur depressiv um sich selber kreist, kann der Mensch auch Gott und seine Möglichkeiten wieder sehen. Es ist keine Schande, in der Not das Beten zu lernen. Eine Schande ist nur, Gott hinterher wieder zu vergessen.

Wenn Gott der Schöpfer der Welt ist, warum sollte er nicht auch in dein und mein kleines Leben Bewegung und neue Perspektiven bringen können? Wenn Gott damals sein Volk losgemacht und befreit hat, warum sollte er nicht auch dich und mich aus dem Gefangensein herausholen und aus konkreter Not befreien können? An die für sie wichtigsten Heilsereignisse haben die Israeliten Gott damals erinnert: an die Schöpfung und an die Befreiung aus Ägypten. Aus unserer christlichen Sicht käme noch anderes hinzu: Der Sieg über den Tod durch die Auferwekkung Jesu. Oder das "ja", das Gott einem jeden Einzelnen bei der Taufe zugesprochen hat: "Du hast mir das Leben geschenkt, Gott. Du hast ja zu mir gesagt in meiner Taufe. Jetzt wach auf, steh auf. Zeig, daß du Macht hast."

Ist Gott müde und vergeßlich geworden?

Gott wird an seine frühere Macht und Hilfe erinnert. Kann man das eigentlich so sagen? Ist das nicht zu menschlich gedacht: Als ob er schlafen würde? So wie Jesus im Schiff geschlafen hat. Als ob er seine alten Zusagen vergessen hätte? Ist Gott müde, alt und vergeßlich geworden? Muß er durch mich wirklich erst erinnert werden? Ist nicht vielleicht viel wichtiger, daß ich selber aus meiner Müdigkeit und Gottvergessenheit aufwache? Ist nicht vielleicht viel wichtiger, daß ich mich erinnere an das, was ich schon erlebt habe? Wer in einem tiefen seelischen oder körperlichen Loch sitzt und nicht hinausschauen kann, der ist ganz gebannt von dem, was jetzt ist. Wer aber dann langsam wieder über seinen Horizont hinausschauen kann, der kann entdecken: So ähnlich ist es mir ja früher auch schon ergangen. Und er kann sich dankbar erinnern, wie früher schon durch Gottes Hilfe sich das Blatt gewendet hat. Und dann könnte daraus neue Hoffnung erwachsen, daß es auch jetzt wieder so werden könnte. Gott kommt entgegen mit Worten wie damals:

„Immer, wenn du meinst, es geht nicht mehr ...“

12 Ich, ich bin euer Tröster! Wer bist du denn, daß du dich vor Menschen gefürchtet hast, die doch sterben, und vor Menschenkindern, die, wie Gras vergehen, 13 und hast des HERRN vergessen, der dich gemacht hat, der den Himmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat, und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tag vor dem Grimm des Bedrängers?

Das erleben immer wieder neu Menschen, wenn sie langsam aus ihrem Loch hinausschauen und schließlich auch herauskrabbeln können: Warum habe ich mir eigentlich solche Sorgen gemacht? Wovor habe ich mich eigentlich gefürchtet? Meine Angst und meine Resignation haben alles viel größer gemacht, als es in Wirklichkeit war. Und ich habe über allem Gott vergessen. Tief unten in meinem schwarzen Loch konnte ich auch ihn nicht sehen. Ich habe Gott nichts zugetraut. Und Gott spricht weiter:

15 ... ich bin der HERR, dein Gott, der das Meer erregt, daß seine Wellen wüten, ... 16 ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen, auf daß ich den Himmel von neuem ausbreite und die Erde gründe und zu Zion spreche: Du bist mein Volk.

Wer hinausschauen kann aus einem Loch, wer neue Augen für Gott bekommt, der hört dann auch die Zusage der Taufe wieder neu: Du bist mein. Ich halte meine Hände über dich. Im Schatten meiner Hände bist du geborgen. Gott, der Schöpfer, der den Himmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat, der hat trotzdem Augen für jeden Einzelnen. "Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein." Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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